Viertes Buch: Das Sechste Saeculum

15. Kapitel: Von Herakles bis Theseus

Herakles, der Sohn des Seth-Radamanthos und der Alkmene-Necht-Andromeda, hatte sich als Cheti (Se-Mer-ib-Re; bzw. Merops) schon einen Namen in Ägypten gemacht, als er im Jahre 561 ndFl seine Heimat verließ und nach Kreta ging. Er war Großer Herr von Mittelägypten und Militärischer Befehlshaber des ganzen Landes. Es sieht so aus, als habe ihn sein Stiefvater Ap(oph)is-Achmose-Siptah (= Se-chetep-ib-Re) nach Kreta gesandt, damit er dort dem Sohn des Apis(-Stieres) auf den Thron helfe, nämlich dem Minotauros-Ka-treus. (Beachte: Stier heißt griechisch tauros, ägyptisch ka!) Katreus war der Sohn des Ap(oph)is-Achmose mit einer Tochter des Minos-Kretheus oder dessen Sohnes Ogyges = Androgeus.

Minotauros soll der Sohn einer phönizischen Prinzessin, und zwar der angeblichen Tochter des Agenor, mit Namen Europa und des Zeus in der Gestalt eines Stieres gewesen sein, der sie nach Kreta entführte. Hier heiratete sie Asterion, einen König von Kreta und Knossos, und bekam die Söhne Minos, Radamanthos und Sarpedon. Nach anderer Überlieferung war Katreus der Sohn von Minos und Pasiphaë, einer Tochter des Helios (Re), während Minotauros ein weiterer Sohn dieses Paares war, zu dem aber vermerkt wird, dass er der Sohn eines Stieres gewesen sei. Hier blüht die Phantasie besonders farbenfroh. Mit dem Namen Europa bzw. Europe ist vermutlich die Tochter des Katreus mit Namen Aërope gemeint. Das alles ist historisch nicht präzise. Auf Europa komme ich weiter unten noch einmal zurück.

Nachdem Herakles Ägypten verlassen hatte, wurde seine Mutter auf Betreiben der Sebek-Nefer-Dirke, die der Alkmene wie ihrem Sohn Herakles übelgesinnt war, vom Pharaonenhof entfernt. Thelkemina (= Thelika bzw. Alkmene) und Antiope bzw. Ventiu sind die Namen der Necht-Alkmene, die unter dem biblischen Namen Tachpanches den Sohn Genubath großzog, den ihre Halbschwester Mehetabeel dem Hadad von Edom geboren hatte, ehe sie starb.

Das Grab der In(o, Ano)-Hapi, in dem viele Mumien gefunden worden sind, die hier vor Grabräubern versteckt worden waren, ist das Grab der Frau des Priesters von Heliopolis, der vom Hof vergraulten Tachpan(ch)es, die der Priester Ur-mai = Re-User nach ihrer Vertreibung geheiratet hatte. Dass sie ihre letzte Ruhe nicht in Heliopolis fand, sondern in Oberägypten beigesetzt wurde, hat Gründe, auf die ich noch zu sprechen komme.

In griechischer Tradition und auch im weitesten Sinne in der wirklichen Geschichte war Herakles auf der Flucht vor der eifersüchtigen Hera, die durch Dirke-Achmes-Nefertari ersetzt werden müsste. Zwar hatte sie Herakles nicht aus dem Lande gejagt, doch sie verhinderte dessen Rückkehr in die Heimat, indem sie seine Mutter Alkmene offensichtlich als Geisel hielt. Anders ist es nicht zu erklären, wieso sich der Sohn nicht seiner verstoßenen Mutter annahm, sondern in Kreta und in Hellas für Ordnung sorgte.

Die griechische Überlieferung lässt die stets eifersüchtige Hera dem "Bastard" ihres Gatten Zeus, der Herakles in der Gestalt des Amphitryon, des angeblichen Gatten Alkmenes, gezeugt haben soll, zwei Schlangen in die Wiege legen, die dieser jedoch spielend leicht erwürgt. Nachdem so der Tod des Herakles nicht zu bewerkstelligen gewesen war, schlug Hera den erwachsenen Herakles mit Wahnsinn, in welchem Zustand er seine eigenen Kinder tötete. Für diesen Frevel konnte Hera ihm die Strafe auferlegen, die ihrer Meinung nach zu seinem Tode führen musste; doch auch diesmal hatte sie sich verrechnet. Herakles bewältigte die zwölf Strafarbeiten für seinen nur um wenige Minuten älteren Vetter Eurystheus meisterhaft - und starb an einer heimtückischen Vergiftung im Wahnsinn. Das ist die Lebensgeschichte des Herakles, wie sie in der griechischen Überlieferung hauptsächlich erscheint. Wir werden sehen, dass dies alles eine Beziehung zur wirklichen Geschichte hat.

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Die Abstammung des Herakles in der griechischen Mythologie
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Perseus, Sohn von Zeus und Danae, König von Mykenä
 oo Andromeda, Tochter von Kepheus, König von Äthiopien
    |
+---+---------------+----------+----------------+
|                   |          |                |
Alkaios             Elektryon  Gorgophone       Sthenelos
König von           König von  oo Perieres,     König von
Tiryns              Mykenä     König von Sparta Mykenä
oo                  |                           oo
Lysidike            |                           Nikippe
Tochter             |                           Tochter
von Pelops          |                           von Pelops
+----------+        |                           |
|          |        |                           Eurystheus
Amphitryon Anaxo oo-+
|                   |
+----------oo------ Alkmene (oo später Radamanthos)
|
+-------------------+
Herakles            Iphikles       (= Oidipos)
oo I. Megara        oo Anomedusa   (= Iphigenie)
  II. Deïaneira     |
                    Jolaos         (= Iphitos)
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Entnommen: C.W.Ceram, Götter, Gräber und Gelehrte, Deutscher Bücherbund Stuttgart- Hamburg;
kursiv: eigene Kommentare.
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Die Griechen wussten, dass Herakles aus Ägypten stammte. Trotzdem wollten ihn ihre Dichter allein für Hellas mit Beschlag belegen. So verlegten sie seine Geburt in das griechische Theben, was wir schon als Geschichtsklitterung entlarvt haben. Auch sein um nur wenige Minuten älterer Vetter Eurystheus, König von Mykenä und Tiryns, entpuppt sich als um fast zwanzig Jahre älterer Herrscher Orest von Sparta-Amyklai und der gesamten Peloponnes. Der angebliche Vetter des Herakles war dadurch, dass Hera die Geburt des letzteren um die entscheidenden Minuten verzögert hatte, als der früher Geborene auf den Thron von Mykenä gekommen, wo andernfalls der Bastard des Zeus hingekommen wäre.

Sonderlich einleuchtend erscheint mir dies nicht; denn der Überlieferung zufolge war Eurystheus der Sohn des Königs Sthenelos von Mykenä. Der Thebaner Herakles entstammte zwar der Perseïden-Familie, die sich von Tiryns und Mykenä herleitete, doch Eurystheus war nicht sein Vetter. Das obige Schema zeigt den überlieferten mythologischen Stammbaum des Herakles.

Diese ganze Verwandtschaft kann als eine Ausgeburt dichterischer Phantasie angesehen werden. Tatsächlich gab es jedoch einen Altersgenossen des Herakles, der ebenfalls im Jahre 538/539 ndFl geboren worden war, nämlich den Sohn des Oidipos-Eurypos = Eurytos = Iphikles mit Namen Iphitos bzw. Jolaos. Er war der Sohn der Eury- bzw. Iphi-Ganeia = Iphigenie = Anomedusa und der Vater der Jole. Iphikles und Jolaos erscheinen in obigem Schema als Bruder und Neffe des Herakles, was sie aber de facto nicht waren.

Interessant ist an der mythologischen Abstammung, dass Amphitryon hierdurch zum Vater des Oidipos (= Iphikles) wird; denn an diese Stelle gehört bekanntlich die richtige "Amphitryonade"! Richtiger Vater des Oidipos war Dionysos-Lyaios, während Amphitryon-Orpheus, der Gefolgsmann dieses "Gottes", lediglich die von diesem unfreiwillig verlassene Epiokaste heiratete, die danach den Oidipos gebar.

Mit dem "Gefährten Jolaos", wie ihn die griechische Sage nennt, löste Herakles die meisten seiner zwölf Aufgaben, vor allem die Tötung der neunköpfigen Hydra. Darunter ist die Trockenlegung der Kopaïs-Sümpfe zu verstehen, einer gefürchteten Brutstätte jener Anophelesmücke, der Malaria-Überträgerin. Diese Sümpfe lagen in der Nähe Thebens, wo auch der Vater des Iphitos-Jolaos residierte. Die unter Herakles angelegte Dränage hatte eine Grundform, die an die neun Köpfe der Wasserschlange Hydra erinnerte, der immer wieder neun Köpfe nachwuchsen, wenn man ihr auch nur einen abhieb: Neun Kanäle, zu denen jeweils wieder neun höhergelegene hinführten. Es ist verständlich, dass man dazu einen (und sogar mehrere) Gehilfen benötigt.

Eurystheus-Orest erhob keinen Anspruch auf Mykenä, wo die Schwester des Orest, Elektra-Chalkomedusa, vermutlich ihre Kinder von Perseus-Perieres großzog, unter ihnen auch den angeblichen (späteren) König Sthenelos von Mykenä, den die Sage fälschlich zum Vater des Eurystheus gemacht hat. Sein vollständiger Name ist Plei-sthene-(lo)s bzw. Pleisthenes oder auch Eurysthenes.

Elektras Tochter von Perseus, Gorgophone, wurde um 555 von Orest geheiratet, der vorher mit Hippodameia die "hippo"-Kinder hatte. Lysidike, die Tochter Gorgophones von Orest, wurde die Gemahlin des Iphitos-Jolaos und um 570 ndFl die Mutter der Jole. Die letztere heiratete Hyllos, der Sohn von Herakles und Deïaneira. Um die Ehe mit Deïaneira eingehen zu können, musste Herakles erst einmal hinüber nach Hellas gehen. Wie es dazu kam, trug sich wie folgt zu:

Auf Kreta begegnete Herakles dem Sohn des Pandion bzw. des Pan-Dionysos, der von dessen letzter Gattin stammte, nämlich von Pelia, der Tochter des Pylos von Megara. Er hieß Aigaios (= Ägeus) und war mit seiner Mutter vermutlich von Hermes und Apis nach Kreta geschickt worden, als sie den anderen Sohn des Pandion, den von der Minostochter Ariadne auf Naxos geborenen Butes (= Oino-phythos ?), aus Athen vertrieben und an seiner Statt den Athene-Sohn Pallas eingesetzt hatten. Offenbar hatte Pallas bis dahin bei seiner Schwester Hypermnestra in Argos gewohnt.

Nun war Ägeus zum Manne geworden, immerhin schon mehr als dreißig Jahre alt, und wartete auf die Gelegenheit, den von Kreta abgefallenen Pallas zu vertreiben und auf den Thron seines Vaters zu steigen. Er ermordete deshalb den Kreterkönig Androgeus-Ogyges, den Sohn des Minos-Minyas- Kretheus, und half Herakles, den Minotauros-Katreus gegen die Konkurrenz der Söhne des Androgeus auf den Thron zu setzen. Katreus sandte nun Ägeus und Herakles nach Hellas, um dort die minoische Oberhoheit wieder aufzurichten.

Beide landeten zunächst in der traditionell minoerfreundlichen Argolis, und zwar in Troizen. Hier saß entweder ein Sohn des Ptah-Apis, also ein (Halb-)Bruder des Katreus, der den Namen Pittheus führte, oder dieser Name gehörte noch zu P(it)tha-Apis selbst. Ägeus zeugte mit der Tochter des Pittheus einen Sohn, den späteren König von Athen mit Namen Theseus.

Aithra, die Mutter des Theseus, müsste schon mindestens 23 Jahre gezählt haben, wenn sie eine Tochter des Ptah-Apis gewesen sein sollte, der im Jahr 538 ndFl Hellas verlassen hatte. Sie würde altersmäßig zu einem über 30 Jahre alten Ägeus passen. Andererseits müsste ein Sohn namens Pittheus des Ptah-Apis schon ganz kurz nach dessen Einzug in Hellas geboren sein, also spätestens 532 ndFl, damit er bis zum Jahre 549 ndFl die Tochter Aithra zeugen konnte, die nicht vor 561 ndFl hätte Mutter werden können. Es ist auch noch denkbar, dass Apis den Vater der Aithra bereits aus Ägypten mitbrachte; doch mir scheint Aithra die 538 ndFl geborene Tochter des Ptah-Apis-Pittheus gewesen zu sein.

Ich erwähnte schon in einem früheren Hellas-Kapitel, dass Ägeus ein Schwert und ein Paar Sandalen unter einem großen Stein niederlegte, den sein Sohn, sobald er stark genug sei, fortrollen und mit Schwert und Sandalen zu seinem Vater nach Athen kommen sollte.

Von der Argolis lenkte Ägeus seine Schritte nach Athen, es sei denn, er schloss sich Herakles zunächst noch an, der sich mit Orest-Eurystheus zu beschäftigen begann. Ich sehe in diesem den Viehwirtschaftler Augeias (der Strahlende), dem Herakles die Kuhställe zu säubern hatte, was zu seinen zwölf Strafarbeiten gehörte. Herakles leitete der Sage nach den Menios (= Mondfluss) durch die Stallungen, wodurch er den gewünschten Erfolg erzielte, und forderte den ausbedungenen Lohn, nämlich den zehnten Teil des Viehbestandes. Da Augeias sich weigerte, dieser Verpflichtung nachzukommen, erschlug ihn Herakles samt seinen Kriegern.

Das hört sich nach einer Schlacht an, die in der Ebene des Menios geschlagen wurde und bei der Orest-Augeias umkam. Ich wage zu behaupten, dass Herakles dessen Rinder bekam, auch ohne vorher den Stall säubern zu müssen.

Diese Schlacht müsste in der Gegend von Tegea stattgefunden haben; denn da Orest zum Zeitpunkt seines Todes natürlich nicht mehr der Herr der Peloponnes war, setzte man ihn an Ort und Stelle bei statt ihn in seine Residenzstadt - sehr wahrscheinlich Amyklai - zu überführen. Genau hier, in der Gegend von Tegea auf dem Gelände einer Schmiede, fand der Spartaner Liches - ziemlich genau hundert Jahre später - die Gebeine des Orest, der einen sieben Fuß langen Sarkophag benötigt hatte, wie Herodot verwundert feststellte. Wir wundern uns darüber weniger; denn Orest war der Sohn des "Giganten" Lynkeus, eines großwüchsigen Karers.

Herakles wurde minoischer Oberstatthalter der Peloponnes und auch Attikas, wo Ägeus als minoischer Vasall in Athen regierte. In logischer Konsequenz mussten jetzt Boiotien und Thessalien, aber auch Aitolien unterworfen werden. Die beiden erstgenannten Gebiete waren immer schon Zankäpfel für die Minoer gewesen. Oidipos war Herrscher sowohl von Boiotien in Theben, als auch von Thessalien und regierte zeitweilig im dortigen Oichalia.

Die Trockenlegung der Kopaïs-Sümpfe auf boiotischem Gebiet durch den Minoer Herakles lässt einerseits erkennen, dass diese Provinz für die Minoer unterworfen wurde, andererseits ergibt sich aus der Tatsache, dass Iphitos-Jolaos, der Sohn des Oidipos, sich daran beteiligte, dass diese Unterwerfung friedlich vonstatten ging.

Es ist davon auszugehen, dass Herakles und Ägeus gemeinsam gegen die hellenischen Könige vorgingen und sowohl die Peloponnes als auch Attika vereint eroberten. Es liegt nahe, dass die Athener unter Pallas und seinen erwachsenen Söhnen Parthenopaios, Kapaneus und Hippomedon (geboren in den Jahren 525-527 ndFl), die wir in der Sage vom Siebenzug gegen Theben schon kennengelernt haben, wo sie nicht hingehören, ganz Boiotien mit Theben schon erobert hatten. Die Machtverschiebung in Theben würde erklären, wieso sich Oidipos-Eurytos ins thessalische Oichalia absetzte. Hier blieb er, bis er von Herakles einige Jahre später aus einem völlig anderen Anlass getötet wurde.

Die Eroberung Thebens durch die genannten vier Athener stellt eine Beziehung dieser Vierergruppe zu Theben, wie sie die Sage vom Siebener- bzw. Epigonenzug fordert, wieder her. Alle vier sind aber erst jetzt im Kampf um Boiotien und Attika gegen Herakles und Ägeus gefallen, und zwar zu Lebzeiten des Oidipos. Die Sage schleift auch hier wieder einmal hart an der Wirklichkeit vorbei. Die Stadt der Athena-Metiadusa wurde erneut minoisch, Theben scheint durch diese Kämpfe entweder unter Pallas und seinen Söhnen oder unter Herakles und Ägeus zerstört worden zu sein.

Herakles holte nun nicht etwa den früheren Herrn von Theben, nämlich Oidipos-Eurytos, nach hier zurück, sondern er beorderte Kadmos aus Mysien-Ionien nach Theben mit dem Auftrag, die Stadt wieder aufzubauen. Kadmos, der seit dem Jahre 546 ndFl etwa in Ionien lebte, hatte noch kurz vor seinem Umzug nach Boiotien die Tochter Harmonia von Kyaxares und Hiëromneme geheiratet und die weiter oben bereits erwähnte Tochter Europe bekommen, die in diesem Kapitel noch eine Rolle spielen wird. Kadmos, der Ionier aus Phönizien, baute die Stadt Theben, ihre Mauern und ihre Burg, die nach ihm benannte Kadmeia, wieder auf.

Erst nach der Eingliederung Boiotiens und Thessaliens in den minoischen Machtbereich nahm sich Herakles Aitolien vor. Die Unterwerfung Aitoliens ist in der Sage von der kalydonischen Jagd arg zerdichtet worden. Hierin tritt Herakles unter dem Namen Meleagros auf und - verwirrenderweise - als Sohn des Oineus von Kalydon und dessen Frau Althaia. Er wird als "gewaltiger Jäger" apostrophiert, was an Orion erinnert, der ja bekanntlich sein Onkel war. Er soll mit vielen Genossen einen von Artemis gesandten Eber erlegt haben, der die Felder verwüstete. Zu beachten ist hier die Erwähnung der Artemis-Diana-Hekate, die von seinem Onkel Orion-Aktaion vergewaltigt worden war.

Die Erlegung des kalydonischen Ebers erinnert an die des erymanthischen Ebers, der ebenfalls die Felder verwüstet haben soll und durch Herakles getötet wurde. Die hierunter zu verstehende Kanalisierung des Erymanthos-Flusses auf der Aitolien gegenüberliegenden, peloponnesischen Seite des Golfes, der in Zeiten des Hochwassers große Mengen an Geröll vom Erymanthos-Gebirge herab auf die Felder der Ebene zu transportieren pflegte, war eine der zwölf Taten.

Ein Onkel des Hauptdarstellers kommt auch in der kalydonischen Jagd vor, nämlich ein Bruder seiner Mutter Althaia. Diesen soll Meleager im Streit um den Kopf des Ebers, der demjenigen zugesprochen war, der den tödlichen Schuss auf das Tier abgegeben hatte, erschlagen haben. In einer der verschiedenen Versionen der Sage spricht Meleager diese Siegestrophäe der Jagdgöttin Atalante zu, da sie den entscheidenden ersten Schuss abgegeben habe. Das löst dann den Streit mit dem Onkel aus.

Der Name der Atalante, der arkadisch-boiotischen Variante der Artemis, entspricht dem des Tantalos-Atlantos, also einem Namen des Herakles. Atalante ist jedoch das Pendant zu Deïaneira, jener "männervertilgenden" (das bedeutet ihr Name) Tochter des Oineus von Kalydon, die die Gemahlin des Herakles wurde. Ihr galt die Liebe, aus der Herakles der Göttin den Siegpreis zusprach.

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|               Die Kalydonier (= Aitoler)              |
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HERMES            POSEIDON
|                 |
PAN-DIONYSOS  oo  ZEUXIPPE     "ERECHTHONIOS"
|                               |
BUTES-OINOMA(CH)OS      oo      CHIONIA
|  * ca. 506 ndFl               |  * ca. 515 ndFl
+-------------------------------+
|                               |
OINEUS    oo   ALTHAIA     HIPPODAMEIA oo EURYSTHEUS-OREST
|  * ca. 530   | * ca. 537 | * ca. 528      * ca. 521 ndFl
+--------------+           |
TYDEUS         DEIANEIRA   NIKIPPE    * ca. 542 ndFl
|  * ca. 554   | * ca. 552 HIPPOKOON  * ca. 543 + 562 ndFl
(= HIPPOMENES?)|           LEUKIPPOS  * ca. 545 ndFl
|              oo          CHRYSIPPOS * ca. 546 "
|              HERAKLES
|           (= MELE-AGROS, MEILANION, MELKART, MELIKERTES)
|
+------------------------------+             LYKOMEDES
|           PRIAMOS oo ARISTE  |             von Skyros
|           |                  |             |
THESTIOS,   |                  DIOMEDES  oo  DEIDAMEIA
THYESTES oo LAODAMEIA          von Argos     * ca. 587
* ca. 576   * ca. 595          | * ca. 580
|                              |
+-----------+                  |
?           |                  |
PELOPEIA    LEDA oo KYKNOS     NEOPTOLEMOS
* ca. 595?  * ca. 615            * ca. 605
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Pelopeia gilt als Tochter des Thyestes, mit der er den Sohn Aigisthos zeugte.
Es ist nicht auszuschließen, dass Pelopeia mit Deïdameia,
der Tochter des Lykomedes von Skyros, identisch ist, die nicht Thyestes,
sondern Diomedes von Argos heiratete.
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Atalante aber wollte nur denjenigen zum Manne nehmen, der sie im Wettlauf besiegte. Dies ist nicht die einzige Parallele dieser Sage zum germanischen Sagenkreis (vgl. dazu Brünhild!). Aphrodite, die an einer Ehe der Atalante mit Meilanion interessiert ist, gibt daher dem Meilanion (= Meleagros; nach anderer Sage heißt der Favorit Hippomenes, was vermutlich der Name eines richtigen Sohnes von Oineus und Althaia war) drei goldene Äpfel (vgl. das Urteil des Paris am Beginn der Sage vom Trojanischen Krieg!), die Meilanion während des Laufes der Atalante hinwirft. Da diese sich bückt und die Äpfel aufhebt, kommt Meilanion schneller ans Ziel und kann Atalante heiraten.

Es ist auffallend, dass Althaia in der Sage mehr für ihren Bruder als für ihren Sohn empfindet, da sie hartnäckig als diejenige gilt, die, um den Tod des Bruders zu rächen, den Tod ihres Sohnes Meleagros-Meilanion herbeigeführt habe. Tatsächlich kommt der - wie ich schon zu verstehen gab - angebliche Sohn der Althaia in der Schlacht um. Das kann auf ihren Schwiegersohn Herakles nicht bezogen werden. Für uns ist die Eheschließung des Herakles mit Deïaneira, der Tochter des Oineus von Kalydon, die auch an anderer Stelle beschrieben wird, vorrangig von Interesse.

Es heißt, dass Herakles mit dem Flussgott Acheloos um Deianeira zu kämpfen hatte. Acheloos erscheint im Verlaufe des Kampfes sowohl als natürlicher Fluss, aber auch als Stier und dann wieder als Mensch mit Stierhaupt. (Dies ist eine unübersehbare Parallele zu dem stierköpfigen Minotauros [-Katreus], in dessen Auftrag Herakles in Hellas weilt.) Erst als Herakles dem Acheloos ein Horn abbricht, erklärt dieser sich für besiegt und bietet, um sein Horn zurückzubekommen, dafür das Horn der Ziege Amaltheia (= Althaia, die Mutter des Meleagros?), d.h. das Horn des Überflusses, mit dem dann Herakles zum Spender der Fruchtbarkeit wurde.

Tatsächlich lassen sich in den Arbeiten des Herakles überwiegend solche Maßnahmen erkennen, die auf die Steigerung des landwirtschaftlichen Ertrages gerichtet sind.

Gorgophone, die mit Orest verheiratet war, gab ihre Tochter Lysidike auf Betreiben des Herakles dessen Gefährten Iphitos-Jolaos in die Ehe, dem Sohn des Oidipos-Eurytos. Die Söhne des Orest mit Hippodameia waren Hippokoon, der mit seinem Vater gegen Herakles fiel, Leukippos, der spätere König von Messenien, und Chrysippos. Die aus dieser Ehe stammende Tochter Anaxo-Nikippe (= Anaxibia) wurde die Gemahlin des Pleisthene(lo)s-Elektryon. Hierauf komme ich später noch ausführlich zurück.

Von Deïaneira, mit der er noch bei seinem Tode verheiratet gewesen sein soll, bekam Herkales den Sohn Hyllos, mit dem wir uns weiter unten beschäftigen werden. Da nun Omphale als spätere Gemahlin des Herakles (in Lydien) gilt, so ist nicht von der Hand zu weisen, dass die burschikose, mannhafte Keulenschwingerin Omphale mit der "männervertilgenden" Deïaneira identisch sein könnte. Das gibt auch Sinn in der Beziehung zum Namen Atalante, der offenbar für Deïaneira steht und der auffallend nach Sardes in Lydien weist, wo Atlantos-Tantalos = Herakles selbst König war.

Omphale gilt als die Stammutter der lydischen Könige. Sie könnte auch die Sklavin des Jardanos = Dardanos gewesen sein, der von Herakles getötet wurde, wodurch Omphale die Freiheit wiedererlangte. Das würde voraussetzen, dass die Gemahlin des Herakles von Jardanos-Dardanos entführt oder gefangengenommen wurde. Hierzu sind Gelegenheiten durchaus gegeben gewesen. Dass aber Herakles unter dem Pantoffel der Omphale stand, Frauenkleider trug und am Spinnrad saß, ist wenig glaubhaft.

Wenn Herakles allerdings mit einer so resoluten Frau Zeit seines Lebens seit den kalydonischen Tagen verheiratet und offensichtlich auch glücklich war, dann dürfte ihm kaum der Sinn nach weiteren Frauen gestanden haben. Insofern sind die vielen Amouren, die ihm angedichtet werden, mit Skepsis zu betrachten, zumal Deïaneira-Omphale-Atalante ihm nur wenig Freiraum dazu gelassen haben dürfte.

Deshalb halte ich auch die Werbung des Herakles um Jole, die Tochter des gewaltigen Bogenschützen Eurytos, für eine Generationsverschiebung. Zweifellos handelt es sich bei Eurytos, dessen Residenz das thessalische Oichalia war, um Eurypos-Oidipos, der jedoch nicht Joles Vater, sondern ihr Großvater war, und Herakles warb nicht für sich um Jole:

Die Sage berichtet, Herakles habe Eurytos im Bogenschießen besiegt und den ausbedungenen Preis, nämlich die Tochter Jole des Eurytos, vorenthalten bekommen. Aus Rache habe er daraufhin den Sohn Iphitos des Eurytos von einem Felsen gestürzt, obwohl dieser sein Gastfreund war. Dann habe er die Stadt erobert und Jole als Gefangene mit sich geführt. Auch hieran schließt sich in weitem Bogen ein (dreijähriger) Sklavendienst des Herakles an. Der Gastfreund Iphitos ist natürlich niemand anderer als der Gefährte Jolaos, der Vater der Jole. Die Sage schleift immer hart an der Wahrheit entlang: Jole wurde die Gemahlin des Hyllos.

Es sieht auf den ersten Blick so aus, als habe Herakles, nachdem sein Sohn Hyllos das Heiratsalter erreicht hatte, was kaum vor dem Jahre 580 ndFl der Fall sein konnte, seinen bzw. den minoischen Vasallen Oidipos-Eurytos um die Hand dessen Enkelin Jole für seinen Sohn Hyllos gebeten, was dieser ihm verweigert zu haben scheint. Da das wenig wahrscheinlich ist, glaube ich eher an eine Revolte des Vaters Oidipos und seines Sohnes gegen die durch Herakles repräsentierte minoische Oberhoheit, woraufhin dieser in Oichalia einfiel, den Vater und den Sohn, seinen Gefährten aus vergangenen Tagen, tötete und Jole mit sich führte.

Wenn dies im Jahre 580 ndFl der Fall gewesen sein sollte, dann war Herakles zu diesem Zeitpunkt noch in Hellas. Erst nach bzw. frühestens 580 ndFl wären Herakles und Omphale-Deïaneira dann nach Kleinasien aufgebrochen. Der Anlass zu dieser Expedition war der "Argonautenzug". Bevor wir uns aber diesem Abenteuer zuwenden, dessen Beginn ich ins Jahr 580/581 ndFl verlegen möchte, bleiben noch einige Dinge zu besprechen, die mit dem Aufenthalt des Herakles in Hellas in Zusammenhang stehen.

So unglaubhaft wie die Eheschließung des Herakles mit seiner Schwiegertochter Jole ist auch die Ehe mit Megara, der Tochter Kreons, da dieser Schwager des Orpheus und Onkel des Oidipos-Eurytos längst tot ist. Bemerkenswert hieran ist lediglich, dass aus den Namen Mega-ra und Hera-kles der Alkmeonidenname Megakles gebildet werden kann, was darauf schließen lässt, dass Herakles der Vorfahre der athenischen Familie der Alkmeoniden gewesen sein könnte. Darüber hinaus ist eine Möglichkeit der historischen Verifizierung hierbei ebensowenig erkennbar wie bei den fünfzig Töchtern des Thespios von Thespiai in Boiotien bzw. des Thestios von Kalydon in Aitolien.

Letzterer war der Neffe des Herakles, da er der Sohn des Bruders Tydeus der Deïaneira war. Die Zahl fünfzig steht auch hier für die fünfzig Vollmonde einer Olympiade, wie sie zwischen 624 und 676 ndFl in Hellas in Gebrauch war.

Feststehen dürfte, dass Herakles ganz Hellas dem minoischen Herrscher auf Kreta unterwarf, von der Peloponnes bis zum Bosporus. Das würde bedeuten, dass auch Thrakien, das Land am Bosporus, von ihm botmäßig gemacht wurde. Die Sage hat diesen Vorgang mit der Person des Thrakerkönigs Diomedes in Verbindung gebracht, dessen menschenverzehrenden Rossen Herakles den besiegten König selbst zum Fraße vorwarf. Nun ist aber Diomedes der Name eines Sohnes des Tydeus, mithin eines Bruders des oben erwähnten Thestios von Kalydon. Mit Thestios, der auch der argivische Tyrann Thyestes ist, und mit Diomedes von Argos werden wir uns noch ausführlicher befassen.

Herodot berichtet über den Aufenthalt des Herakles in Hellas nichts, obschon kein Zweifel Herodots an der Historizität des Herakles zu erkennen ist. Für Herodot, der aus dem kleinasiatischen Halikarnassos stammte, das durch das zu den sieben Weltwundern gezählte Mausoleum, das Grabmal des Königs Maussolos, berühmt geworden ist, wurde Herakles erst erkennbar, als er kleinasiatischen Boden betrat. In der Jugend des Herodot waren längst schon die Perser zu den Herren Asiens geworden, so dass auch die Gewährsmänner, auf die er sich berief, hauptsächlich Perser waren, für die wiederum Europa und das Hellenentum ein abgesondertes Ganzes waren, wie er selbst schreibt (I ,4). Von ihnen war infolgedessen über das frühe Griechenland nicht viel zu erfahren. Sie erzählten Herodot eine in vieler Hinsicht von der griechischen Erinnerung abweichende Version der Geschichte, worauf Herodot schon in den ersten Kapiteln seiner Bücher der Geschichte hinweist.

In den ersten Kapiteln untersucht er die Ursachen für die Kriege zwischen Hellenen und "Barbaren", wie er die Nichtgriechen bezeichnet, und kommt zu dem Ergebnis, dass es die Frauenraube waren, die die Feindseligkeiten auslösten. Die ersten drei Frauenraube, die alle - wie Herodot sagt - in der einen Generation vor dem Trojanischen Krieg stattfanden, gehören tatsächlich in ein und dieselbe Zeit und zwar in die Vätergeneration der trojanischen Helden. In meiner berichtigten Chronologie ist dies auch die Zeit, in der sich Herakles in Hellas aufhielt.

An erster Stelle erscheint bei Herodot der Raub der Io, an dem sich die Geister jedoch schon scheiden; denn verständlicherweise hielten die Eltern der Io und auch die meisten Hellenen die Abreise der Io für einen Raub, während die an der Aktion beteiligten Phönizier da ganz anderer Ansicht waren. Sie meinten, es habe sich dabei um eine Flucht gehandelt. Auch die Perser glaubten an die Version vom Raub der Io, der Tochter des minoischen Statthalters Inachos in Argos. Letzterer war entweder noch von Herakles eingesetzt worden, oder er war bereits dessen Nachfolger. Möglich ist auch, dass beides zutrifft, da Inachos unter Herakles der Statthalter der Argolis und nach der Abreise des Herakles Oberstatthalter von ganz Hellas gewesen sein könnte. Argos war lange Zeit die bedeutendste Stadt in Hellas, sozusagen die "heimliche Hauptstadt" Griechenlands. Erst Theseus beendete ihre Vormachtstellung, so wie er auch die minoische Oberherrschaft beseitigte.

Die "Entführung" der Io, so meint Herodot, habe den Beginn der Gewalttätigkeiten bedeutet. Io wollte nach Ansicht der Phönizier der Schande entgehen und sei mit dem Schiffsführer geflohen, von dem sie ein Kind erwartet haben soll. So sei sie nach Ägypten gekommen (Herodot I, 5).

Wir erinnern uns, dass Io bei Aischylos den Stier Epaphos im ägyptischen Kanubis (= Canopus) zur Welt brachte. Das hatten wir auf Hathor bezogen, deren Sohn Apophis jedoch in der Stadt des Gottes Ptah, in Memphis, das Licht der Welt erblickte. Mithin können wir davon ausgehen, dass Io wohl tatsächlich in Canopus niederkam. Später gelangte sie dann womöglich doch noch nach Phönizien, von wo der Vater ihres Kindes hergekommen war.

Und wieder beruft sich Herodot auf Perser, wenn er sagt, dass darauf die Hellenen einen Zug ins phönizische Tyros unternommen hätten, um die Tochter des dortigen Königs zu entführen, dessen Namen er allerdings verschweigt. Die Tochter nennt er aber beim Namen: Europe. In der Mythologie erscheint sie als die von einem Stier, in dem sich Zeus verbergen soll, übers Meer nach Kreta entführte Prinzessin, die einmal von Zeus und ein andermal von Minos den Sohn Minotauros empfängt. In Wirklichkeit war sie jedoch die 561 ndFl geborene Tochter des Kadmos von Tyros, eines Sohnes von Agenor, dem Sohn von Poseidon und Libya. Hinter der Letztgenannten verbirgt sich Hathor (= Neith, Nut, Ta-Nit, die libysche Athene). Europe war nicht die Mutter, sondern seit etwa 575 ndFl die Gemahlin des Minotauros-Katreus und die Mutter der Aërope.

Hier berühren sich mehrere Sagenkreise so überdeutlich und leicht erklärbar, dass ich mir Hinweise ersparen kann; denn der erfahrene Leser hat bereits die Parallelen sowohl zu Aischylos als auch zur berichtigten Geschichte erkannt.

Herodot ist nicht der Ansicht seiner persischen Gewährsmänner, dass es sich um Hellenen gehandelt habe, sondern er ist der Meinung, dass es Kreter gewesen seien, die Europe entführten. Das ist insofern auch plausibel, da Europe in Kreta blieb. Möglicherweise waren es minoische "Beamte" aus Argos, also letztlich doch aus Hellas, die im Auftrage des Minotauros-Katreus handelten, eines möglichen (Halb-) Bruders des Inachos. Über genaue Zeitpunkte erfahren wir bei Herodot nichts; entsprechend ungenau fährt er dann auch fort:

(I,2) Hernach aber hätten (so erzählten ihm die Perser) die Hellenen die Schuld an der zweiten Gewalttat auf sich geladen. Sie seien in einem Langschiff (= Fünfzigruderer) nach Aia in Kolchis gefahren und zum Phasis(fluss) und hätten, nachdem sie auch die übrigen Absichten ihrer Fahrt dorthin verwirklicht hätten, die Königstochter Medeia geraubt. Da habe der Kolcherkönig nach Hellas einen Herold gesandt um Sühne für den Raub zu verlangen und die Tochter zurückzufordern. Diesem Verlangen wurde aber nicht stattgegeben.

Bemerkenswert ist hier die Angabe, dass die Argonauten noch andere Absichten mit der Fahrt verbanden, ja dass sie vermutlich nur durch Zufall an die Medeia gerieten, von deren Existenz sie vorher keine Ahnung hatten. Wie ich an anderer Stelle schon deutlich gemacht habe, war Herakles der Anführer dieser Argonauten, die frühestens im Jahre 580 ndFl aufbrachen, aber auch nicht wesentlich später. Es dürfte sich wohl exakt um dieses Jahr gehandelt haben.

Dass Herakles ein Interesse an Medeia gehabt haben könnte, um derentwillen er nach Kolchis aufgebrochen sein sollte, ist gewiss schwer einzusehen. Nicht sonderlich logisch wäre es auch, wenn Herakles, der Statthalter der kretischen Minoer, nach Kolchis gefahren wäre, um Rache für den Raub Europes zu nehmen, die ausgerechnet von Kretern entführt wurde.

Ich behaupte, dass der sagenhafte Anführer des Argonautenzuges, nämlich Jason, der Sohn des Aison, erst später an dieser Stelle eingeschoben wurde, und zwar zur Zeit des makedonischen Königs Alexander Philhellen, an dessen Hof sich die Sänger gegenseitig darin übertrafen, die Dynastie ihres Mäzenen in höchstem Glanz erscheinen zu lassen.

Alterego des sagenhaften Jason war der historisch echte Jason von Pherai, ein Vorfahre der Makedonenkönige, aber kein Argonaut. Er war der "Einschuhmann" oder "Wundfuß" (= Oidipos II), der ein Neffe des Pelias bzw. Peleus war, wie die Sage ebenfalls feststellt. Im Zusammenhang mit meiner Berichtigung der griechischen Geschichte wird dies noch deutlicher.

Zurück zu den "Argonauten": Argos oder Glaukos baute den Fünfzigruderer Argo ausdrücklich für Herakles, wie es eine ältere Version der Argonautensage bezeugt. Auch daraus ist zu entnehmen, dass Jason, dessen Geburtsjahr etwa 15 Jahre nach dem Todesjahr des Herakles lag (* ca. 625 ndFl), erst später von denselben Dichtern in die Argo hineingequetscht wurde, die auch den Stammvater Argos des makedonischen Königshauses der Argeaden an die Stelle des Glaukos setzten. Glaukos war ein Minoer; er war vermutlich deren Chefkonstrukteur. Mit den Minoern hatten die Sänger am Hofe des Makedonen Philhellen jedoch nichts im Sinn.

Die Überlieferung trennt die Züge des Argonauten Phrix und des Medea-Räubers Jason um eine ganze Generation. Beide Kolchisfahrer heiraten eine Tochter des Aietes. Hier sind wir natürlich inzwischen besser unterrichtet als die Sage: Chalkiope war die 543 ndFl geborene Tochter von Perseus und Chalkomedusa-Elektra. Sie heiratete 558 ndFl den Argonauten Phrix. Ihr fünf Jahre jüngerer Halbbruder Aietes, der Sohn des "Helios"-Perseus und der Perse(-phone), hatte mit Ideia, vermutlich einer Tochter des Kadmos, also mit einer Phönizierin, die Tochter Medeia (* 568 ndFl). Sie heiratete weder Herakles, der ohnehin nicht bis Kolchis kam, noch Jason, der den Argonautenzug Nr. 2 (wenn der des Phrix der Zug Nr. 1 war) allein schon deshalb nicht führen konnte, weil er zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht geboren war. Medeia heiratete den Vater eines anderen Teilnehmers an diesem Zug, den ich bisher noch nicht in Zusammenhang mit dem zweiten Argonautenzug gebracht habe, der von einigen antiken Autoren aber in der Argo gesehen wird. Ich meine Theseus, der Medeia mit nach Athen brachte, wo sein Vater Ägeus sie zur Frau nahm.

Aus Enttäuschung darüber, dass der Sohn sie verschmähte, versuchte sie, Theseus zu vergiften, was aber misslang. Die Parallele zu Tristan und Isolde ist nicht zu übersehen. In der Medeia-Sage laufen die Ereignisse etwas anders ab als Herodot sie schildert: Medeia wird nicht entführt, sondern sie folgt Jason, dem sie schon bei der Beschaffung des von Phrix zurückgelassenen goldenen Vlieses behilflich war, in die Stadt seines Oheims Peleus-Pelias, ins thessalische Jolkos. Da nun Jason weder der Anführer des Argonautenzugs noch der Entführer der Medeia war, kann diese Darstellung zugunsten der Version des Herodot fallen gelassen werden. Diese Entscheidung wird natürlich dadurch erleichtert, dass Oidipos II, der "wundfüßige Einschuhmann" Jason, samt seinem Onkel Pelias-Peleus ohnehin erst in die "Tage des Trojanischen Krieges" gehören.

Herakles (* 538/9 ndFl) und Theseus (* 561/2 ndFl) saßen in ein und derselben Argo (= die Schnelle). Der jüngere der beiden war etwa im Jahre 575 ndFl nach Athen zu seinem Vater Ägeus gekommen, nachdem er den Stein aufgehoben und das Schwert und die Sandalen an sich genommen hatte, die sein Vater Ägeus seinerzeit darunter verborgen hatte. Von Athen aus konnte Theseus nichts besseres tun, als in die Dienste des Herakles zu treten, der nicht nur sein und seines Vaters oberster Chef in Hellas war, sondern der ein unvergleichbar größerer Lehrmeister war, als es sein Vater Ägeus jemals sein konnte.

Es deutet alles daraufhin, dass Herakles die Argo vermutlich in der später Herakleia genannten Stadt an der Nordküste Anatoliens verließ und über Land weiterzog, um das "Märchenland Aia" zu erreichen, wie Kolchis auch genannt wird. Die Sage lässt Herakles jedenfalls nicht nach Kolchis gelangen, dafür muss er mit dem Riesen Antaios kämpfen, der eine unerschöpfliche Kraft besitzt, solange er mit seiner Mutter, der Erde, fest verbunden bleibt. Herakles besiegte ihn dennoch, indem er ihn vom Boden hob, bis seine Kräfte schwanden. Es handelt sich bei Antaios um das Massiv des Ararat, das fest mit der Mutter Erde verbunden ist und unüberwindlich scheint.

Herakles gelang die Überquerung des Gebirges, so dass er in den Genuss der Äpfel der Hesperiten gelangte. Bekanntlich gehörte die Beschaffung der goldenen Äpfel der Hesperiden zu den zwölf Arbeiten, die Herakles ausführen musste. Ein Aufenthalt des Herakles in Transkaukasien, das heißt in dem Gebiet zwischen Ararat und Kaukasus, dem später Urartu (= Land Ararat) genannten Gebiet, ist allerdings nirgendwo verbürgt. Wenn er aber den "Riesen Antaios" besiegte, dann war er zwangsläufig in dieser Region und konnte die goldenen Äpfel der Hesperiden holen. In derjenigen Version der Sage, in der sich das Sonnenland Aia im Westen befindet, muss sich Herakles mit dem Riesen Atlas herumschlagen, um an diese Früchte zu kommen.

Die Heimat der Hesperiten (statt Hesperiden), deren Name die Abendlichen bedeutet, wird - wie das Märchen- oder Lichtland Aia selbst - bald in den Osten und bald in den Westen verlegt. Die Abendlichen haben im Osten, in der Gegend des Sonnenaufgangs, eigentlich nichts verloren. Üblicherweise verlegt man daher das Land der Hesperiden in den Westen des mittelmeerischen Kulturgebietes, nämlich dahin, wo heute die Sonne untergeht. Tatsächlich wohnten die Hesperiten aber im Osten, wo sie auch von Xenophon angetroffen wurden, der 144 Jahre später als Herakles durch diese Gegend kam. Daraus ist zu entnehmen, dass lange Zeit der Osten das Land der untergehenden Sonne war.

Mit der Verlagerung der Hesperiden in den Westen musste ein Pendant zu dem Riesen Antaios geschaffen werden, der daher durch den Riesen Atlas ersetzt wurde. Der "Himmelsträger" Schu-Atlas war der Vater des Atlantos-Tantalos-Herakles!

Während des Aufenthaltes des Herakles in Inner-Kleinasien segelten die Argonauten - offenbar unter der Führung des wirklichen Medeia-Entführers Theseus - nach Kolchis und wieder zurück. Da Herakles nicht mehr nach Hellas zurückkehrte, kann davon ausgegangen werden, dass die Kolchis-Expedition schon als letzte "Arbeit" des Herakles unter minoischer Flagge konzipiert war. Er hinterließ ein Machtvakuum in Hellas, in dem sich zunächst Inachos von Argos als neuer minoischer Oberstatthalter profilierte, während Ägeus von Athen kaum mehr als eine zweite Geige gespielt haben dürfte. Daran änderte die Tatsache nichts, dass sein Sohn Theseus ihm die entführte Medeia ins Haus lieferte. Diese wiederum scheint nach dem missglückten Giftanschlag auf Theseus vertrieben worden und nach Korinth geflohen zu sein, wo sie auf der Burg Ephyra (Akrokorinth) im dortigen Heiligtum, das später dem Helios geweiht war, Asyl suchte und fand, bis sie von Chus befreit und geheiratet wurde.

Im Jahre 586 ndFl, also etwa sechs Jahre nach dem zweiten Argonautenzug, tötete Herakles den Herrscher von Troja, Laomedon, der als Begründer der Dardaniden-Dynastie auch den Namen Dardanos hatte. Da dieser vermutlich mit dem von Herodot erwähnten Jardanos identisch ist, mit dessen Ex-Sklavin Herakles das Herakliden-Geschlecht begründet haben soll, das über Lydien herrschte, so biete ich die folgende Version der Geschichte an:

Während des Aufenthaltes des Herakles im Lande der goldenen Äpfel bemächtigte sich Dardanos-Laomedon der mutmaßlichen Witwe des Verschollenen und machte sie zu seiner "Sklavin" oder Nebenfrau. Ich meine, dass die Ungewissheit über das Schicksal des Herakles während dieser Zeit dazu geführt haben kann, dass man ihn für tot hielt, also in der Unterwelt vermutete. Daher rühren womöglich auch die Geschichten mit den Abenteuern des Herakles in der Unterwelt. Der Zurückgekehrte befreite seine Gattin Deïaneira-Omphale-Atalante und töte Jardanos-Dardanos-Laomedon.

Auf den Thron von Troja setzte Herakles den Sohn Priamos des Getöteten und gab ihm seine Tochter Ariste zur Frau, die die Mutter des Aisakos wurde. Ariste als Gemahlin des Priamos gilt als Tochter des Merops, der niemand anderer als Se-Mer-ib-Re Cheti = Herakles ist. Dardanos-Laomedon war ein Sohn des Ilos-Perseus, der zu der Zeit, als sein Sohn getötet wurde, ebenfalls schon tot war. Mit Troja beschäftigt sich dann auch Herodot (I,3):

Darauf (nach dem Raub der Medeia), in der nächsten Generation, so erzählen sie (die persischen Gewährsmänner des Herodot) weiter, habe der Priamossohn Alexandros, der dies gehört habe, für sich ein Weib aus Hellas gewinnen wollen. Dabei war er ohne Zweifel entschlossen, keine Sühne zu leisten. Jene hätten ja auch keine geleistet. Als er nun so Helene geraubt hatte, hätten die Hellenen beschlossen, zuerst Boten zu schicken, um Helene zurückzufordern und Sühne für den Raub zu verlangen. Als sie darüber Vorhaltungen machten, hätten ihnen diese den Raub der Medeia vorgeworfen; sie hätten ja ihrerseits keine Sühne geleistet und trotz ihrer Forderung Medeia nicht herausgegeben und wollten nun, dass ihnen von anderen Sühne geleistet werde.

Nach einigen allgemeinen Betrachtungen über Sinn oder Unsinn, um einer Frau willen Krieg zu führen, kommt Herodot dann auf den Trojanischen Krieg zu sprechen. Bevor wir nun mit seinen Ausführungen fortfahren, halten wir zunächst zwei wichtige Äußerungen aus dem oben Gesagten fest:

1. Die Frauenraube fanden eine Generation vor dem Trojanischen Krieg statt, den Herodot als ein historisches Ereignis ansieht. Wir schließen uns dieser Ansicht an.

2. Der Sohn des Priamos, der Helena raubte, hieß nach der Meinung Herodots nicht Paris, sondern Alexandros. Jede Ilias-Dichtung, mithin auch die bekannteste Ilias, die den Namen Paris erwähnt, kann nicht von Homer stammen; denn dieser war Herodot bestens bekannt, und sicherlich hätte er aus dieser Kenntnis heraus die beiden Söhne des Priamos nicht verwechselt.

Die heute bekannteste Ilias-Dichtung ("Singe, o Muse...!") stammt mit Sicherheit nicht von Homer, sondern sie hatte ihren Ursprung ebenfalls in einem Sängerkrieg auf der Burg Pella des Philhellen, wo die meisten Dichtungen jener Zeit entstanden. In der Besprechung des Trojanischen Krieges, der von 635/636 bis 637 ndFl dauerte, werde ich auf dieses Thema näher eingehen.

Herodot verwechselte ganz offensichtlich den älteren Sohn Alexandros mit dessen jüngerem Bruder Paris (oder wie der auch immer geheißen haben mag). Alexandros, der Stammherr des makedonischen Königshauses der Argeaden, war längst mit der Tochter Leda des Thestios von Kalydon  verheiratet, des späteren Thyestes von Argos Der jüngere Paris wollte auch eine Hellenenfrau haben wie sein Bruder. Um es schon vorwegzunehmen: Der schwanenhalsige Phrygerkönig Alexandros, der von Achilles in der Dichtung erwürgt wird und den Hals lang gezogen bekommt, ist nicht nur dieser Sohn des Priamos, sondern er ist auch der "Zeus" in Schwanengestalt, der mit Leda die Zwillinge Kastor und Pollux hat, die in Wirklichkeit die ersten Makedonenkönige Perdikkas und Philipp (I) sind. Diese angeblichen Dioskuren sind nicht mit den anderen Zwillings-Söhnen des "Zeus" zu verwechseln, den echten Dioskuren, die von Herodot erwähnt werden und ebenfalls historische Personen sind, nämlich die Söhne des Dorers "Zeus"-Tyndaros. Doch dazu soll hier noch nicht weiter ausgeführt werden.

Bleiben wir noch bei Herodot, der uns mit dem folgenden Satz allerdings in eine spätere Zeit führt (I,4):

Die Hellenen aber hätten um einer Frau aus Lakedaimon willen ein großes Heer versammelt, seien dann nach Asien gezogen und hätten die Macht des Priamos gestürzt.

Nach Ansicht der Perser, bei denen Herodot sich Rat holte, bildete die Eroberung von Ilion (Troja) den Ausgangspunkt der Feindschaft gegen die Hellenen (I,5). Der erste, der nach Ansicht Herodots den Krieg gegen die kleinasiatischen Hellenen begann, wird von ihm noch in demselben Absatz 5 avisiert. Es handelt sich um den Lyderkönig Kroisos, mit dem er sich schon von Absatz 6 an eingehend beschäftigt.

Zwischen die Frauenraube und den Trojanischen Krieg einerseits und Kroisos andererseits legen die Historiker das an anderen Stellen schon mehrfach genannte dunkle Zeitalter Griechenlands und Kleinasiens. Darüber schreibt Herodot nichts, ja er erwähnt es nicht einmal, so dass unweigerlich der Verdacht aufkommt, dass es dieses Zeitalter nur in der konventionellen Altertums-Geschichte geben könnte. Aber auch die Einordnung des Trojanischen Krieges an der Stelle, bei der sich der Aufruhr des Usia, der Beginn der Olympiadenrechnung und die "Tage des Trojanischen Krieges" treffen, also konventionell um das Jahr 776 v.Chr., bringt diese Ereignisse nicht mit Kroisos zusammen, der konventionell erst um das Jahr 530 v.Chr. gesehen wird.

Glücklicherweise brauchen wir uns in diesem Chaos nicht herumzutasten. Als Kroisos, der entweder mit dem Hethiterkönig Suppiluliumas oder mit einem von dessen Brüdern identisch ist, von seinem Neffen Umak-Ischtar-chundu = Kyros der Ältere besiegt wurde, schrieb man das Jahr 687 ndFl = 193 v.Chr.!

Herodot erwähnt in diesem Zusammenhang weder Ägeus noch Theseus, er gibt weder einen Hinweis auf den Entführer Medeias bzw. den Anführer des Argonautenzuges (den er auch gar nicht unter dieser Bezeichnung führt) noch auf den endgültigen "Besitzer" Medeias. Auch erfahren wir von ihm nichts über das weitere Schicksal dieser Frau, über das uns die Sage wesentlich mehr Aufschluss gibt, wenn auch mit Abweichungen und dichterischen Freiheiten. So entdeckt man in der Medeia-Sage u. a. auffällige Ähnlichkeiten mit dem Schicksal des Herakles.

Da alles dies - einschließlich der dürftigen, an die Sage angelehnten Angaben zu Ägeus und Theseus bei Herodot - zu sagenhaft ist, erspare ich mir eine gründliche Betrachtung der Medea-Sage und nehme stattdessen vorweg, was meines Erachtens der historisch plausible Fortgang der Ereignisse gewesen sein dürfte:

Medeia ging mit Chus-Isesi = Sisiphos, der sie in Korinth befreit hatte, zurück nach Kolchis; diese Rückkehr in die Heimat ist ein Vorgang, den auch die Sage wiedergibt, wenn darin auch kein Platz für Chus ist. Dieser dürfte aber der Vater von Medeias Tochter Kirke sein (* ca. 596 ndFl). Die beiden Frauen, Mutter und Tochter, galten im Altertum als Zauberinnen, worunter Heilkundige zu verstehen sind, und Kolchis war, wie ich an anderer Stelle schon sagte, die Apotheke des Altertums.

Auf die Chus-Reisen komme ich im 1. Kapitel des folgenden Bandes 3 zu sprechen, was nicht ausschließt, dass ich im vorliegenden Kapitel auf die eine oder andere Begebenheit Bezug nehme.

Chus hatte im Auftrag seines Bruders, des Pharaos Djoser = Amenophis-Sesostris I, Syrien-Palästina bis zum Euphrat erobert und dabei den Phönizier Kadmos getötet, der seit 570 ndFl wieder in Tyrus über Phönizien regiert hatte. Der unter dem Namen Nikmad, der Javan, inschriftlich erwähnte Kadmos wird auch als Nikmad bzw. Nikomedes oder Nikodemus überliefert. Er wurde nicht nur deshalb als Javan = Ionier bezeichnet, weil seine Mutter Telephassa die Tochter des Tros aus dessen erster Ehe war, bevor dieser die Kalirrhoë heiratete, sondern vor allem deshalb, weil er selbst in Ionien gelebt hatte. Sein Onkel Telephos von Teuthrania in Mysien, also in Ionien, war bei der Landung des Perseus im Jahre 546 ndFl umgekommen, als Kadmos etwa 20 Jahre alt war. Telephassa sorgte dafür, dass ihr Sohn die Nachfolge ihres Bruders antreten konnte. Sie selbst führte nach dem Tode ihres Gatten Agenor im Jahre 537 ndFl die Regierungsgeschäfte, vermutlich bis zur Rückkehr des Kadmos im Jahre 570 ndFl, in welchem sie gestorben sein könnte.

Um das Jahr 560 ndFl heiratete Kadmos die Tochter Harmonia des Kyaxares und der Hiëromneme, der Tochter des Perseus. Aus dieser Ehe ging die Tochter Europe hervor, die allerdings der Sage nach direkt von Agenor und Telephassa stammen soll; sie war jedoch deren beider Enkelin. Ob Kadmos tatsächlich mit Harmonia einen Sohn mit Namen Polydoros gehabt hat, der sein Nachfolger in Theben wurde, ist mehr als zweifelhaft; denn dieser hätte mindestens 20 Jahre alt sein müssen, was in Anbetracht des Alters der Harmonia unmöglich erscheint. Wenn aber Kadmos aus einer früheren Ehe einen um 548 ndFl geborenen Sohn gehabt hätte, der nicht unbedingt Polydoros geheißen haben muss, dann kann dieser die Nachfolge seines Vaters in Theben angetreten haben.

Polydoros, der angebliche Sohn des Kadmos, gilt in der Sage als Vater des Labdakos, des Königs von Theben, der wiederum der Vater des Laios gewesen sein soll, des Vaters von Oidipos. Hierbei handelt es sich zweifelsfrei um eine Torsion, da Oidipos I, der Sohn des L(y)aios = Dionysos, kein Ururenkel des Kadmos gewesen sein kann. Weitere Einzelheiten hierzu und zu der Gründung Karthagos, die zu dieser Zeit stattgefunden haben dürfte, gehören erst in einen späteren Band.

Wie oben schon gesagt wurde, holte Herakles im Jahre 561 ndFl Kadmos nach Theben, das von diesem wieder aufgebaut wurde (Burg Kadmeia). Etwa im Jahre 570 ndFl starb Telephassa, die Mutter des Kadmos, die in Tyros die Regierung nach dem Tode ihres Gatten Agenor-Kinachi-Kanaan-Kenkens geführt hatte. Kadmos trat die Nachfolge an und zog von Theben wieder in seine Heimat Phönizien, die mittlerweile zum Reich Israel des David I gehörte. Hier wurde ihm etwa im Jahre 575 ndFl seine Tochter Europe geraubt und nach Kreta entführt, wo sie von Minotauros-Katreus (und nicht, wie die Sage meint, von Asterion) geheiratet wurde. Eine Entführung der Europe von Theben aus halte ich für sehr wenig wahrscheinlich, da die Begegnung des Kadmos mit Chus durch Inschriftenfunde in Phönizien (Ugarit) belegt ist1; das bedeutet, dass zu der Zeit, als Kadmos von Chus angegriffen wurde, Kadmos wieder in Phönizien war.

Ob Phönizien eine quasi-selbständige Rolle im Reich Israel des David I innehatte, lässt sich nur schwer beantworten. Das Nichteingreifen der Israeliten im Falle des Raubes der Europa (575 ndFl) lässt aber deren geringes Interesse an Phönizien erkennen.

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|                  Thraker und Dardaner                  |
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TROS oo ? (1. Ehe)        TROS oo KALIRRHOE        PERSEUS
*ca. 480 ndFl                     *ca. 510 ndFl    * 500
+---------+---------+             |                |
TELEMON   TELEPHOS  TELEPHASSA    KYAX-ARES oo HIERO-MNEME
*ca. 505  *ca. 510  *ca. 513      *ca. 525     *ca. 532
|         v. Mysien |             + 601 ndFl
siehe               oo AGENOR     |
unten!              *ca. 506      |
                    + 537 ndFl    |
                    |             |
                    KADMOS   oo   HARMONIA
                    *ca. 526      *ca. 548
                    + 592 ndFl    |
                    +-------+-----+
KATREUS-MINOTAUROS    oo    EUROPE
*ca. 530, + 594 ndFl        *ca. 561 ndFl

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PERSEUS-ILOS oo ELEKTRA-EURYDIKE        TELEMON oo HESIONE
* 500 ndFl      *ca. 523 ndFl           *ca.505    *ca.515
|                                       |
|                                       TEUKROS
|                                       *ca. 530 ndFl
|                                       |
DARDANOS-LAOMEDON --------- oo -------- BATEIA-STYRMO
| König von Troja                       *ca. 555 ndFl
| *ca. 545 ndFl
| getötet von Herakles
| ca.  586 ndFl
|
PRIAMOS, König von Troja
  *ca. 567, + 637 ndFl (70jährig im Trojanischen Krieg)
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Ein anderer Onkel des Kadmos, Telemon, war der Vater des Thrakerkönigs Teukros und möglicherweise selbst auch König einer thrakischen Provinz oder Stadt gewesen. Der Enkel Priamos des Teukros war seit etwa 586 ndFl König von Troja und somit eine verwandtschaftliche Anlaufstelle für Kadmos - falls er nicht beim Angriff des Chus getötet, sondern lediglich vor ihm geflohen sein sollte. Ich halte es aber für wahrscheinlicher, dass der fast 70 Jahre alte Kadmos in seiner Hauptstadt Tyros den Tod erlitt.

Nach allem, was bisher zu Kadmos gesagt wurde, ist es sehr wenig wahrscheinlich, dass Kadmos erst im Jahre 592 ndFl in die Stadt Theben (in Boiotien) einzog, also nur kurze Zeit bevor Chus hier durchzog auf seinem Weg nach Kolchis-Punt. Kadmos floh nicht vor Chus nach Theben. Die Sage ist fest davon überzeugt, dass Kadmos seinen dauernden Wohnsitz in Theben hatte, und lässt alle seine Nachfahren aus dem Totenreich zurückkehren: Die an Kadmos angehängten angeblichen "Nachfahren" sind längst tot.

Es ist nicht zu übersehen, dass Kadmos weitgehend die Rolle des Lykurgos-Illyrios-Lakedaimon übernimmt, der die Sparten besiegte, die Ureinwohner Thebens. Nicht nur diese Tat schreibt die Sage Kadmos zu, sondern auch die Tötung des Python-Drachens, des Sohnes des Ares, also des Lake-Daimon, des wirklichen Sparten-Besiegers. Hier liegt eine deutlich sichtbare Torsion vor. Die Errichtung der thebanischen Burg, der Kadmeia, muss man Kadmos indes tatsächlich zuschreiben. Wie aber Herakles auf Kadmos aufmerksam geworden war, kann ich nicht mit letzter Gewissheit sagen. Womöglich war Kadmos in Knossos auf Kreta gewesen und dort in die politischen Umtriebe verwickelt worden, die Achmose veranlasst haben könnten, Herakles dorthin zu entsenden. Dieser könnte dann Kadmos und Ägeus mit nach Hellas genommen haben. Wegen der Einsetzung des Kadmos in Theben halte ich diese Version für sehr wahrscheinlich.

Neben Kadmos gelten Kilix, Phönix, Thasos und Phineus als Söhne Agenors und der Telephassa. Ich bin nun der Ansicht, dass es sich bei Phönix um Agenor-Kanaan-Kinachi-Kenkenes selbst handelt, der von seinem Halbbruder Seth-Schu-Atlas im Jahre 530 ndFl, nachdem dieser seinen Vertragspartner Osiris beseitigt hatte, ausgesandt wurde, den "Ur-Phöniziern", den Tagern bzw. Tjekern, ihr Land wegzunehmen.

Kilix kann mit Kadmos identisch sein. Thasos, falls es ihn als Eponymos der gleichnamigen Insel in persona gegeben haben sollte, müsste um 535 ndFl geboren und um etwa 560 ndFl auf die Thrakien vorgelagerte Insel gekommen sein. Entweder war er ein Alterego von Kadmos, also mit diesem identisch, oder er kam gemeinsam mit seinem Bruder Kadmos und mit Herakles nach Hellas. Es ist aber auch nicht auszuschließen, dass er wie sein angeblicher Bruder Phineus gar kein Sohn des Agenor war, als welcher er ein Enkel Poseidons gewesen wäre. Er war vielmehr dessen Sohn.

Phineus war jener blinde König im thrakischen Salmidessos am Bosporus, der von den Harpyen gequält wurde, jenen den Stymphalischen Vögeln vergleichbaren Plagegeistern, die sein Essen raubten oder beschmutzten, sobald er sich zum Mahle gesetzt hatte. Er war ein älterer Zeitgenosse von Kalais und Zetes, den angeblichen Brüdern, Söhnen des Boreas, und war mit einer Tochter des Boreas verheiratet, die den Namen Kleopatra führte. Später heiratete er eine Frau mit dem Namen Eidothia. Darüber ist schon in dem oben erwähnten früheren Kapitel (Perseus und Orest in Hellas) abgehandelt worden. Kalais, der Sohn des Orion, und die Phönizier waren die Bundesgenossen des Phrix-Anubis, des Sohnes von Seth-Athamas, ohne die dieser seinen Thron in Ägypten nicht zurückerlangt hätte. Sie waren Vettern; denn ihre Väter waren Brüder bzw. Halbbrüder, Söhne Poseidons wie (angeblich) auch Phineus, der vieles mit dem Enkel des Poseidon, mit dem blinden König Pheros = Anubis-Phiops, gemeinsam hat. Hierüber ist an anderer Stelle schon abgehandelt worden.

Über die gemeinsame Zeit von Herakles und Kadmos in Hellas wissen wir so gut wie nichts. Kadmos verließ Hellas schon im Jahre 570 ndFl, und mit Herakles schwand im Jahre 580 ndFl fürs erste der Glanz aus Hellas.

Ungefähr acht Jahre blieb Herakles in Kleinasien. Als sein Halbbruder Djoser = Amenophis-Sesostris I im Jahr 592 ndFl in Ägypten auf den Pharaonenthron kam, befand sich Herakles vermutlich schon wieder in seiner Heimatstadt Mer, die später nach ihm den Namen Herakleopolis erhielt.

Der Sage nach hatte Theseus von Athen aus einen Zug nach Kreta organisiert, um Athen durch die Tötung des Minotauros von der Abgabepflicht zu befreien. Einer anderen Darstellung zufolge tötete Althaimenes seinen Vater Katreus und seine Schwester Apemosyne. Die Situation in Knossos, der kretischen Residenz, ist nur schwer zu durchschauen. Ich halte die folgende Rekonstruktion für glaubwürdig:

Theseus tötete den Minotauros-Katreus in dessen Labyrinth, dem vielräumigen Palast von Knossos (1400 Räume?). Er half dadurch Althaimenes, dem Sohn des Katreus, auf den Thron, der ihm dafür wiederum als Gegenleistung die Unabhängigkeit Athens zusicherte. Ariadne, die angeblich mit ihrem Wollfaden dem Theseus ein Hilfsmittel in die Hand gab, damit er aus dem Labyrinth wieder herausfinde, gehört nicht hierher, da sie als Tochter des Minos in die Generation ihres Gatten Dionysos gehört. Der Wollfaden ist eine Wortspielerei mit dem an den Namen Ariadne anklingenden griechischen Wort arachne (= Spinne). Dafür lässt die Sage, was auch glaubwürdiger ist, Theseus die Tochter Phädra des Katreus heiraten, die von der Sage allerdings als Schwester des letzteren ausgegeben wird.

Dieser Irrtum beruht auf der Falschangabe, dass Glaukos, Androg(yg)eus, Katreus, Deukalion und Minotauros Söhne des Minos, und die Damen Ariadne und Phädra Töchter des Minos gewesen seien. Es können von diesen jedoch nur Glaukos, Androgeus und Ariadne Kinder des Minos gewesen sein.

Althaimenes tötete seine Schwester Apemosyne vermutlich deshalb, weil sie ihren Vater warnen oder schützen wollte. Es ist indes nicht von der Hand zu weisen, dass Vater und Tochter eine intime Beziehung hatten, was in den Adelsfamilien der damaligen Zeit keineswegs ungewöhnlich war, obgleich es allgemein verabscheut und meistens auch geahndet wurde. Diese Vorkommnisse gehören sehr wahrscheinlich in das Jahr 594 ndFl. Sie könnten der Auslöser für die an die ägyptischen Eroberungen in Asien anknüpfende Reise des Chus nach Europa gewesen sein.

Theseus verließ Kreta, nachdem er die Unabhängigkeit von Athen gewährleistet hatte. Ich halte es aber für sicher, dass Chus mit Althaimenes kurzen Prozess machte und den richtigen Thronerben auf den Thron setzte, Deukalion, den ältesten Sohn des Katreus, der sich der ägyptischen Suprematie unterwarf. Damit war auch der mittelbare Einfluss der Ägypter auf die Politik in Hellas über das ägyptenhörige Kreta wieder hergestellt. Theseus stand wieder am Anfang, und klein beigeben wollte er nicht. So stand die nächste Konfrontation mit dem "kretischen Stier" vor der Türe.

Die Anwesenheit eines Abgesandten des Chian-Sesostris, der mit Djoser-Amenophis identisch ist, im Knossospalast ist archäologisch so gut wie nachgewiesen; unter einer umgestürzten Palastmauer fand sich nämlich der Deckel eines Gefäßes mit der Kartusche des Chian. Sein Bruder Chus-chanak Sebek-hotep - ich führe den Leser allmählich zu dessen Namensfülle hin - hat vermutlich im Knossospalast auch den wenigen noch ägyptentreuen Festlandgriechen den Eid abgenommen, unter denen zwar nicht mehr die Athener (Theseus) waren, dafür jedoch so wichtige Orte wie Argos (Inachos), Nauplia (Nauplios), Mykenä (Atreus) und womöglich auch schon Korinth, obwohl hier die Möglichkeit besteht, dass Chus den Vasallenkönig erst an Ort und Stelle einsetzte.

Wie schon erwähnt, war Inachos als Nachfolger des Herakles in Argos zum Oberstatthalter der Minoer ernannt worden. Er selbst scheint zum minoischen Königshaus gehört zu haben. In seiner unmittelbaren Nachbarschaft befanden sich Orte, in denen ebenfalls ägypten- bzw. minoerfreundliche Herrscher residierten. Chus verheiratete Nauplios von Nauplia (* ca. 570 ndFl) mit Klymene (* ca. 580 ndFl) und Atreus von Mykenä (* ca. 560 ndFl) mit Aërope (* ca. 579 ndFl); beide waren Töchter des Katreus-Minotauros und wie Phaidra (* ca. 576 ndFl), die Gemahlin Theseus', auch der Europe (* ca. 561 ndFl). Chus selbst heiratete eine Tochter des Inachos von Argos, also eine Schwester der Io, die von ihm den Sohn Pheidon (= Phaëton, Sohn des Sonnengottes) bekam.

Chus scheint diese Frau aber bald verlassen zu haben, da er in Korinth eine Beziehung zu Medeia einging, aus der die Tochter Kirke hervorging. Insofern ist eine Verbindung Kolchis-Korinth bestätigt, die in der Sage dem Aietes, dem angeblichen König dieser beiden Gebiete und richtigen Vater Medeias, angedichtet wird. Ob auch der Chus-Sohn Kypselos aus dieser Verbindung hervorging, ist unwahrscheinlich; dessen Mutter war vermutlich auch die Mutter des Pheidon, wenn nicht sogar Merope, die Tochter des Merops-Herakles. Spätestens im Jahre 595 ndFl betrat Chus-Isesi das europäische Festland, worüber aber erst im 1. Kapitel des folgenden 3. Bandes ausführlicher abgehandelt wird.

Die Töchter der Europe ordnen sich ihren Gatten generationsgerecht zu; das ist ein eminent wichtiges Ergebnis der Rekonstruktion, da hier die entscheidende Nahtstelle zwischen den Frauenrauben und dem Trojanischen Krieg liegt. Es sollte an dieser Stelle überhaupt noch einmal darauf aufmerksam gemacht werden, dass die Generationsfolge seit der Sintflut, also über fast 600 Jahre, aufrechterhalten werden konnte, ohne dass sich die Geschichte "verzog" oder nur mit Gewalt zurechtzubiegen war. Dies ist nichts mehr und nichts weniger als ein Beweis (!) für die Richtigkeit meiner Chronologie.

Die Frauenraube fanden, wie Herodot sagt, eine Generation vor dem Trojanischen Krieg statt. Aus anderen Quellen (zum Beispiel bei Georgius Syncellus) wissen wir, dass besagter Krieg einerseits mit dem Beginn der Olympiadenrechnung und andererseits mit dem Aufruhr des Usia (Typhon-Katastrophe) zeitlich eng verbunden war. Auch das Urteil des Paris, das dem Krieg vorangestellt wird, kann als Sinnbild der Kalenderreform, wie sie nach Typhon 4 erforderlich wurde, aufgefasst werden: Die Sonne, symbolisiert durch den goldenen Apfel, brauchte einen "Partner", der mit ihr gemeinsam die Zeitzyklen bestimmte. Diesen sollte Paris bestimmen. Er entschied sich bekanntlich für die Göttin der Schönheit und der Liebe. Das wäre demnach der Planet Venus gewesen; aber genommen haben die Griechen dann schließlich den Mond als Kalenderplaneten im Bunde mit der Sonne.

Zur Zeit der Frauenraube müssten, wenn diese tatsächlich eine Generation vor dem Trojanischen Krieg stattgefunden haben sollten, die trojanischen Helden geboren werden. Zumindest müssten ihre Eltern im heiratsfähigen Alter gewesen sein. Io, die Tochter des Inachos, hatte keine Nachkommen, die am Trojanischen Krieg teilnahmen. Europe wurde die Großmutter der Helden Agamemnon (Sohn von Atreus und ihrer Tochter Aërope) und Palamedes (Sohn von Nauplios und ihrer Tochter Klymene). Auch der um 585 ndFl geborene Idomeneus, der Sohn des Deukalion (* um 560 ndFl) nahm am Krieg teil. Sein Vater sowie dessen Bruder Althaimenes stammten aus einer früheren Ehe des Minotauros-Katreus. Übrigens gilt auch für Odysseus, einen weiteren Teilnehmer am Trojanischen Krieg, dass er generationsgerecht in dieser Zeit geboren wird. Wir werden sie alle im Kapitel Der Trojanische Krieg im Band 4 wiedertreffen.

Medeia, die etwa fünf Jahre nach der Phönizierin Europe entführt wurde, und zwar zu derselben Zeit, als Herakles nach Kleinasien kam, wurde ca. 568 ndFl als Tochter des Aiëtes und der Ideia geboren, einer Phönizierin, die sehr wahrscheinlich die Tochter des Kadmos war, der zum Zeitpunkt ihrer Geburt (ca. 557 ndFl) noch in der kleinasiatischen Küstenregion Ionien wohnte. Er könnte mit dem angeblichen Sohn Kilix des Agenor identisch sein, der als der Gründer bzw. Namensgeber Kilikiens an der anatolischen Südküste gilt.

Der Eponymos von Kilikien könnte aber auch ein um 530 ndFl geborener Bruder des Kadmos gewesen sein, der seine um 552 ndFl geborene Tochter dem Sohn Aiëtes seines Lehnsherren Perseus zur Frau gab. Das wäre etwa zu der Zeit geschehen, als Sinuhe nach Kleinasien/Syrien kam: 567/568 ndFl. Dass Aietes und Phönizien in verwandtschaftlichen Beziehungen zueinander standen, dürfte feststehen; denn sonst gäbe die folgende Bemerkung Herodots keinen Sinn (I,2):

Da habe der Kolcherkönig (Aietes) einen Herold nach Hellas geschickt, um Sühne für den Raub (der Medeia) zu verlangen und die Tochter zurückzufordern. Diese (Hellenen) hätten jedoch geantwortet, dass ja auch sie (die Kolcher) ihnen keine Sühne für den Raub der Argiverin Io (durch Phönizier) geleistet hätten.

Warum sollte wohl ein Kolcherkönig für eine Tat Sühne leisten, die durch Phönizier verübt wurde, wenn nicht dieser Kolcherkönig entweder selbst ein Phönizier oder zumindest mit einer Phönizierin verheiratet gewesen wäre? Es geht aber aus dieser Passage auch noch hervor, dass der Kolcherkönig bereits im Amt war, als der Raub der Io stattfand. Wie ich in einem früheren Kapitel (Perseus und Orest in Hellas) schon sagte, konnte Aiëtes frühestens anschließend an den Auszug des Phrix-Zetos-Anubis mit seinem Bundesgenossen Kalais aus Kolchis nach Ägypten, der im Jahre 567 ndFl stattfand, König von Kolchis werden. Die Entführungen der Io und der Europe gehören meiner Ansicht nach beide in das Jahr 575 ndFl, der Raub der Medeia aber erst in das Jahr 580/581 ndFl, in dem auch der Argonautenzug begann und Herakles endgültig aus Hellas abreiste.

Der Sage nach besiegte Theseus, der schon den Minotauros in seinem Labyrinth erlegt hatte, auch noch den kretischen Stier, "der mit seinen eisernen Hufen die Felder in Hellas verwüstete", auf griechischem Boden. Man kann daraus den Schluss ziehen, dass er nach der Durchreise des Chus-Necht-Seth weitere Teile Griechenlands von der minoischen Oberherrschaft befreite. Lediglich die Argolis und Korinth, in denen Verwandte des ägyptischen wie des kretischen Hofes auf den Thronen saßen, hatten an einer Re-Hellenisierung kein Interesse.

Bis zum Trojanischen Krieg hatte sich das Blatt gewendet. Der kretische Herrscher Idomeneus wurde von den Argivern zu den Waffen gerufen. Die Flut seines Vaters, des Deukalion, die eine Folge der vierten Typhon-Katastrophe war, hatte ähnliches bewirkt wie die Flut des Ogyges. Diesmal war der Rückzug Kretas aus Hellas jedoch endgültig. Nach Typhon gab es keine minoische Herrschaft mehr in Griechenland.

Wir erinnern uns einer der Gefahren, die die Athener von ihrer Stadt abwenden konnten, wie Isokrates in seinem berühmten Panathenaikos sie erwähnt. Gemeint sind jetzt die Skythen und Amazonen. Im Mythos bändigt Theseus die Amazonenkönigin Hippolyte, die an anderer Stelle auch Antiope heißt, was zwar verwirrend ist, aber auch ohne Belang. Sie hieß vermutlich ganz anders, und ihr Name war barbarisch unaussprechlich. Die Amazonenkönigin Penthesileia, die mit ihren "Walküren" in den Trojanischen Krieg eingegriffen haben soll, ist dort genauso wenig historisch ernstzunehmen wie Achilleus, der sie getötet haben soll. Sie geriet "versehentlich" auch in diesen Konflikt, hat aber bestenfalls gegen Theseus gekämpft, der sie heiratete. Von ihr bekam er den Sohn Hippolytos, der wahrscheinlich später seinen Namen an die Mutter abtreten musste, deren Name in Vergessenheit geraten sein könnte.

Die Amazonen waren die weiblichen Skythen im Gegensatz zu ihren Männern, den Kentauren. Die Einheit Mensch-Pferd ist in den gelehrten Kentauren, den Pferdeleibern mit menschlichen Köpfen und Händen, treffend versinnbildlicht. Ihre Gelehrsamkeit bezog sich nicht nur auf die zu praktischen Zwecken geeignete Pferdezucht, sondern auch auf metaphysische Dinge. Sie waren Haruspizen (= Eingeweideleser) und Auguren (= Vogelflugdeuter). Beide Disziplinen sind später auch in Rom fleißig geübt worden. Die Amazonen unterschieden sich von den Frauen anderer Völker dadurch, dass sie ihren Männern nicht im Trosswagen, sondern auf dem Rücken ihrer Pferde folgten. Es gibt interessante Betrachtungen zum Thema "Amazonen", auf die hier aber nicht eingegangen werden kann. Wir halten lediglich fest, dass

1. die offenbar aus den Steppen Südrusslands über den Balkan gekommenen Skythen = Phryger um das Jahr 606 ndFl in Hellas einfielen, und dass

2. Theseus die Schwester oder Tochter des Skythenanführers Protothyas-Perithoos, also des Phrygers Partatua bzw. des "Meders" Phraortes, heiratete, von der er vermutlich (mindestens) zwei Söhne bekam, den bereits erwähnten Hippolytos und den jüngeren dafür aber bedeutenderen Hippokrates.

Protothyas bekam um diese Zeit den Sohn Madyas oder Midas, der von einer Tochter oder Schwester des Theseus stammen könnte. Madyas-Midas (= Mita muski) fiel dem Mederkönig in den Rücken, als dieser im Jahre 641/642 ndFl Ninive belagerte. Darauf komme ich noch zu sprechen. Midas bekam 628 ndFl den Sohn Gordios, der die Stadt Gordion baute und dessen Sohn Adrastos (* ca. 650 ndFl) zur Zeit des Kroisos (673-687 ndFl) in Sardes auftauchen wird. Er brachte seine Tochter Eurydike mit (* 672 ndFl), die hier samt ihrem Vater zeitlich endlich hingehört. Sie ist eine wichtige historisch greifbare Person, wie ich zeigen werde. Die Phryger oder Skythen und ihre "Amazonen" unterstützten Priamos im Trojanischen Krieg, der kurz vor der Belagerung Ninives zu Ende ging.

Theseus soll außer den oben erwähnten "Hippo"-Söhnen noch zwei andere Söhne gehabt haben, die am Trojanischen Krieg teilgenommen haben sollen: Akamas und Demophon. An anderer Stelle wird aber Menestheus als König von Athen, der am Krieg teilnahm, aufgeführt. Ich werde bei der Behandlung der griechischen Geschichte dieser Zeit zeigen, dass Mene- stheus mit Medon, dem Sohn des Kodros und Vater des athenischen Staatsmannes Solon, identisch ist, und dass die angeblichen Söhne des Theseus in Wirklichkeit die Söhne einer "Reinkarnation des Theseus" sind, nämlich dessen Enkels Peisistratos. Ihre richtigen Namen klingen sehr ähnlich wie die sagenhaften: Phokion und Demades.

Peisistratos, der Sohn des Hippokrates und Enkel des Theseus, erhob seinen Großvater zum attischen Nationalhelden, und Kimon, ein Verwandter und Gegner der Peisistratiden, holte die angeblich durch ein Wunderzeichen wiederentdeckten Gebeine des Theseus von der Insel Skyros und setzte sie in Athen in dem eigens für diesen Zweck errichteten Theseion bei.

Lykomedes, der König der Insel Skyros, soll Theseus dort von einer Klippe ins Meer gestürzt haben. Dies kann aber, falls es wirklich so gewesen sein sollte, erst kurz nach der vierten Typhon-Katastrophe geschehen sein, da Hippolytos, der ältere Sohn des Theseus, in der Argolis von der Deukalischen Flut in die Tiefe gerissen wurde, als sein Vater vermutlich gegen den minoischen Vasallen Pheidon (= Phaëton) von Argos Krieg führte. Theseus kann aber auch bei dieser Flut wie sein Sohn zu Tode gekommen und später bei Skyros an Land gespült worden sein.

Nachfolger des Theseus wurde in Athen zunächst vermutlich sein Sohn Hippokrates, der jedoch schon nach kurzer Regierung (wenige Wochen oder Monate) von dem dorischen Nordwestgriechen Kodros abgesetzt wurde, der ebenfalls nur kurz regierte: Opfertod im Kampf gegen diejenigen Dorer, die von der Peloponnes gegen Athen gezogen waren. Die Sage hat das dann später etwas verdreht.

Bei der "Sagenbildung" müssen wir auf alles gefasst sein, da hier immer auch opportunistische und politische Motive hereinspielen, die die Geschichte für spätere Zeiten in einem ganz bestimmten Licht erscheinen lassen sollen. In Solons Leben und Werk lassen sich durchaus "spartanische" Züge feststellen. Seine dorische Abstammung wäre einerseits also nicht völlig abwegig, andererseits wäre sie unvorteilhaft für Solon gewesen, der in einer ionischen Stadt, ausgerechnet in Athen, das höchste Amt innehatte.

Theseus (* ca. 561 ndFl) und Deukalion (* ca. 560 ndFl), nach dem die Flut benannt wurde, in welcher der Sohn des Theseus umkam, waren Zeitgenossen, die gleichzeitig in ihren Ländern regierten, zumindest was die Zeit nach 600 ndFl bis Typhon 4 betrifft. Die Katastrophe Typhon 4 bildet die Grenze zwischen der mythisch-sagenhaften und der geschichtlichen Zeit in Griechenland. Zwar hat Herodot schon deutlich ernstzunehmende Passagen aus der Zeit vor Typhon überliefert, auf den er übrigens ebenso wenig eingeht wie auf die damit verbundene Kalenderreform (Beginn der Olympiaden-Zählung) und auf den doch recht spektakulären Wechsel der Richtung des Sonnenaufganges:

Alle Ereignisse vor der vierten Typhon-Katastrophe des Jahres 624 ndFl = 256 v.Chr., die eine Zäsur nicht allein in der griechischen Geschichte bildet, fanden nicht nur unter einer im Westen aufgehenden Sonne statt, sondern die meisten von ihnen gehören auch in das dunkle Zeitalter Griechenlands und Kleinasiens, aus dem es im Vergleich zu späteren Epochen kaum geschichtlich relevante Informationen gibt. Dafür sprudelt die Sage nach allen Regeln der Erzählkunst.

Der Grund dafür, dass der Trojanische Krieg, der erst nach Typhon 4 stattfand, von vielen als sagenhafte Dichtung abgetan wird, obwohl er in die historisch gut belegte Phase gehört, ist darin zu suchen, dass seine Datierung konventionell an den Beginn des dunklen Zeitalters geraten ist. Was Homer angeht, der als hauptsächlicher Überlieferer dieses Krieges anzusehen ist, so gilt für ihn dasselbe. Auch seine Zeit wird in der konventionellen Betrachtung vor dem Beginn der Olympiaden-Rechnung gesehen.

Besonders irritierend ist zudem die Behauptung, Homer sei der Verfasser der bekanntesten Version der Ilias (Singe, o Muse, das Lied vom Zorn des Peliaden Achill...!). Dies ist ein Irrtum; denn Homer verfasste lediglich eine der zahlreichen Ur-Iliaden, die hundert Jahre später von einem unbekannten Dichter am makedonischen Hofe erst die berühmte Hochform erhielt. Homer war zweifellos ein Zeitgenosse des Trojanischen Krieges, den er vielleicht sogar mitgemacht hat. Kehrte er erblindet aus dem Krieg zurück? Auch er muss vor der Typhon-Katastrophe geboren sein.

Einige der Herrscher, die die Katastrophe erlebten (und auch überlebten), werden halbherzig als historisch angesehen. In der Tat reicht die Ära der sagenhaften Personen in Hellas noch weit in die nachtyphonische Zeit hinein. Nachstehend gebe ich eine Zusammenstellung jener Regenten, die zum Zeitpunkt der Typhonkatastrophe auf einem hellenischen Thron saßen:

1. Athen: Seit dem Tode seines Vaters Aigaios (= Ägeus) im Jahre 590 ndFl regiert Theseus über ein mittlerweile unabhängiges Athen. Er hat die minoische Vorherrschaft in Hellas weitgehend beseitigt. Athen ist auch vor den Skythen und Amazonen bewahrt geblieben, mit denen sich Theseus friedlich arrangierte.

2. Korinth: Kypselos (* ca. 596 ndFl), der Sohn des Chus-Isisi(phos) mit einer Tochter des Inachos von Argos, einer Schwester der Io also, ist Tyrann über eine nach Ägypten orientierte Handelsmetropole. Er ist vermutlich auf seine Mutter gefolgt, die von dem scheidenden Chus als Herrscherin hier eingesetzt worden war. Dass Medea seine Mutter war, die den Neugeborenen zurückgelassen haben müsste, ist wenig wahrscheinlich.

3. Argos: Pheidon (* ca. 596 ndFl), ebenfalls ein Sohn des Chus und mutmaßlicher Halbbruder des Kypselos, regiert als Nachfolger seines Großvaters Inachos auf dem Thron des ägyptisch-minoischen Oberstatthalters über große Teile von Hellas, soweit sie nicht von Theseus befreit worden waren.

Er ist der später als Phaëton, Sohn des Helios, in die Sage eingegangene Pechvogel, der den Sonnenwagen seines Vaters heimlich hervorholte, um damit über den Himmel zu fahren. Die Pferde gingen dem Unerfahrenen aber durch, so dass er vom Kurs abkam. Der Sonnenwagen kam entweder zu dicht an die Erde heran, so dass große Brände entstanden - die Neger sollen damals schwarz geworden sein -, oder er entfernte sich zu weit von ihr, so dass die Meere zufroren. Diese Erzählung ist meines Erachtens die schönste Beschreibung der Ursache für die vierte Typhon-Katastrophe in der zeitgenössischen Dichtung. Auf Pheidon komme ich weiter unten wieder zurück.

4. Mykenä: Atreus, der Pleistheniade, soll mit seinem Bruder Thyestes um den argivischen Thron gewettet haben: Wenn die Sonne am Mittag untergehe, dann solle Thyestes ihm die Herrschaft übergeben. Dieser willigte lachend ein; doch am Tage der Typhonkatastrophe verging ihm das Lachen, als die von Phaëton über den Himmel geschleuderte Sonne unvermutet am Mittag bereits unterging.

Mit diesem Thema haben sich die Dichter noch in römischer Zeit beschäftigt. Allerdings haben sie dabei übersehen, dass Atreus weder der Bruder des Thyestes noch Tyrann in Argos war. Atreus, der Herrscher von Mykenä und Tiryns, falls diese Burg überhaupt noch bewohnt war, überlebte die Typhon-Katastrophe, ebenfalls seine Söhne Agamemnon und Menelaos, die Anführer der Griechen im Trojanischen Krieg. Auch hierauf gehe ich weiter unten nochmals ein.

5. Amyklai: In dieser Keimzelle der späteren Dorer-Stadt Sparta herrscht mit allergrößter Wahrscheinlichkeit ein Nachfahre des Oidipos-Eurypos, nämlich ein Eurypontide, in dem ich entweder Hyllos, den Sohn des Herakles, oder einen seiner Söhne sehe. Als Stammvater des spartanischen Königshauses der Eurypontiden gilt Prokles, ein Sohn des Herakles-Sohnes Hyllos (entgegen der unglaubhaften Angabe bei Herodot VI, 52), mithin ein Urenkel des Oidipos-Eurypos über seine Mutter Jole.

Der Eurypontide von Amyklai, den ich für Prokles halte, überlebte den Vorbeizug des Zerstörers (griechisch: Tyndaros) Typhon. Bei dem kurz danach erfolgten Dorer-Einfall, im 1. Messenischen Krieg, könnte er dann aber gegen den Tyndaros in Menschengestalt, einen angeblichen Sohn der Gorgophone, gefallen sein. Es handelt sich bei diesem um den Anführer der Dorer, die kurz nach Typhon 4 von Italien aus in Messenien einfielen und von dort aus den größten Teil der Peloponnes eroberten. Die Zwillingssöhne dieses "Tyndaros", dessen richtiger Name Aristomachos lautete, waren die "echten" Dioskuren, die von Herodot im Zusammenhang mit der Hochzeit im Hause des Kleisthenes erwähnt werden, an der auch der Sohn des Pheidon teilnahm. Auf diesen und die Dioskuren komme ich wieder zurück.

6. Pylos: Leukippos, der um 545 ndFl geborene Sohn Orests und der Hippodameia (nicht Gorgophone!), regiert über Messenien. Er, der an die 80 Jahre alt sein muss, kommt als erster Festlandsgrieche mit den Dorern, die hier an Land gehen werden, in Berührung. Letztere setzen nach der Einnahme von Pylos einen Sohn von Hyllos hier ein: Nestor.

7. Theben: Hier herrscht Eëtion, der Vater der Andromache, der Gemahlin des Priamos-Sohnes Hektor. Vermutlich ist er mit Eteokles, einem angeblichen Sohn des Oidipos, identisch; sein Vater war mit größerer Wahrscheinlichkeit jedoch Labdakos, der möglicherweise ein Sohn des Kadmos war. Hier sind die letzten Fragen noch offen. So steht nicht einmal fest, ob Hektor, der älteste Sohn des Priamos und der Hekuba, überhaupt als historische Person aufzufassen ist. Herodot erwähnt ihn in einem Absatz (II, 120), in dem er sich kritisch mit den Überlieferungen zum Trojanischen Krieg auseinandersetzt.

8. Thessalien: Im thessalischen Phthia steigt spätestens um 620 ndFl ein Herrscher auf den Thron, der selbst zwar teilweise noch recht sagenhaft erscheint, dessen Nachfahren jedoch historische Persönlichkeiten sind: Peleus, den ich bedenkenlos mit Pelias von Jolkos, das ebenfalls in Thessalien liegt, identifiziere.

Pelias war der Onkel des sagenhaften Argonauten Jason, den ich ebenso bedenkenlos mit dem historisch echten Jason von Pherai identifiziere, von einer Stadt, die gleichfalls in Thessalien liegt. Jason gehört zu den ersten historisch greifbaren Personen in Hellas. Pelias von Jolkos war tatsächlich der Onkel des "Einschuhmannes" Jason, des "Wundfußes" Oidipos II. Sein Vater war der König Admetos von Pherai, der mit Alkeste, der Tochter des Pelias verheiratet war. Sie beteiligte sich der Sage nach als einzige nicht an dem von Jason gemeinsam mit ihren Schwestern inszenierten Vatermord. Peleus heiratet in der Sage die Meergöttin Thetis, was Poseidon aber bereits getan hatte.

Mit dieser falschen Hochzeit beginnt die Überlieferung vom Trojanischen Krieg. Die Sage trennt Pelias von Peleus, damit Peleus nach seiner Ermordung (unter dem Namen Pelias) von Thetis noch den hochberühmten Sohn Achilleus bekommen kann, der eine glatt erfundene Person sein müsste, wenn man ihn nicht mit Akastos, einem Sohn des Pelias, identifizieren möchte, der in der Sage seinen Vater Pelias rächen will. In dem Falle müsste Akastos-Achilles den Trojanischen Krieg aber überlebt haben. Zu den wahren Sachverhalten wird in späteren Kapiteln mehr zu sagen sein.

9. Aitolien: Im aitolischen Kalydon regiert vermutlich der bereits erwähnte Thestios (* ca. 576 ndFl), der Sohn des Tydeus und Vater der Leda. Er wird bald nach der Katastrophe seine Hand nach Argos ausstrecken.

Pheidon und sein Sohn werden bei Herodot erwähnt (VI,127): Von der Peloponnes kam Leokades, der Sohn des Pheidon, des Tyrannen von Argos, jenes Pheidon, der den Peloponnesiern die Maße gegeben und sich bekanntlich am gewalttätigsten von allen Hellenen benommen hat, indem er die Kampfrichter der Eleier absetzte und eigenmächtig den Wettkampf in Olympia ordnete.

Demnach müsste Pheidon-Phaëton die Fahrt mit seines Vaters Sonnenwagen überlebt haben, wenn es olympische Wettkämpfe erst nach der Katastrophe gegeben hätte. Es gibt jedoch Anzeichen dafür, dass mit Beginn des Olympiaden-Kalenders lediglich die Festspiele neu geordnet, nicht jedoch erst eingeführt wurden. Die Zählung der Spiele erfolgte später aber immer von 624 ndFl an. Pheidon wäre zu dem Zeitpunkt, als er die Kampfrichter der Eleier absetzte, unter dreißig Jahre alt gewesen; denn er kann kaum vor 594 ndFl geboren sein. Außerdem steht fest, dass es - möglicherweise noch während der Katastrophe - zwischen zwei Brüdern zum Streit um die argivische Thronfolge kam. Folglich müssen schon vorher Wettkämpfe in Olympia, das in der Provinz Elis liegt, ausgetragen worden sein. Es lässt sich somit der Tod des Pheidon durchaus mit der vierten Typhon-Katastrophe synchronisieren.

Pheidon überlebte die Typhon-Katastrophe nicht. Der Grund dafür war allerdings nicht der Sonnenwagen seines Vaters, sondern seine Niederlage gegen Theseus. Es ist denkbar, dass Pheidon der "kretische Stier" war, "der mit seinen ehernen Hufen die Peloponnes verwüstete" und der schließlich von Theseus erlegt wurde. Hiermit meint der Mythos die Befreiung der Peloponnes von der minoischen Oberherrschaft durch Theseus. Die Schlacht und die Katastrophe müssen wohl zufällig gleichzeitig stattgefunden haben. Die Aitoler können die Helfer des Theseus gewesen sein, die sich dann um die Belohnung des Theseus stritten, um Argos, auf das sie irgendwie einen Anspruch gehabt haben müssen; denn warum sollten sich sonst die "argivischen Tyrannen" um die Nachfolge Pheidons in Argos streiten? Diomedes, der am Trojanischen Krieg teilnahm, dürfte der Sieger in dem Streit gewesen sein, während Thyestes analog zu der Sage der Unterlegene war. Dies alles geschah noch im Umfeld der Katastrophe.

Im argivischen Mykenä regierte während der Katastrophe vermutlich noch Pleisthenes (= Elektryon, Sthenelos, bzw. Eurysthenes; letztgenannter Name steht für den Begründer des Königshauses der Agiaden in Sparta), der Sohn von Perseus und Chalkomedusa-Elektra-Eurydike, oder Chrysippos, der Sohn von Eurystheus-Orest und Hippodameia, oder schon der Sohn Atreus des Pleisthenes, der als Mörder sowohl seines Onkels Chrysippos als auch seines Vaters gilt.

Wenn an dieser Stelle auch die Zeit des Theseus abgelaufen ist, mit dessen Tod dieses Kapitel eigentlich abzuschließen wäre, so möchte ich doch noch auf den Dorer-Einfall unter dem "Tyndaros" Aristomachos vorgreifen. Wie ich weiter oben schon andeutete, fand etwa im Jahr 660 ndFl in Hellas eine bemerkenswerte Hochzeit statt, die von Herodot geschildert wird. Es handelt sich um die Hochzeit im Hause des älteren Kleisthenes, eines Sohnes des Aristonymos, eines Dorers:

(VI, 127) Ferner kam ... der Azaner Laphanes aus der Stadt Paios, der Sohn des Euphorion, der, wie man in Arkadien erzählt, die Dioskuren in seinem Haus bewirtet hat ...

Zum Thema "Dioskuren" wird an anderer Stelle ausführlicher abgehandelt. Hier ist die Gleichzeitigkeit der beteiligten Generationen von Interesse: Der Sohn des Pheidon, dann der Sohn eines Mannes, der die Dioskuren, Verwandte des Kleisthenes von Sekyon, bewirtet hatte, und noch andere.

Die Typhon-Katastrophe, der Dorereinfall in Hellas und der Trojanische Krieg bewirkten eine grundlegende Veränderung in der politischen Landschaft Griechenlands. Waren es ehedem Einflüsse von Kleinasien, vom Balkan und besonders von Ägypten bzw. von Kreta aus, die auf Hellas einwirkten, so begannen nun unter dem Druck der Dorer die angestammten Familien innerhalb Griechenlands, ihre Politik mehr und mehr selbst in die Hand zu nehmen. Diese "stille bürgerliche Revolution" steht sowohl am Anfang der athenischen Demokratie, als auch am Beginn des Partikularismus der griechischen Stadtstaaten. Die Zeit der Könige in Hellas geht ihrem Ende entgegen.

Herodot drückt das Wesentliche an dieser "Woge des Selbstbewusstwerdens", wie ich den Beginn dieser Veränderung umschreiben möchte, ganz schlicht aus (VI, 126): Da kamen alle Hellenen, die auf ihre eigene Person und auf ihr Geschlecht sich etwas einbildeten ...

Dies bezieht sich auf die oben schon erwähnte Hochzeit im Hause des Tyrannen Kleisthenes von Sekyon, auf die ich in einem späteren Kapitel wieder zurückkommen werde.

Nachwort

Im letzten Abschnitt dieses Kapitels wurde in die nach-typhonische Zeit vorgegriffen, um an einigen Beispielen die Gleichzeitigkeit der Ahnen späterer Zeitgenossen in Hellas aufzuzeigen. Konventionell ist eine solche Möglichkeit nur sehr begrenzt gegeben. In meiner berichtigten Darstellung stellt die Synchronizität der Vorfahren in den einzelnen Generationsfolgen eine tragende Säule der Chronologie und somit der Geschichts-Rekonstruktion schlechthin dar.

Letzter Stand: 4. April 2014

1Vgl. Immanuel Velikovsky, Vom Exodus zum König Echnaton, Umschau Verlag, Seite 215.
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