Viertes Buch: Das Sechste Saeculum

4. Kapitel: Hermes und Apis in Hellas

Zum Zeitpunkt des Eintreffens des Hermes in Hellas (530 oder 531 ndFl) lebte Pan-Dionysos schon nicht mehr. Hier in Athen herrschte nach nur kurzer Regierungszeit dessen Sohnes Butes (* 506 ndFl) jetzt Pallas (* 504 ndFl), der Bruder der Hypermnestra. Diese beiden Geschwister waren Kinder des Paares Athena-Metiadusa und Kekrops. Pallas war väterlicherseits ein Karer, was ihn für den Karer Lynkeus von Argos, den Gemahl der Hypermnestra, als Vasallen interessanter machte als der Sohn des minoischen Statthalters Pandion. Lynkeus, der sich von Kreta losgesagt hatte, wo zu dieser Zeit Minos bei der Verfolgung des Daidalos in Sizilien zu Tode kam, setzte Butes im Jahre 530 ndFl ab; denn Androgeus, der Sohn des Minos, saß noch nicht fest genug im Sattel, um dem Karer Paroli zu bieten. Das gelang ihm erst, nachdem ihm Hermes seine Hilfe angeboten hatte.

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|           Herrscher in Athen zu dieser Zeit            |
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|                            geb.  gest.        regiert  |
|                                                        |
|   PAN-DIONYSOS-L(Y)AIOS     482    529        519-529  |
|                                                        |
|   BUTES                     506    542        529-530  |
|                                                        |
|   PALLAS                    504    561        530-561  |
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Hermes gilt in Griechenland als der Hirtengott auf der Peloponnes. Tatsächlich war auch hier sein Hauptbetätigungsfeld. Nachdem er in der Argolis an Land gegangen war, tötete er Lynkeus von Argos, den "Hundertäugigen" bzw. den "argusäugigen Wächter", was ihm den Beinamen Argeiphontes (= Argostöter) einbrachte, aus dem seine Namen Arkeisios und Akrisios abzuleiten sind. Lynkeus wollte vermutlich gerade das tun, was in der Geschichte vom Trojanischen Krieg Agamemnon mit seiner Tochter tun wollte, um die Götter um günstige Winde für seinen Kriegszug zu bitten: Er wollte seine Tochter Iphigenie opfern, was für den Karer nichts Ungewöhnliches war. Der (See-)Krieg, den Lynkeus beginnen wollte, vermutlich um sich vom minoischen Joch zu befreien, fand nicht mehr statt. Hermes und sein Sohn Apis machten auf der Peloponnes mit der Unsitte, den Göttern Menschenopfer darzubringen, endgültig Schluss.

Hermes liierte sich zunächst mit der Witwe des Lynkeus, mit Hypermnestra, wie dies auch in der "Orestie" nachempfunden wird, wo Aigisthos die Rolle des Argeiphontes übernimmt, des Mörders des Vaters von Orest, Iphigenie und Elektra, und wo Klytämnestra in die Rolle der Gattenmörderin Hypermnestra schlüpft, die ein Liebesverhältnis mit ihrem Helfer bei dieser Untat eingeht.

Hermes ordnete die Verhältnisse in Hellas neu, und zwar im Sinne des neuen minoischen Oberherrn, des Andr-Ogyges, in dessen Regierungszeit die "Flut des Ogyges" stattfinden wird (537 ndFl). Hermes entfernte den Bruder Pallas seiner Mätresse Hypermnestra dennoch nicht vom athenischen Thron, zumal sich sein Enkel Butes vermutlich nach Kalydon in das westgriechische Aitolien abgesetzt hatte und daher nicht mehr zur Verfügung stand.

Arkeisios, ein peloponnesischer König, wird in der Sage mit Chalkomedusa verheiratet. Ich halte diese Angabe für zutreffend. Der Namensteil -medusa in Chalkomedusa weist so deutlich auf die Nachkommenschaft der (Athena-Gorgo-) Me-tia-dusa hin, dass es naheliegt, Hypermnestra mit Chalkomedusa zu identifizieren. Ich bin aber der Ansicht, dass sich in dem Namensteil chalko das Wort elek verbirgt (Konsonantenfolge l-k), und halte daher Elektra, die Enkelin der Gorgo-Me(tia)dusa, für Chalkomedusa. Es ist meines Erachtens nicht ganz abwegig, chalko (= kupfern, kupferfarben) mit elektr-on (= griech. für Bernstein) auf eine "bronze-" bzw. "bernsteinfarbene" Elektra zu beziehen, womit deren Hautfarbe angedeutet werden sollte. Eine ähnliche Verbindung mit chalko werden wir ebenfalls bei einer Tochter der Elektra-Chalkomedusa finden, bei ihrer und des Perseus Tochter, bei der "kupferäugigen" Chalkiope.

Hermes-Arkeisios heiratete Elektra-Chalkomedusa aber erst, kurz bevor er aus Hellas wieder fortging, als sie etwa dreizehn Jahre alt war. Er ließ Elektra-Eurydike = Chalkomedusa in Hellas zurück. Sie heiratete nur wenig später den aus Ägypten geflohenen Perseus, der dort ihren Gatten Hermes-Akrisios umgebracht zu haben scheint. Auf diese Weise heiratete Perseus zum zweiten Male in die Familie der Gorgo-Metiadusa ein, nachdem er in Karkemisch bereits deren mubal-Tochter geheiratet hatte. Auch Perseus verließ Elektra-Chalkomedusa wieder, die dann noch ein drittes Mal heiratete; dazu weiter unten mehr.

Die mythologische Beziehung zwischen Perseus und Hermes, welcher dem Perseus zur Durchführung der Enthauptung der Gorgo-Medusa schon den Tarnhelm geschenkt hatte, hat einen sehr realen Hintergrund, auf den ich ebenfalls noch zu sprechen komme. Hermes, der Hauptheld dieser Jahre, und sein Sohn Epaphos-Apis räumten mit der Karer-Herrschaft auf der Peloponnes endgültig auf. Aischylos sagt, Apis habe "das menschenverzehrende Drachengeschlecht" auf der Peloponnes ausgelöscht und sich dadurch als ein "Heiland" (griech. soter) erwiesen. Allgemein wird der relativ kurze Aufenthalt des Hermes und des Apis als segensreich für Hellas empfunden. Das bezieht sich sowohl auf politische als auch auf (agrar)wirtschaftliche Aspekte. Politisch ist hier der Beginn einer fast reinen Herrschaft der arischen "Zeusianer" zu sehen, agrarwirtschaftlich die vollständige Reform von Ackerbau und Viehzucht: (1. Mose 4,20) Und Ada gebar Jabal, von dem sind hergekommen, die in Hütten wohnten und Vieh zogen.

Eigentlich müsste dieser Relativsatz im Präsens stehen; denn noch heute gibt es die sesshaften Viehzüchter, die sich von den nomadisierenden unterscheiden, die in Zelten wohnen.

Der Halbbruder des Jabal-Hermes, der Schöngeist und Musenliebling Jubal-Apoll, von dem sind hergekommen die Geiger und Pfeifer (1. Mose 4,21), hatte sich vor dem Kimmerersturm des Jahres 523 ndFl schon nach Hellas in Sicherheit gebracht. Vorher war er Statthalter seines Vaters Zeus- Scharkalischarri in Didyma über Lykien gewesen, wo vor ihm Sarpedon residiert hatte, der Sohn des Asterion-Poseidon, hinter dem sich Orion (= Puzur-Eschtar) verbergen dürfte.

Vermutlich kam Apollon zunächst zu seinem Neffen Pandionysos nach Athen. Hier hielt er sich nicht lange auf; denn Dionysos setzte ihn in Amyklai (auch Amyklaia geschrieben; es war die Keimzelle des späteren Sparta) als Statthalter ein, wo er selbst einige Jahre unter seinem Namen Amyklas verweilt und seine derzeitige Gemahlin Diomeda-Demeter, die Tochter des Königs Xuthos und der Kreusa, geheiratet hatte. Dionysos gab seinem Onkel den Sohn mit dem karisch endenden Namen Hyakinthos mit, der später sein Nachfolger in Amyklai werden sollte. Dieser, noch ein Knabe, soll jedoch (versehentlich?) von Apollon getötet worden sein. Hyakinthos kann auch anders geheißen haben; denn in seinem mythologischen Namen stecken die Gebetsworte hye (= regne) und kye (= empfange) des eleusinischen Dionysos-Kultes.

Das Verhältnis des Apollon zu Dionysos müsste durch diesen Zwischenfall erheblich belastet worden sein. Apollon könnte indes ebenso gut erst nach dem Tode des Dionysos dessen Sohn - weniger "versehentlich" - getötet haben, um selbst die Nachfolge des Pan-Dionysos anzutreten. Er war jedoch niemals eine große Herrschergestalt, weder in Hellas noch sonstwo. Vermutlich vertrieb Hermes seinen Halbbruder von hier oder verhinderte, dass Apollon nach dem Staatsstreich gegen den Nationalhelden "Hyakinthos" in Amyklai auf den Thron kam, während der Getötete, der noch ein Knabe von etwa 12 Jahren gewesen war, zum Nationalheros von Amyklai erhoben wurde (um 530 ndFl). Denkbar ist auch, dass Hyakinthos = Amyklas = Dionysos selbst dieser Nationalheros ist.

Apollon begab sich von Amyklai nach Sekyon, wo er Oidipos dazu aufstachelte, Theben zurückzuerobern, was im Falle, dass sich der Hyakinthos-Zwischenfall schon zu Lebzeiten dessen Vaters ereignet haben sollte, einer Kriegserklärung an Dionysos gleichkam. Die Sage vermittelt das anders; ihr zufolge rät Apollon dem Sohn des Amphiaraos, Alkmaion, dem Wunsch seines Vaters nachzukommen und Eriphyle, seine Mutter, zu töten. Diese war aber - wie wir gesehen haben - schon von Kreon getötet worden, weil sie den Leichnam des Amphiaraos (= Amphitryon, Orpheus), ihres Gatten, verbotswidrig mit Erde bedeckt bzw. in einer Erdspalte versenkt hatte. Über den Ausgang und die Folgen des Krieges Oidipos gegen seinen Vater Dionysos-L(y)aios wurde schon in einem früheren Kapitel abgehandelt.

Apollon soll die Tochter Philonis des Deïoneus-Dionysos geheiratet und von ihr den Sohn Philamon bekommen haben. Diese Ehe kann Apollon jedoch nicht sogleich bei seinem Eintreffen in Athen im Jahre 523 ndFl geschlossen haben, da Philonis zu dieser Zeit entweder noch gar nicht geboren oder noch nicht in einem heiratsfähigen Alter war. Solange Dionysos lebte, dürfte es überhaupt nicht zu dieser Eheschließung gekommen sein.

Auch Hermes soll der Sage nach Philonis geheiratet haben, die seine Enkelin gewesen wäre, da sie die Tochter seines Sohnes Pan-Dionysos mit Demeter-Diomede war. Von Hermes soll Philonis den Sohn Autolykos bekommen habe; aber hier vermute ich ein Missverständnis: Lykos ist der Beiname des Apollon, der sehr wahrscheinlich auf seine Eigenschaft als lykischer Statthalter anspielt. Folglich dürfte Autolykos nicht von Hermes, sondern von Apollon abstammen; aber über seine Mutter, die Tochter des Hermes-Sohnes Dionysos, war Autolykos auch ein Abkömmling des Hermes, nämlich dessen Urenkel. Der Sohn Philamon von Apollon und Philonis wurde kurz nach seinem Bruder Autolykos geboren (etwa 540 bzw. 538 ndFl), als Dionysos schon seit zehn Jahren tot war. Auch Hermes war zu dieser Zeit längst aus Hellas wieder abgereist, ja womöglich sogar ebenfalls schon tot.

Hermes-Merkur, der im Altertum als der Gott der Kaufleute und - was in Kaufmannskreisen gern verschwiegen wird - der Diebe galt, verübte seinen klassisch gewordenen Diebstahl an den Rinderherden seines Bruders Apollon, die er kurzerhand konfiszierte. Dadurch bestrafte er Apollon für dessen Mitschuld am Tode seines Sohnes Dionysos-L(y)aios. Es kann natürlich auch einen oder mehrere andere Gründe für diesen Diebstahl gegeben haben.

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Apollon zog sich daraufhin nach Lokris zurück, wo er in |
| Delphi den nach diesem Ort benannten Kult begründete,   |
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der letztlich eine Fortführung des Kultes von Didyma war, wo Apollon vor seiner Flucht vor Orion residiert hatte. Apolls Beiname Loxias kann aus Lokris, der neuen Heimat des Apollon, abgeleitet sein. Seine Rinderherden soll er aufgrund eines Götterbeschlusses wieder zurückbekommen haben. Das ist insofern plausibel, als nach dem Fortgang des Hermes (nach nur etwa siebenjährigem Aufenthalt in Hellas) kurzfristig Apollon hier wieder zu politischem Einfluss gelangte, der an sich in Hellas sehr gering war.

Wie ich schon sagte, wurde Elektra-Chalkomedusa-Eurydike zuerst von Hermes und danach auch noch von ihrem zweiten Gemahl Perseus verlassen. Letzterer heiratete Dia bzw. Thea, eine Tochter des Dionysos mit Demeter, die durch ihre Ehe mit Perseus zu ihrem zweiten Namen kam, unter dem sie in der Mythologie bekannt ist, nämlich Persephone oder (lateinisch) Proserpina. Diese um etwa 520 ndFl geborene Frau spielte auch schon im Leben des Hermessohnes Epaphos- Apis eine Rolle. Es wird gesagt, Persephone sei von Pluto geraubt worden, der mit Hades identifiziert wird. Dieser habe sie in die Unterwelt entführte, wo ihre Mutter sie mit der Fackel gesucht, gefunden und zurückgeholt habe. Durch Konsonantenumstellung lässt sich aus dem Namen Pluto der uns bereits bekannte Name Ptole machen, den die Griechen für Ptah-Re benutzten, also auch für Apis-Epaphos, den Stammvater der Ptolemäer. Was bringt uns das?

Butes, der um 506 ndFl bereits geborene Sohn des Dionysos mit Zeuxippe, einer "Najade" oder Tochter des Poseidon, schickte Demeter, die nicht seine Mutter war, nach Kreta, sobald er den attischen Thron bestiegen hatte. Hierfür kämen mehrere Gründe in Frage: Er fürchtete, sie könne selbst zuviel Einfluss in Athen haben und ihn in den Schatten stellen; immerhin war sie eine so hochverehrte Person, gegen die er als Titanenabkömmling keine Chance gehabt hätte. Es kann aber auch sein, dass er sie erst nach dem Tode des Minos nach Kreta schickte, um dort bei Androgeus für gute Beziehungen zu werben. Ob es in Athen sogar eine Absicht gab, sich von Kreta zu lösen, ist wenig wahrscheinlich; dagegen spricht die Tatsache, dass Lynkeus ihn vertrieb, obwohl er doch dieselbe Absicht verfolgte. Schließlich ist auch an die Möglichkeiten zu denken, dass Demeter aus eigenem Antrieb Athen in Richtung Kreta verließ, oder dass sie von Lynkeus erst abgeschoben wurde. Eines steht jedoch mit Sicherheit fest: Sie kam schon vor dem Eintreffen des Hermes in Hellas nach Kreta; denn auf Kreta kam Demeter mit Hermes und seinem etwas über 40 Jahre alten Sohn Apis-Epaphos in Berührung. Diese Begegnung sieht die Sage folgendermaßen:

Nach kretischer Sage zeugte Jasion mit Demeter auf dreimal geackertem Saatfeld den Plutos. Nach anderer Überlieferung gesundet der kränkliche Sohn des Königs Keleos von Eleusis mit Namen Demophon unter der Pflege der Göttin. Ihm steht offenbar ein anderer eleusinischer Schützling der Göttin nahe, der Heros Triptolemos (= der Dreimalpflüger; beachte das dreimal geackerte Saatfeld!), der als Verbreiter des Ackerbaus und des Kultes von Eleusis verehrt wurde, dem aber auch die Einführung des eisernen Pfluges in Hellas zugeschrieben wird.1

Kreta/Pluto und Eleusis/Triptolemos sind die zusammenpassenden Halbkreise, die sich zum Vollkreis schließen, wenn man Pluto mit Triptolemos identifiziert. Dies gelingt nach der Gleichung Pluto = Ptole, die wir oben schon herausgefunden haben, problemlos. Apis-Pluto, der "Soter", brachte den Pflug nach Hellas, während Hermes die Grundbegriffe in der Rinderzucht einführte. Wir hatten gesehen, dass Hermes und Apis im Jahre 530 ndFl vor dem Osiris-Mörder Seth aus Ägypten geflohen waren. In Knossos auf Kreta setzten sie Androgeus-Ogyges auf den Thron des kurz zuvor in Sizilien zu Tode gekommenen Minos. Bei dieser Gelegenheit könnten Apis-Triptolemos und Demeter einen Sohn gezeugt haben, so wie der Apisstier Epaphos mit der Tochter des Minos oder des Androgeus einen Sohn zeugte, nämlich den später mit Stierkopf dargestellten Minotaurus, der 530/531 ndFl schon geboren wurde. Keleos von Eleusis, einer offensichtlichen Stadtgründung des Dionysos, kann dieser selbst gewesen sein: Ke-Lyaios. Sein Sohn mit Demeter, der kränkelnde Demophon, erinnert mit seinem Namen an Dia-Persephone. In Athen wird viel später tatsächlich ein Demophon vorkommen, der seine Herkunft auf Pan-Dionysos zurückführen kann.

Wenn Pluto der Vater des Demeter-Sohnes und nicht dieser Sohn selbst war, dann liegt es nahe, den angeblichen Vater des Pluto, Jasion als den Sohn aus der Verbindung Demeters mit Pluto anzusehen. Ich halte Jasion jedoch eher für den Minoer, der der Schwiegersohn der Demeter und Statthalter Kretas in der alten Minyerstadt Orchomenos wurde. Er kann mit Aision identisch sein, einem Sohn des Kretheus-Minos, der wiederum mit Aison verwechselt worden sein könnte, dem sagenhaften Vater des Jason, der seinerseits jedoch erst in die Zeit nach dem Trojanischen Krieg gehört. Hier geben sich die Missverständnisse die Türklinke in die Hand. Von einem Sohn des Apis-Pluto-Triptolemos mit Demeter möchte ich daher nicht ausgehen.

Jasion-Aision (Vertauschung der Buchstaben Ia zu Ai) war der Lapithenkönig Ixion (= Ik-sion; * ca. 490 ndFl), der mithin ein Sohn des Kretheus-Minos war, und der Gemahl der Dia-Persephone, der um 520 ndFl geborenen Tochter von Dionysos und Demeter. Mit ihm, dem von Hermes eingesetzten Statthalter der Kreter in Orchomenos, begann eine neue, die fünfte minoische Ära auf griechischem Boden:

Die erste minoische Ära in Hellas hatte schon in der Zeit der Titanen-Herrschaft begonnen (ca. 488 bis 503 ndFl). Die zweite begann daran unmittelbar anschließend, nachdem Dionysos in minoische Gefangenschaft geraten war; sie dauerte bis 507 ndFl, in welchem Jahr mit Orion-Aktaion die dritte anbrach. Die vierte Minoerära in Hellas setzte mit Dionysos ein, die mit der Vertreibung dessen Sohnes Butes durch Lynkeus endete (519-530 ndFl). Wenn dieser Butes mit Oinomaos identisch sein sollte, dann könnte er zu Apollon gegangen sein, dessen Nachbar er als Oinomaos von Aitolien in der Stadt Kalydon geworden wäre.

Oinomaos hatte den Sohn Oineus. Den Sohn des Oineus von Kalydon, den "eberkühnen Aitoler" Tydeus, haben wir schon in der Sage vom Siebenzug kennengelernt. Tydeus gilt in der Ilias als der Vater des Diomedes von Argos, der am Trojanischen Krieg teilnahm. Daraus wird ersichtlich, dass Tydeus im Siebenzug, der rund 120 Jahre vor dem Trojanischen Krieg stattfand, nichts verloren hat. Als Sohn des ca. 506 ndFl geborenen Butes-Oinomaos kann Oineus um 530 ndFl und dessen Sohn Tydeus etwa 554 ndFl geboren sein. Diomedes wurde vermutlich um 595 ndFl geboren, so dass der Tod seines Vaters Tydeus erst danach anzunehmen ist. Vermutlich starb Tydeus in einer der vielen Schlachten, die am Ende des 6. nachsintflutlichen Jahrhunderts stattfanden und auf die wir zu gegebener Zeit noch zu sprechen kommen.

Ein anderer Sohn des Tydeus war Thestios von Kalydon, der mit dem Argiver Thyestes identisch sein dürfte, der hartnäckig für den Bruder des Atreus von Mykenä gehalten wird. Die Tochter des Argivers Thyestes-Thestios aus dem Stamme der Aitoler von Kalydon war die berühmte Leda, mit der wir uns allerdings erst in einem späteren Kapitel zu befassen haben.

An die Stelle des Butes-Oinomaos hatte Lynkeus in Athen den Sohn Pallas von Athena-Metiadusa und Kekrops gesetzt, den er und seine Gemahlin Hypermnestra aufgezogen hatten, der aber in der Sage als Sohn des Pandion gilt, vermutlich weil er dessen eigentlicher Nachfolger wurde. Er war als Sohn des Kekrops ein rechtmäßiger Thronfolger. Pallas wird später von Aigeus, dem Sohn und daher ebenfalls rechtmäßigen Thronfolger von Pandion(ysos), abgesetzt. Ob er von Aigeus auch getötet worden ist, bleibt offen; denn die Tötung des Pallas "und seiner gewaltigen Söhne", die sich gegen Aigeus erhoben hatten, wird dessen Sohn Theseus zugeschrieben. Es kann aber sein, dass sich die Söhne des von Aigeus getöteten Pallas, die noch vor 560 ndFl geboren sein müssten, gegen den am Tode ihres Vaters schuldigen Aigeus erhoben.

Als Theseus etwa im Jahre 575 ndFl in Athen einzog, waren die Söhne des Pallas etwa 50 Jahre alt. Da Adrastos erst in eine viel spätere Zeit gehört, können die angeblich mit dem Siebenzug verbundenen gewaltigen Brüder des Adrastos eigentlich nur noch die gewaltigen Söhne des Pallas sein, nämlich Parthenopaios, Hippomedon und Kapaneus, die den Versuch, ihren Thronanspruch durchzusetzen, mit dem Leben bezahlten. Ihr Vater Pallas war gewiss dem Androgeus-Ogyges treu ergeben gewesen, den Aigeus später töten wird.

Die fünfte minoische Ära auf griechischem Boden begann damit, dass Hermes im Jahre 530 ndFl den Minos-Sohn Jasion, Aision oder Ixion als Oberstatthalter der Minoer in der Lapithenstadt Orchomenos einsetzte, der 537 ndFl mit Thea bzw. Dia-Persephone verheiratet wurde, der Tochter von Dionysos und Demeter, die zuvor mit Ap(oph)is-Pluto verheiratet war: Der Sage nach soll Pluto Persephone geraubt und wieder zurückgegeben haben. Nach Ixion war Perseus ihr Gemahl.

Laphystien, Lapithien oder - was der letztgenannte Name besagt - das Land der Steine ist derjenige Teil Boiotiens (d.i. die Landschaft um das griechische Theben), der sich vom Laphystion-Gebirge hinunter bis ans Meer erstreckt. In der Sage gilt der Lapithenkönig Ixion daher als König der Steinmänner, obwohl er selbst kein Karer (= Megalithiker bzw. "Großsteinmann") war. In dieser Gegend dürften jedoch noch eine Menge karischer Lapithen gelebt haben, die dem laphystischen Zeus, der gewiss nichts mit dem griechischen Zeusbild gemein hatte, Menschenopfer darbrachten. Bekannt ist die hier der Sage nach versuchte Opferung der Kinder Phrix und Helle, auf deren historischen Hintergrund ich noch ausführlich eingehen werde. Daneben verehrten die Lapithen noch Monolithen, wie sie es überall taten und was zur Entstehung des Namens "Megalithiker" beitrug.

Der Raub der Proserpina (= Persephone) war offenbar eine Entgleisung des ansonsten recht hilfreich geschilderten Apis-Pluto, der auf vermittelndes Drängen der Mutter die Tochter wieder herausgab. Wer die Mutter des Apis-Sohnes Asklepios war, ist schwer zu entscheiden. Es kann sich um die unter dem Namen Aida in die Weltliteratur eingegangene Gemahlin des Achmose mit Namen Aschaït (= Aa-sech-aï.t) gehandelt haben oder um die beiden Frauen Demeter und Proserpina. Die größere Wahrscheinlichkeit liegt aber bei der Ägypterin, da der Name Asklepios (A-sk-le = Aa-sech-Re?) sich direkt vom Namen der Mutter ableiten lässt. Apis-Pluto wurde später bekanntlich der Pharao Achmose. Er war - wie ich bereits sagte - der Stammvater der Ptolemäer = Ptah-Ra-messu, der "Söhne des Ptah-Re".

Merkwürdigerweise ist der älteste bekannte Sohn der Persephone erst ein Sohn ihres dritten Gemahls, nämlich des Perseus, der erst im Jahre 539 ndFl in Hellas erscheint. Es ist der um 546 ndFl geborene Teispes, dessen übrige Namen ich hier noch nicht auflisten möchte. Einige habe ich schon anderer Stelle erwähnt.

Dia-Persephone muss daher bei ihrer ersten Verehelichung (mit Apis-Pluto) noch sehr jung gewesen sein, da sie bei der Geburt des Teispes kaum älter als 26 Jahre gewesen sein dürfte. Jasion-Ixion scheint um 545 ndFl verstorben bzw. getötet worden zu sein, wodurch seine Gemahlin Dia- Thea-Persephone zur Witwe und für eine dritte Ehe frei wurde; denn eine abermalige Entführung der Proserpina ist wenig wahrscheinlich. In der Sage ist die Landung des Perseus in Mysien mit dem Sagenkreis um den Trojanischen Krieg, in dem es auch um eine Entführung geht, vermischt worden, so dass eine Entführung nicht auszuschließen ist.

Wir nähern uns der großen Vulkankatastrophe des Altertums, dem "Krakatau der Antike", der Explosion der Insel (Kaph-) Thera, von der heute unter dem Namen Santorini nur noch etwa 10 Prozent ihrer damaligen Größe vorhanden sind. Ich möchte aber, bevor ich diese Katastrophe in allen Einzelheiten beschreibe, noch eine Zusammenfassung erstellen, um den status quo ante in der Mittelmeerwelt festzuhalten:

1. Ägypten

Seth-Radamanthos, "Seine Majestät" Schu, der König Thum, Athamas oder Tem, der große Gott von Heliopolis und erste Gottmensch auf Erden, dessen Name auch Aton ist, Himmelsträger Schu oder Se-chem (= "Seine Majestät") Ib-(A)Tlas, beherrscht ganz Ägypten. Er ist verheiratet mit Nephthys = Nephele und hat seinen Sohn Anubis (Ramses "II") vorsorglich schon zum Pharao krönen lassen, da der Osiris-Sohn Horus noch lebt. Anubis werden wir sogleich nach der Katastrophe in Ägypten antreffen.

2. Amurru

Rim-Sin Utuchengal hat nach der Vertreibung des Tirigan in den Grenzen des Akkader- bzw. Zeus-Reiches ein neues Reich geschaffen, das Amoriter- oder Amurru-Reich. Dazu gehören neben Mesopotamien als Stammland auch die syrischen Gebiete Phönizien und beide Edom, während die kleinasiatischen Länder weitgehend selbständig sind.

3. Hellas

Oberstatthalter der kretisch-minoischen Herrschaft auf dem griechischen Festland ist Jasion, Aision oder Ixion, der Sohn des Minos-Kretheus. Seine Obrigkeit im Knossos-Palast ist ein anderer Sohn des Minos, den dieser mit der Ägypterin Pasiphaë gezeugt hatte, nämlich Androgeus-Ogyges. Nach diesem wird die Flut den Namen erhalten, die als eine Folge der Thera-Katastrophe die Küsten des Mittelmeeres heimsuchen wird: die Flut des Ogyges. Mit der Bezeichnung "die Insel des Ogyges", die in der Odyssee erscheint, kann deshalb nur Kreta gemeint sein. Jede andere Deutung wäre aus dieser Sicht abwegig.

Hermes hat nie mehr als ein politisches Asyl in Hellas von der Gnade des Minoerkönigs Andr-Ogyges gehabt. Er wohnt bei der Witwe des von ihm getöteten Lynkeus in Argos und betätigt sich als erfahrener "Hirtengott", als Lehrmeister derer, die "in Hütten wohnten und Vieh zogen", also in der Unterweisung der Einheimischen in der Viehzucht. Sein Sohn Apis-Pluto-Triptolemos macht die Bauern mit den Vorteilen des eisernen Pfluges vertraut und erweist sich in vieler Hinsicht als Wohltäter ("soter"). Große Herrscherfiguren sind sie beide nicht.

Inwieweit andere Herrscher auf dem griechischen Festland selbständig sind, lässt sich nur schwer sagen. Ich möchte annehmen, dass Eurytos bzw. Eurypos, der auch Oidipos ist, ein eigenständiger Herrscher von Theben aus über Boiotien und Thessalien ist, wobei die Hafenstädte jedoch fest in minoischer Hand zu sehen sind. Hauptstadt des Eurytos ist nach anderer Sage (Herkules) nicht Theben, sondern eine Stadt namens Oichalia (vgl. Oi-dipos!) in Thessalien. Es ist denkbar, dass sich Oidipos später dorthin zurückziehen musste. Darauf komme ich in einem späteren Kapitel wieder zurück. Oidipos kann erst wenige Jahre vor der Katastrophe Iphigenie-Euryganeia geheiratet haben, vielleicht geschah dies sogar erst kurz danach.

Apollon und seine Gemahlin Philonis wohnen in Delphi, wo sie den Kult von Didyma (im kleinasiatischen Lykien) wieder eingeführt haben. Dieser Kult ist bis jetzt noch kein Apollon-Kult, sondern es handelt sich um einen Orakelkult, wie er in der damaligen Zeit häufig anzutreffen war (vgl. Strophios-Orpheus-Amphiaraos!). Diese Tradition ging auf die Karer zurück, die ihre Götter bekanntlich in der Erde annahmen, wo auch die Griechen die Quelle aller Orakel mutmaßten. Auch in Lykien bzw. Karien (deckungsgleiche Landstriche in Kleinasien) waren noch die erdgebundenen Religionsvorstellungen der "Erechthonen" lebendig, die Lykos-Apollon veranlasst haben müssen, den Kult von Didyma zu begründen.

Der von Dionysos geschaffene Kult von Eleusis in den nach diesem Ort benamten Gefilden zwischen Athen und Megara, in dem er schon die Elemente der karischen mit denen der arischen Religion verschmolzen hatte, wurde von nun an mehr und mehr von dem delphischen Kult verdrängt. Eine Zeus-Religion gab es zur damaligen Zeit noch nicht, bestenfalls eine Erinnerung an den aus der alt-arischen Religion des Fruchtbarkeitsgottes Dieus-Petèr hervorgegangenen Vegetations- und Wettergott Teschub-Adad, der in Semael-Zeus (I) personifiziert worden war.

Die Verehrung des Fruchtbarkeitsgottes Dion in Epirus, wo die nordwestgriechischen Dorer noch saßen, die nicht hinüber nach Italien gezogen waren, wurde schon bald variiert durch die Trennung des weiblich gesehenen Fruchtbarkeitsidols von Dion, das man auf seine Gemahlin Dione, die ihm "aus der Rippe geschnittenen" worden war, übertrug. Zeus- Dion war damit erstmals von der Symbolik einer Fruchtbarkeitsgottheit gelöst und ging als eine männlichere Gestalt einher: Zeus-Basileus (= König) oder Zeus-Hegemonios (= Wegbereiter). Dieses waren die Vorstufen des olympischen Zeus, der Göttervaters, der später für alle Griechen verbindlich wurde. Trauben- und ährenbekränzt wie der Wetter- und Fruchtbarkeitsgott Teschub in Kleinasien war dieser Gott nicht mehr; er schleuderte bestenfalls noch Blitze.

In Kalydon in Aitolien, westlich von Apollon, hatte sich Butes = Oinomaos oder Oinomachos niedergelassen. Es gelang ihm im Laufe der Zeit, auch einige von den auf der anderen Seite des Golfes von Patras bzw. Korinth gelegenen Provinzen zu erobern, zum Beispiel Elis mit der Alphaios-Ebene, wo später die Olympischen Spiele begangen wurden. Von hier aus versuchte er offenbar, die ganze Peloponnes unter seine Herrschaft zu bringen. Wir werden sehen, dass ihm dies nicht gelang.

In Athen saß der Athene-Sohn Pallas als minoischer Vasall auf dem Thron, den Hermes ihm zwar nicht verschafft, aber doch gelassen hatte. Aigeus, der um 526 ndFl geborene Sohn des Pandion(ysos), war vermutlich mit seiner Mutter Pelia, der Tochter des Pylos von Megara, ebenfalls nach Kreta geflohen, von wo aus er im Jahre 560 ndFl Athen von minoischer Vorherrschaft befreien wird. Es ist denkbar, dass der Aufenthaltsort der Pelia Megara ist, wenn sie nicht sogar verstorben ist. Demeter als Pflegemutter des Aigeus würde an ihre Pflege des Demophon von Eleusis erinnern; dies umso mehr, als der spätere athenische Demophon auch ein Nachfahre des Aigeus war! Megara und Eleusis sind zudem Städte in unmittelbarer Nachbarschaft zu Athen.

Außerdem kann Dio-Nysos mit Nysos oder Nisos von Megara identisch sein, einer Stadt, die mit Sicherheit zu seinem Herrschaftsbereich gehörte. Nisos von Megara wäre dann nicht der Sohn von Pandion und Pelia aus Megara, wie die Sage es darstellt, sondern sie wären als Nisos von Megara = Kelos von Eleusis und Pelia aus Megara die Eltern von Demophon-Aigeus, der unter dem Schutz der Demeter in Kreta aufwächst.

Bleibt noch zu erwähnen, dass Hermes-Akrisios vor seiner Rückkehr nach Ägypten Orest-Eurystheus als Herrscher in Argos einsetzte. Mit diesem kam Perseus vier Jahre später als erstem Herrscher auf hellenischem Boden in Berührung, als er als "schutzflehender" Danaos in der Argolis an Land ging. Doch dazu später mehr. Wir können uns jetzt endlich der Thera-Katastrophe zuwenden.

Letzter Stand: 7. März 2014


1 Prof.Dr.Hermann Steuding, Griechische und römische Mythologie, Sammlung Göschen 1913
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