Siebtes Buch: 642 bis 656 ndFl

1. Kapitel:

Die Medo-Perser
Teil III: Vorderasien von 642 bis 656 ndFl
(2. Teil)

Briefe des Burnaburiasch nach Ägypten

Die Briefe des Burnaburiasch mit den Nrn. 7-11 sind ausnahmslos an Napchuria zu dessen Zeit A gerichtet worden, sie betreffen also nur die kurze Zeitspanne, in der dieser vor Nimmuria in Achet-Aton residierte. Das ist die Zeit vor dem Tode des Sethos-Amenophis-Acheperure, des Vaters von Taharka-Napchuria. Die spätere Zeit B des Napchuria in Achet-Aton liegt eindeutig nach Nimmuria wie nach Burnaburiasch. Die Briefe des letzteren gehören in die Jahre 648 ndFl (frühestens) bis 650 ndFl (spätestens).

Brief Nr. 6, dessen Adressat nicht mehr lesbar ist, kann nach Lage der Dinge weder an den soeben auf den Pharaonenthron (wie Knudtzon-Weber meinen) gekommenen noch an den  als Vizekönig von Mittelägypten in Achet-Aton sitzenden Nimmuria gerichtet sein, aus dessen Vater Thutmoses III Men-cheper-Re der Pharao Thutmoses IV Men-cheperu-Re geworden ist; denn der Amka-Überfall der Hethiter, mit dem die Feindseligkeiten zwischen diesen und den Ägyptern wieder begannen, erfolgte unmittelbar, nachdem der König der Ägypter gestorben war, also noch vor der Einsetzung des Nimmuria in Achet-Aton. Eine Korrespondenz zwischen Karduniasch/Kleinasien und Ägypten ist aber nach dem Amka-Überfall vorerst nicht vorstellbar.

Die Anredefloskel "meinem Bruder" ist in den Amarnabriefen nicht wörtlich zu nehmen. Die Begrüßungsformel: Dir, deinen Frauen, deinen Kindern am Beginn des Briefes Nr. 6 spricht aber auch nicht für einen gerade einmal 20jährigen Napchuria, sondern ist als Beweis dafür aufzufassen, dass der Brief an einen von dessen Nachfolgern gerichtet ist, und davon gab es vor Nimmuria noch mindestens zwei andere. Der Brief Nr. 6 gehört demnach in die Jahre 650/651 ndFl; er geht weiter:

So wie früher du und mein Vater gute Freunde wart, so jetzt ich und du miteinander: zwischen uns soll ein anderes Verhältnis gar nicht eintreten.

Mit Recht nimmt man an, dass dieser Brief am Beginn einer Korrespondenz zwischen Burnaburiasch und dem Unterkönig in Achet-Aton steht. Allerdings ist man sich nicht sicher, ob der Brief Nr. 6 an Napchuria oder eher noch an Nimmuria gerichtet worden sein könnte. Nimmuria ist Ramses VI Nebmaat-Re, der spätere Pharao Amenophis III, der unter der Pharaonenschaft seines Vaters in Achet-Aton residierte, bis er 663 ndFl selbst Pharao wurde. Es sei hier schon vorweggenommen, dass Nimmuria später die verwitwete Mutter Teje des Napchuria-Taharka heiratete und dadurch zu dessen Stiefvater wurde, was den Irrtum mit der Vaterschaft an Napchuria begünstigte.

Wenn aber die Korrespondenz des Burnaburiasch mit Ägypten schon vor dem Regierungsantritt des Nimmuria in Achet-Aton zum Erliegen gekommen war, dann muss der Adressat von Brief Nr. 6 einer der beiden anderen Nachfolger Napchurias gewesen sein, zum Beispiel der "König des Kampfes" Thuti oder Dudu, nämlich der immerhin schon über 50 Jahre alte Schabaka, der von 650 bis 651 ndFl in Achet-Aton saß. Die Briefe des Burnaburiasch an Napchuria wurden in jedem Fall vor der Amtszeit sowohl des Nimmuria als auch des Schabaka in Achet-Aton geschrieben.

Die Formulierung "du und mein Vater" spricht ebenfalls dagegen, dass Nimmuria der Adressat von Brief Nr. 6 ist; denn dieser kann nicht der Freund des Kurigalzu gewesen sein, da er lediglich der Sohn eines Provinzkönigs und Feldherrn war, nämlich des Manachpiria, während Kurigalzu immerhin Großkönig und eine Generation älter als Nimmuria war. Solche Unterschiede würden bei Schabaka entfallen, der nur unwesentlich jünger als Kurigalzu-Tudhaliyas war und zudem noch der Sohn eines (Ex-)Thronfolgers, aber auf jeden Fall ein gestandener Heerführer, der in dem zurückliegenden Krieg gegen Nebukadrezzur schon persönlich mit Kurigalzu zusammengetroffen sein kann, spätestens in Nii zur Siegesfeier.

Während der Brief Nr. 6 nur Freundlichkeiten enthält und sogar die Übersendung eines Geschenks an den Adressaten erkennen lässt, hat der Brief Nr. 7, obwohl er früher als Nr. 6 einzuordnen ist, einen ernsteren Unterton. In der Zeit vor diesem Brief, in der es schon eine Korrespondenz zwischen Burnaburiasch und Napchuria, dem eindeutigen Adressaten dieses Briefes, gegeben haben muss, war Burnaburiasch offensichtlich krank; denn er beginnt nach der üblichen Einleitung gleich mit Vorwürfen, dass sich "sein Bruder" nicht um ihn gekümmert habe. Zwar habe Napchuria ihm einen Boten geschickt, doch der habe sich vor seinen Herrn gestellt und gesagt:

Nicht ist der Weg kurz, so dass dein Bruder dir einen Gruß schicken konnte. Die Strecke ist weit zu deinem Bruder hin. Wer kann ihn unterrichten, so dass dein Bruder es vernehmen und dir einen Gruß schicken konnte? Dass du krank bist, sollte dein Bruder hören und dir (trotzdem) keinen Gruß schicken?

Aus der Antwort, die Burnaburiasch dem ägyptischen Boten gab (der aus anderen Gründen, nicht wegen der Krankeit des Burnaburiasch nach Karduniasch gekommen war), und die er Napchuria mitteilt, ist zu entnehmen, dass die Entfernung zwischen den Wohnsitzen der beiden Korrespondenten "diskutabel" war; das heißt, dass eine so "indiskutabel" lange Strecke von Achet-Aton nach Babylon nicht gemeint sein kann:

Ist es hin zu meinem Bruder...eine weite Strecke oder ist es eine kurze? Frage deinen Boten, ob die Strecke nicht weit ist!

Karduniasch umfasste nicht nur die Stadt Daskyleion mit dem daskylischen Gau, also das "klassische" Bithynien, das Land an den drei Meeren, nämlich Ägäis, Marmarameer und Schwarzes Meer, sondern Kardunisch kann der Name für das ganze Kleinasien an den drei Meeren östliches Mittelmeer, Ägäis und Schwarzes Meer gewesen sein. In diesem Falle wäre die Hauptstadt und der Sitz des Burnaburiasch das "kissische Susa" Hattusas gewesen. Trotzdem kann jahreszeitlich bedingt der Regierungssitz auch am Meer gelegen haben, so dass man von Mittelägypten aus bequem mit dem Schiff in nur wenigen Tagen Karduniasch erreichen konnte. Nach Babylon war man von Ägypten aus einige Wochen unterwegs. Auch hieraus möchte ich einen Beweis dafür gewinnen, dass Karduniasch nicht Babylon und hier nicht die Residenz des Burnaburiasch war.

Zusätzlich kann hierfür noch eine weitere Angabe in diesem Brief Nr. 7 als Stütze herangezogen werden:

Weil man gesagt hat, der Weg zu dir sei beschwerlich, das Wasser dahin und das Wetter heiß, so habe ich dir nicht viele schöne Geschenke (mit)geschickt.

Das heiße Wasser kann schwerlich der Euphrat gewesen sein; ich bin der Ansicht, dass das Mittelmeer damit gemeint ist. Die mitgesandten Gaben sind nur vier Minen schöner Lasurstein. Dieser lapis lazuli, ein begehrter Schmuckstein, wird allgemein als typisch für Babylonien angesehen. Ob daraus allerdings zu entnehmen ist, dass Burnaburiasch doch in Babylon saß, erscheint mir fraglich; denn dass Kassiten, deren oberster Herr in Babylon residierte, Zugang zu diesem Mineral besaßen, halte ich für selbstverständlich.

Ein Werk habe ich in Angriff genommen, schreibt Burnaburiasch weiter (Brief Nr. 7), und darum an meinen Bruder geschrieben, er möge mir viel schönes Gold übersenden, dass ich es für mein Werk verwenden könne.

Diese Goldanforderungen sind nicht nur typisch für Burnaburiasch. Es waren aber die Lieferungen aus Ägypten nie ganz unproblematisch, wenn sie überhaupt erfolgten:

Das Gold aber, das mein Bruder übersenden wird, wolle mein Bruder keinem Beamten anvertrauen! Die Augen meines Bruders mögen zusehen, und mein Bruder möge versiegeln und es so übersenden! Weil mein Bruder das frühere Gold, das mein Bruder übersandte, nicht selbst besah, sondern ein Beamter meines Bruders es versiegelte und übersandte, so kam, als ich die 40 Minen Gold, die sie brachten, in den Schmelzofen legte, Vollwichtiges nicht hervor. Und was Salmu betrifft, meinen Boten, den ich dir geschickt habe, so hat man zweimal seine Karawane geplündert. Eine hat Biriamaza geplündert, seine andere Karawane hat Pamachu, Statthalter eines dir gehörenden Landes, das ein botmäßiges Land ist, geplündert. Wenn mein Bote vor meinen Bruder tritt, dann möge auch Salmu vor meinen Bruder treten. Seine ... möge man ihm zurückgeben, seinen Schaden möge man ihm ersetzen.

Aus der Formulierung "Statthalter eines dir gehörenden Landes" geht hervor, dass dieser Brief in die frühe Zeit A gehört, da Kanaan zu der Zeit B nicht mehr ägyptisch war. Ohne auf die in dem obigen Brief genannten Herren an dieser Stelle weiter einzugehen, kann ich sagen, dass diese Überfälle Teil des Freiheitskampfes der Kanaanäer waren. Die Verhältnisse in Syrien-Palästina waren zu dieser Zeit schon weitgehend anarchistisch. So richtete sich auch der 17. Feldzug des Manachpiria hauptsächlich gegen die aufsässigen Stadtfürsten und Aufrührer in Kanaan; denn die Rebellion in diesem Landstrich war hausgemacht. Sie ging nicht von den Chatti aus, sie versuchte sich aber ihrer zu bedienen.

Die Tatsache, dass die Karawanen durch Syrien-Palästina zogen, bedeutet ebenfalls nicht, dass Karduniasch Babylonien gewesen wäre; denn Karawanen waren zu Lande billiger als auf dem Seeweg. Piraterie gab es außerdem hier wie dort, und einen absolut sicheren Weg gab es ohnehin nicht.

Sehr gut erhalten ist der Brief Nr. 8 des Burnaburiasch an Napchuria. Auch hier wird die Freundschaft zwischen den Korrespondenten betont. In der Tat schwammen dem Kassiten die Felle weg, da er offensichtlich auf die Goldlieferungen aus Ägypten angewiesen war, während sich die Probleme zwischen beiden Ländern - nicht zuletzt wegen der Rebellen in Kanaan - auszuweiten begannen:

Ich und mein Bruder haben über gute Freundschaft miteinander geredet, und dieses haben wir gesprochen: Wie unsere Väter miteinander es waren, so wollen auch wir gute Freunde sein.

Kurigalzu-Tudhaliyas und Amenophis-Acheperure, die Väter der beiden Korrespondenten, sitzen beide noch auf ihren Thronen. Sie sind natürlich gute Freunde; denn sie waren während des zurückliegenden gemeinsamen Krieges gegen Nebukadrezzur Verbündete. Sie haben - wenn überhaupt - Kontakte auf einer höheren diplomatischen Ebene miteinander als auf der der Amarnakorrespondeten. Die neuerlichen Feindseligkeiten zwischen Chatti und Ägypten entstanden vermutlich erst aus der Verdrängung des Taharka aus der Thronfolge durch den Usurpator Manachpiria, also erst nach dem Tode des Acheperure. Weiter heißt es in Brief Nr. 8:

Jetzt waren meine Geschäftsleute, die mit Achutsabu hinaufzogen, in Kinachi (= Kanaan) zum Zwecke von Geschäften zurückgeblieben. Nachdem Achutsabu zu meinem Bruder weitergezogen war, haben in der Stadt Chinnatuni von Kinachi Schumadda, Sohn von Balumme, und Schutatna, Sohn von Scharatum von Akko, nachdem sie ihre Leute hingeschickt hatten, meine Geschäftsleute getötet und ihr Geld weggenommen ... Kinachi ist dein Land, und seine Könige sind deine Diener ... Bändige sie ... töte sie !

Schumadda ist Schimri (= Simri und S[ch]emer von Samaria), der Sohn des Bela-Machir (= Elpaal), des Sohnes von David, dem ersten dieses Namens. Schutatna oder Zatatna ist der Sohn des Scharatum oder Zurata von Akko, bzw. des Zereth, Schacharaim, Sacharja bzw. Aschchur der Bibel.

Was die Mentalität der Kassitenkönige von Karduniasch angeht, so ist der Brief Nr. 9 geradezu ein Lehrstück. Nach neuerlicher Beschwörung der Freundschaft ihrer Väter fährt Burnaburiasch fort:

Sie (unsere Väter) übersandten einander schöne Geschenke, und etwas Schönes, worum gebeten wurde, verweigerten sie einander nicht. Jetzt hat mein Bruder nur zwei Minen Gold zum Geschenk für mich übersandt. Jetzt aber: ist Gold in Menge vorhanden, so übersende soviel wie dein Vater! Wenn aber wenig vorhanden ist, so übersende die Hälfte von dem deines Vaters! Warum hast du nur 2 Minen Gold übersandt? Jetzt, da mein Werk im Gotteshause vielfach ist, und ich es stark in Angriff genommen habe und ausführe, übersende viel Gold! Auch du, wes immer du in meinem Lande bedarfst, schreibe doch, dass man es dir bringe.

Derartige Briefe sind in der modernen Diplomatie kaum zwischen einem Entwicklungsland und einem G8-Land denkbar, geschweige denn zwischen zwei weltbeherrschenden Großreichen. Burnaburiasch fährt nun mit dem wichtigen Hinweis fort, dass die Rebellen in Kinachi um Unterstützung durch die Chatti nachgesucht hätten:

ina Kurigalzu abia ...

So steht im Originaltext in Keilschrift-Aramäisch. Das Wort "ina" hat zwei verschiedene Bedeutungen. Einmal kann es als Präposition des Ortes auf die Frage "wohin?" antworten und ist in diesem Falle mit "ana" gleichbedeutend: "an, zu, nach". Es kann aber auch zeitlich verstanden werden und bedeutet dann "als". Im Glossar zu Knudtzons Amarnatafeln wird nun ausdrücklich obige Stelle als Ausnahme erwähnt, an der es "zur Zeit des" bedeuten soll. Diese Interpretation ist meines Erachtens unter der Prämisse gemacht worden, dass Kurigalzu, der Vater des Burnaburiasch, bereits verstorben sei, da ja der Sohn als der Nachfolger des Vaters "in Babylon" angesehen wird. Da dies jedoch nicht der Fall ist, so möchte ich die obige Stelle lieber in der üblichen Weise übersetzen, zumal sie für den Briefschreiber gegenwärtig und aktuell ist:

Zu meinem Vater Kurigalzu schickten die Kinachäer allesamt folgenden Bescheid:

"Zur Grenze deines Landes wollen wir hinüberziehen und mit dir in Verbindung treten."

Mein Vater schickte ihnen diesen Bescheid:

"Lasst es fahren, mit mir in Verbindung zu treten! Wenn ihr gegen den König von Ägypten, meinen Bruder, feindlich auftreten und mit einem anderen in Verbindung treten werdet, so gehe ich nicht mit. Sollte ich nicht vielmehr euch ausplündern? Denn er ist mit mir in einem Bündnisverhältnis."

Mein Vater hörte wegen deines Vaters nicht auf sie.

Wenn mit diesem Vorgehen der Rebellen aus Amurru-Kanaan nicht ein Ereignis gemeint sein soll, das die Jahre vor dem Naharinafeldzug (641/642 ndFl) betrifft, der von den Chatti und den Ägyptern schon aufgrund eines bestehenden Bündnisses gemeinsam abgewickelt wurde, sondern wenn es um ein erst kurze Zeit zurückliegendes geht, dann bedeutet dies, dass die Bündnistreue der Chatti bis in die Zeit A des Napchuria anhielt. Allerdings war dieses Bündnis nach dem Aleppo-Araïna-Zwischenfall (644 ndFl) wieder erneuert worden.

Der Brief Nr. 9 des Burnaburiasch an Napchuria liefert noch einen weiteren Aspekt, auf den hier eingegangen werden soll. Im Zusammenhang mit der Mitteilung über die Zurückweisung der Kanaanäer durch Kurigalzu schreibt Burnaburiasch:

Die Assyrer, Untertanen von mir (besser: von uns Kassiten), habe ich dir nicht geschickt, wie sie selbst berichtet haben. Warum sind sie in dein Land gekommen? Wenn du mich liebst, dann sollen sie irgendwelche (politischen) Geschäfte nicht machen. Mit leeren Händen lass sie nach Hause kommen!

Sollte sich genau dieser Vorgang in den Annalen Manachpirias widerspiegeln? Breasted schreibt5:

Im 38. Jahre finden wir ihn (Thutmosis III) auf seinem 13. Feldzuge im südlichen Libanongebiet, und sein nächster Zug (Eig.Anm.: 39. Jahr, 14. Feldzug, 648 ndFl) führte ihn von Südpalästina nach Syrien. Während er auf dem Marsche war, kamen ihm die Gesandten von Zypern und Arrapachitis mit Geschenken entgegen.

In den nächsten beiden Jahren (40. und 41.) scheint der Tribut regelmäßig eingelaufen zu sein, und wieder sandte der König von "Groß-Cheta" Geschenke, die Thutmosis wie früher unter den "Tributen" aufzählt.

Breasted meint, dass es sich bei den Tributen wohl eher um "Geschenke" handeln müsse, erst recht, wenn sie vom König von Groß-Cheta kommen. Zypern gehörte damals zu Ägypten, wie aus den Amarnabriefen hervorgeht. Aber wer kann der Herrscher von Arrapachitis gewesen sein, der Manachpiria eine Gesandtschaft mit "Geschenken" entgegensandte?

Wie ich weiter oben schon sagte, handelt es sich um den "Assyrer medischer Abkunft", um Adad-narari, der 649 ndFl von den Ägyptern im Einvernehmen mit den Chatti als Statthalter hier eingesetzt worden war. Dies geht aus dem Brief Nr. 51 hervor, den Addu-nirari (= Adad-narari) nach Achet-Aton schrieb. Adad-narari hatte ein enges Verhältnis zu Urartu-Arrapachitis, wo er im Exil gewesen war und eine Tochter gezeugt hatte.

Es handelt sich bei Arrapachitis um die ägyptischen Provinzen Punt-Kolchis = Welikuchi bzw. Bit-(A)Gusi (= Land der Ägypter), und wie ich ebenfalls weiter oben schon sagte, kann Arrapachitis auch Nuchasse bzw. Urartu sein. Es ist durchaus möglich, dass die Hauptstadt Nuchasses Aleppo war und von hier aus die ägyptischen Länder Irem (= Armenien) und Punt (= Kolchis = Welikuchi = We-Kiluchi?) verwaltet wurden.

Die Annahme, es handele sich bei der Erwähnung der assyrischen Gesandtschaft im Brief Nr. 9 des Burnaburiasch um die Geschenksendung aus Arrapachitis in den Feldzugsannalen des Thutmoses-Manachpiria, ist abwegig; denn Arrapachitis ist nicht Assyrien. Nuchasse-Arrapachitis ist eine Besitzung der Ägypter, von wo folglich Tribut (vielleicht wäre "Steuern" zutreffender) kommen muss.

Insofern waren die Geschenkübergaben an Manachpiria auf seinem 14. Feldzug im 39. Jahre, das ist 648 ndFl, ganz normale Tributablieferungen eines ägyptischen Landes. Es liegt nahe, dass ein ägyptisches Heer, das einem auch noch auf halbem Wege entgegenkommt, ein sicherer Ort ist, wo man Tribut abliefern kann. Mit der Gesandtschaft des Jahres 649 ndFl war etwas anderes verbunden:

Burnaburiasch nahm vermutlich auf eine diplomatische Mission des Assyrerkönigs Assur-Uballit im Jahre 649 ndFl Bezug, wie aus der chronologischen Einordnung der Feldzüge der Jahre 648-650 ndFl zu ermitteln ist. Möglicherweise steht diese assyrische Mission mit den Briefen des Assur-Uballit nach Achet-Aton (EA-Briefe Nrn. 15 und 16) im Zusammenhang, die weiter unten besprochen werden sollen.

Im Brief Nr. 10 beschwört Burnaburiasch die Zeiten des Karaïndasch. Es entsteht dabei der Eindruck, als sei dieser selbst König von Karduniasch-Meerland gewesen, was jedoch nicht zwingend ist; denn Karaïndasch müsste zu dieser Zeit immer noch in Sardes in Lydien residieren, wo er 641 ndFl eingesetzt worden war. Seit demselben Jahr saß Burnaburiasch-Arnuwandas, der Sohn des Ulamburiasch-Tudhaliyas, eines "guten Freundes" des Vaters von Napchuria-Taharka, nämlich des Sethos-Amenophis II, auf dem Thron von Karduniasch-Bithynien-Meerland. Seit dieser Zeit kämen Boten "von deinem Vater zu meinem Vater", das heißt, dass seit 641 ndFl der diplomatische Verkehr zwischen Ägypten und Chatti auch auf der höheren Ebene im gange war.

Desweiteren geht es in Brief Nr. 10 wieder um Gold, das so schlecht gewesen sei, dass aus den 20 Minen gelieferten Ausgangsmaterials nur ganze 5 Minen herauszuholen gewesen seien. Dann folgt wieder ein interessanter Hinweis:

... und was deine Tochter betrifft, weil ich vernommen habe, dass ihr alles fehlt, so habe ich ein Halsband aus Siegelrollen aus Lasurstein - 1048 ist ihre Anzahl - als Geschenk für sie übersandt.

Diese Tochter, die nur schwerlich armer Leute Kind gewesen sein kann, dem alles fehlte, war wohl eine Neugeborene, die noch nicht viel eigenen Schmuck besaß. Eine erwachsene oder größere Tochter kann Napchuria zu dieser Zeit auf gar keinen Fall gehabt haben. Er war selbst erst 20 Jahre alt.

Aus dem Brief Nr. 11 ist zu entnehmen, dass Amenophis II schon wieder auf Freiersfüßen geht:

Es kam von deinem Vater ein Geschrei. Chu'a, meinen Boten, und den Dolmetscher schickte er mit folgendem Bescheid:

"Die Königstochter, die (mein Bruder?) sich erbeten hat, haben sie nicht gebracht. Eine andere sollen sie bringen ... Dies sind die Worte ... jenes Weib ... an der Seuche ist sie gestorben."

Leider ist dieser Brief stark beschädigt. Man erkennt aber aus dem übrigen Text, dass Amenophis II Acheperure, um den es sich bei "deinem Vater" nur handeln kann, früher viel Gold an Kurigalzu geschickt hat. So fordert denn auch Burnaburiasch für sich erneut Gold an, damit er sein Werk bis zum Ende des Jahres zum Abschluss bringen kann. Worum es sich bei diesem Werk handelt, werde ich an anderer Stelle erklären.

Die Seuche ist nicht näher zu bestimmen; aber in diesem 7. nachsintflutlichen Jahrhundert trat mehrmals und an verschiedenen Orten die Pest auf. Sollte diese Seuche ihren Ausgang in Ägypten gehabt haben?

Die Briefe des Assur-Uballit

Da Assur-Uballit nach 659 ndFl für längere Zeit nicht mehr assyrischer König war (in besagtem Jahr wurde er von seinem Halbbruder Assurbanipal ins "Kloster" geschickt: als Sin-Priester nach Haran), so müssen seine Briefe in die Zeit A gehören; denn Napchuria kam erst frühestens 663 ndFl wieder nach Achet-Aton (Zeit B). Es ist auch nicht möglich, die Korrespondenz Assur-Uballits in die Zeit nach 689 ndFl zu verlegen, als er neuerlich König von Assur wurde, da Napchuria bereits im Jahre 677 ndFl verstarb.

Die konventionelle Annahme, der Brief Nr. 15 sei an den Vorgänger des Adressaten von Brief Nr. 16 gerichtet worden, beruht auf der Vorstellung, dass Nimmuria, der vermeintliche Empfänger von Brief Nr. 15, vor Napchuria, dem Empfänger von Brief Nr. 16, regiert habe. Das trifft zwar zum Teil zu, ist aber gerade im Falle des Assur-Uballit unzutreffend; denn der gehört noch in die Amtszeit A des Napchuria. Folglich kann der Brief Nr. 15 - wenn er tatsächlich an Nimmuria gerichtet gewesen sein sollte - nicht vor dem Brief Nr. 16 abgesandt worden sein. Ist der angeblich frühere Brief Nr. 15 aber tatsächlich an Nimmuria gerichtet? Die Anrede lautet nur An den König von Ägypten. Auch der Inhalt des Briefes lässt keinen Schluss zu, dass Nimmuria gemeint sein könnte:

(Brief Nr. 15) ... Meinen Boten habe ich dir geschickt, um dich und dein Land zu sehen. Was bisher mein Vater nicht geschickt hat, schicke ich dir jetzt: einen vortrefflichen Wagen, zwei Pferde und ein--- aus schönem Lasurstein ...

Tudhaliyas, der Vater des Assur-Uballit, hatte als Großkönig keinen Anlass, einem ägyptischen Provinzkönig irgendetwas zu schicken - es sei denn, es handelte sich um einen Nahestehenden, wie zum Beispiel um Napchuria-Taharka, den Sohn seines Bundesgenossen Sethos-Amenophis II Acheperure. Dem Sohn eines Heerführers, dem erst nach Ausbruch der Feindseligkeiten zwischen Chatti und Ägypten auf den Thron von Achet-Aton gekommenen Nimmuria, dem Sohn Manachpirias, war er nicht zu Geschenken verpflichtet. An diesen hätte auch Assur-Uballit kaum "etwas Schönes" gesandt. Ich bin daher fest davon überzeugt, dass der Brief Nr. 15 ebenfalls an Napchuria gerichtet ist.

Aus dem Schluss des Briefes könnte man auf die von Burnaburiasch in seinem Brief Nr. 9 an Napchuria angesprochene Gesandtschaft eines Assyrers schließen:

(Brief Nr. 15) Der Bote, den ich dir geschickt habe, um zu sehen, seine --- [möge] er sehen und dann gehen. Deinen Willen und den Willen deines Landes möge er sehen (erfahren) und dann gehen!

Diesen und den folgenden Brief Nr. 16 möchte ich ins Jahr 649 ndFl datieren. Napchuria, der zweifellos auch in Brief Nr. 15 gemeint ist, scheint noch nicht lange auf dem Thron von Achet-Aton zu sitzen: (Brief Nr. 16) Zu Napchuri- - [-, dem großen König,] König von Ägypten, meinem Bruder, h[at gesprochen] also Assur-Uballit, König von Assyrien, der große König, dein Bruder:

Es ist nicht erforderlich, aus der Formulierung "großer König von Assyrien" zu schließen, dass Assur-Uballit Großkönig von Assyrien und Chatti sein müsse. In dieser Position befand sich Assur-Uballit erst ab dem Jahre 656 ndFl, als eindeutig Nimmuria in Achet-Aton saß, an den der vorliegende Brief aber ebenso eindeutig nicht gerichtet ist. Vielmehr dürfte Assur-Uballit der Unterkönig seines Vaters Assur-nadin-ach = Tudhaliyas-Kurigalzu in Assyrien gewesen sein, der vermutlich der Königin Semiramis, seiner Mutter, an die Seite gestellt worden war, nachdem Adad-narari nach Nuchasse gegangen war. Der Brief Nr. 16 fährt fort:

Nachdem ich deine Boten gesehen habe, bin ich sehr froh... Einen schönen Königswagen ... und zwei weiße Pferde ... habe ich dir zum Geschenk für dich übersandt. ... Gold ist in deinem Lande wie Staub... Einen neuen Palast will ich bauen. Gold, soviel, wie es seine Bekleidung erfordert, und sein Bedarf ist, übersende du!

Zu der Zeit, als Assur-nadin-ache, mein Vater, nach Ägypten hinschickte, dann übersandten sie ihm 20 Talente Gold. ... Zu der Zeit, als der channigalbatäische König zu deinem Vater nach Ägypten schickte, übersandte er ihm 20 Talente Gold ... Wenn gute Freundschaft aufrichtig deine Absicht ist, so übersende viel Gold...

Will Assur-Uballit seinen Briefpartner für dumm verkaufen? Damals war Krieg, und die Ägypter sorgten dafür, dass die Bundesgenossen in Chatti stark waren. Warum in aller Welt sollte der ägyptische Vizekönig in Achet-Aton noch Gold an die Assyrer schicken? War diese Bettelei für die Mittel zum Bau des Palastes in Assur der ganze Grund für die von Burnaburiasch gerügte Gesandtschaft? Bei dem Palast, den Assur-Uballit bauen will, handelt es sich sehr wahrscheinlich um das Kronprinzenpalais des Assur-ilu-muballitsu (= Assur-Uballit), das von Walter Andrae ausgegraben und beschrieben worden ist6.

Der channigalbatäische König, der Meder- bzw. Mitannikönig Astyages nämlich, der vor dem Ende des Krieges noch in der Stadt Ekbatana (= Channigalbat) residierte, hatte selbstverständlich aus demselben Grunde wie der Vater des Assur-Uballit von Acheperure Gold bekommen. Der Rest des Briefes Nr. 16 ist etwas beschädigt und nur schwer zu interpretieren. Es geht aber auch hier wieder um Boten, also offenbar um die Gesandtschaft, die von Burnaburiasch reklamiert wurde. Möglicherweise hatte dessen Drohung gewirkt; denn es scheint, als hielte der Ägypter die Boten fest.

Auf Napchuria folgte in Achet-Aton zunächst Schabaka, der "König des Kampfes", und nach ihm kam sein Sohn Schabataka dort auf den Thron, der Enkel des Manachpiria, an welchen Adad-narari schrieb (Brief Nr. 51). Nach der Ausschaltung Napchuria-Taharkas von der Thronfolge durch Manachpiria wurde auch Schabataka aus Achet-Aton abgezogen, wo jetzt Nimmuria, der Sohn des neuen Pharaos Thutmoses IV Men-cheperu-Re, des vormaligen Feldherrn Manachpiria, auf den Thron kam. Erst nach dem Tode des Manachpiria (663 ndFl) oder dessen Sohnes und Nachfolgers, des Pharaos Amenophis III Neb-maat-Re (Nimmuria) = Ramses VI (663-669 ndFl), kam Napchuria-Taharka zum zweiten Mal nach Achet-Aton (zu seiner Amtszeit B).

Der Briefverkehr zwischen Chatti-Karduniasch und Medien einerseits und Ägypten andererseits begann erst wieder unter Nimmuria, nachdem sich die Wogen des Krieges geglättet hatten. Die Briefe an Nimmuria, soweit es sich nicht um solche handelt, die aus den ägyptischen Provinzen in Amurru-Phönizien-Kanaan an ihn gerichtet wurden, sollen in den folgenden Kapiteln besprochen werden. An erster Stelle steht hier der Daskylier Kadaschman-Charbe, der schon 656 ndFl ermordet wurde, so dass seine Briefe zwischen 652 (frühestens) und 656 ndFl einzuordnen sind.

Nimrud und Suppiluliumas

Auf Assyrien werde ich in späteren Kapiteln noch ausführlich eingehen. Zunächst ist festzuhalten, dass nach dem Tode des Nebukadrezzur die Astyages-Tochter Semiramis in Assur regierte, und zwar bis zu ihrem Tode im Jahre 652 ndFl. Nachdem Adad-narari, ihr Sohn und zeitweiliger Mitregent, 649 ndFl als Statthalter des Landes Nuchasse in Aleppo eingesetzt worden war, hatte Mursilis-Tudhaliyas seinen und der Semiramis Sohn Assur-Uballit zum Mitregenten von dessen Mutter bestimmt.

Spätestens im Jahre 649 ndFl holte Mursilis-Tudhaliyas den Chus-Sohn Arioch-Nimrud der Semiramis aus Uruk herbei und setzte ihn in der assyrischen Garnisonsstadt Kalach ein, das von jetzt an auch den Namen "Nimrud" führte; denn aus dem Arioch, Zariku bzw. Arik-den-ilu wurde fortan Tukulti-Ninurta, und zwar "Tukulti" nach seinem Vater Takelotis, welcher Name zu Ches-cha-nak = Chus-Scheschonk gehört, und "Ninurta" nach dem gleichnamigen sumerischen Kriegsgott, den er in Uruk kennengelernt haben dürfte. Aus Ninurta wurde im AT der Name Nimrud. Er fügte seinem Namen noch die "frisierte" Herkunftsangabe apil-escharra bzw. apalekur hinzu, also Sohn des Enlil-Tempels zu Nippur, womit er auf seinen Adoptivvater Samsi-Adad als eigentlichen Vater hinzuweisen gedachte. Bekanntlich hatte sich dieser Herrscher um den Enlil-Tempel zu Nippur in Südmesopotamien sehr verdient gemacht. Der richtige Vater des Nimrud war bekanntlich Chus-Sesostris, den er aber stets verleugnete. Seine Annalen hat er vermutlich erst später unter seinem Namen Tukulti-Ninurta aufgezeichnet.

Aus dem Namen:               Tukulti-Ninurta apil escharra
entstand der Name:           Tig-lath-        Pil-eser,
wie er im AT verwendet wird.

Der neue Mann, dessen Feldherrn-Annalen zurückreichen bis ins Jahr 641 ndFl, übernahm jetzt gemeinsam mit seinem ältesten Sohn Schalmanu ascharidu (Salmanassar-Asarhaddon) die Heeresführung, und zwar zunächst noch im Dienste des Oberherrn Kurigalzu und dessen Sohnes Suppiluliumas.

Der Sohn Salmanassar begann seine Annalen natürlich erst jetzt im Jahre 649 ndFl. Dieses Jahr war in vielfältiger Hinsicht ein Jahr des Neubeginns. Im Jahre 649 ndFl betrat nämlich auch Suppiluliumas, der Sohn des Tudhaliyas mit der Mandane-Nikalmati, die politische Bühne als Generalstabschef seines Vaters. Noch unter der Statthalterschaft der Semiramis über Assyrien, als deren Sohn Adad-narari ebenfalls noch in Assur wohnte, war er Stadtgouverneur von Kalach gewesen, wo sich ab jetzt die Garnison der Assyrer befand. Seine Anwesenheit hier und in dieser Funktion ist aus dort gefundenen Inschriften zu schließen, die von Beltarsi-ilumma verfasst wurden, den ich für den jungen Suppiluliumas halte: Bel-tarsi = Teschub-ilumma also Schubbiluliuma (dies ist sein Name in den Amarnabriefen).

Eine hiëroglyphen-hethitisch geschriebene Königskartusche des Suppiluliumas enthält hinter dem Zeichen für seinen Namen die Zusätze: Vater Tudhaliyas, Großvater Hattusilis, Vater Tudhaliyas. Obwohl es eine hethitische Hieroglyphe für "Urgroßvater" gibt, hat man den zweiten Zusatz "Vater Tudhaliyas" auf Hattusilis bezogen, so dass ein zweiter Tudhaliyas als Vater des Hattusilis bzw. Urgroßvater des Suppiluliumas in die konventionelle Geschichte Einzug gehalten hat. Bereitwillig, um die überflüssigen Jahre der konventionellen Chronologie ausfüllen zu können, griff man diese offenkundige Unlogik auf; denn entweder müsste es

Suppiluliumas,
Vater Tudhaliyas,
Großvater Hattusilis,
Urgroßvater Tudhaliyas;

lauten, oder es müsste heißen:

Suppiluliumas,
Vater Tudhaliyas,
Vater Hattusilis,
Vater Tudhaliyas.

Nur in diesen beiden Fällen wäre sichergestellt, dass es einen zweiten Tudhaliyas gab. In der vorliegenden Form ist nicht zu lesen:

Suppiluliumas,
(sein) Vater Tudhaliyas (II),
(sein) Großvater Hattusilis,
dessen Vater Tudhaliyas (I),

Sondern es muss akzeptiert werden, dass der Vatername Tudhaliyas zweimal aufgeführt worden ist. Diese Wiederholung wird dadurch zwar nicht plausibel, aber einen zweiten Tudhaliyas als Urgroßvater fordert die Logik der Zeichen auch nicht. Der Name des Urgroßvaters müsste Labarnas lauten. Labarnas wird zu den großen Hethiterkönigen gezählt, als erster "Vater des Reiches", und war tatsächlich auch konventionell ein Vorgänger des Hattusilis (I). Wie wir schon wissen, war Labarna-Sarduri oder Perseus-Achaimenes der Vater des Hattusilis.

Es ist möglich, dass der Pharao Amenophis II, der Freund des Tudhaliyas wie der Chatti und Meder überhaupt, wegen einer Krankheit seinen Sohn Taharka-Napchuria nach Theben holte und an seiner Statt den verdienten Heerführer Thuti = Dudu (EA-Briefe) = Didumes-Schabaka in Achet-Aton einsetzte. Diese Veränderungen können aber auch schon Machenschaften des auf den Pharaonenthron schielenden und ebenso verdienten wie ehrgeizigen Oberfeldherrn Manachpiria gewesen sein. Ob hierdurch eine Missstimmung zwischen Chatti und Ägypten aufkam, die zu neuen Kampfhandlungen führte, ist wenig wahrscheinlich, wenn man sich die Amarnabriefe dieser Jahre ansieht, in denen eine friedliche Grundstimmung vorherrscht. Warum aber schickte der Oberbefehlshaber Suppiluliumas seine assyrischen Feldherren Tiglath-Pileser = Tukulti-Ninurta und Salmanassar im Jahre 649 ndFl gegen Urartu?

Weiter oben hatte ich schon Breasted zitiert: In den nächsten beiden Jahren (40. und 41.; Eig.Anm.: 649 und 650 ndFl) scheint der Tribut regelmäßig eingelaufen zu sein, und wieder sandte der König von "Groß-Cheta" Geschenke, die Thutmosis wie früher unter den "Tributen" aufzählt.

Daraus ergibt sich die Antwort fast wie von selbst: Die Chatti und ihre assyrischen Heerführer sorgten dafür, dass diese "Geschenke" regelmäßig von den Urartäern gezahlt wurden, und wenn diese sich querstellten, dann hagelte es Prügel in Form von furchtbaren Strafexpeditionen, derer sich die Herren Tukulti-Ninurta und Salmanassar in allen Einzelheiten rühmten.

Für die in Rede stehende Zeit von 642 bis 656 ndFl ist die Tatsache wichtig, dass Assyrien in den ersten Jahren als selbständiges Staatsgebilde noch nicht existiert; es ist bis 653 ndFl ein Teil des hethitischen Staates Groß-Cheta, zu dem allerdings der ehemals medische Landesteil Nuchasse nicht mehr gehört.

Assyrien und Urartu

Alle in diesem Kapitel über Ägypten, Babylonien, Chatti, Assyrien und Mitanni-Medien angesprochenen Ereignisse finden ihren Niederschlag auch in der Geschichte Urartus. Das ist insofern verständlich, als dieses Land Parsumasch eine größere Bedeutung für die Geschichte des Vorderen Orients hatte, als lange Zeit angenommen wurde. Schließlich war es die Wiege des zweiten Perserreiches (des Kyros II) wie des dritten (ab Darius I).

Manachpiria hatte 643 ndFl einen Sohn des Irem (= Aramu) mit nach Ägypten genommen. Solche Kindesentziehungen wurden als Möglichkeit hingestellt, den jungen Prinzen ägyptische Bildung und Lebensart zu vermitteln - in erster Linie waren es schlichte Geiselnahmen. Aramu verhielt sich daher auch mit Rücksicht auf seinen Sohn zunächst ägyptentreu. Was aus diesem Sohn nach 649 ndFl in Ägypten wurde, bleibt ungewiss.

Die Tochter des Aramu-Ariaramnes hatte in der Zeit, als Astyages, Semiramis, Arioch-Nimrud und Adad-narari hier im Exil waren, den letzteren geheiratet oder möglicherweise eine außereheliche Tochter von ihm bekommen. Diese bekam 648 ndFl von Tiglath-Pileser einen Sohn, der - nach seinen eigenen Worten - "in den Bergen", also im Bergland Ararat-Urartu, geboren wurde. Er war der spätere assyrische Großkönig Assurnasirpal, der sich - wie sein akkadisches Vorbild Sargon I - den Namen Scharukin bzw. Sin-schar-ischkun zulegte und der daher konventionell auch als Sargon II bezeichnet wird. Dies alles wird in einem späteren Kapitel noch eingehend besprochen werden.

Die Abstammung des Assurnasirpal
Samsi-Adad oo Semiramis Aramu-Menua = Ariyaramnes
| | |
Adad-narari ------ oo ----- Tochter Arsames
* ca. 615 ndFl * ca. 620 ndFl * ca. 600 ndFl
|   |
Tochter ---------- oo ----- Tukulti-Ninurta Hystaspes
* ca. 634 ndFl = Sanherib * ca. 628 ndFl
  * 606 ndFl |
  | |
  Assurnasirpal Darius I
  = Schar-ukin * 654 ndFl
  * ca. 648 ndFl  
 


Die Frau, die von Adad-narari die Tochter empfangen hatte, die dann die Mutter Assurnasirpals wurde, war demnach eine Tante des Hystaspes = Vischtaschpu, Kuschtaschpi, und dieser ein Onkel zweiten Grades des Scharukin-Assurnasirpal. Im Grunde genommen waren sie alle miteinander verwandt; denn es gab nur die eine Dynastenfamilie, die von Adam I = Iluschuma abstammte, dem Stammvater aller "Menschen" im Sinne von "Adligen". Insofern ist auch der Stimmungswechsel in den Beziehungen der Familienmitglieder untereinander eher erklärbar, als wenn es sich jedesmal um völlig fremde Völker gehandelt hätte.

So muss sich nach der Niederlage der Brüder Ariaramnes (= Aramu-Menua-Erimena) und Sarduri (II), den Söhnen des Teispes-Ischpuini, gegen die Assyrer in den Jahren 649 und 651 ndFl genauso wie nach der Kriegszeit 641/642 ndFl zwischen Urartäern und Assyrern ebenfalls wieder ein besseres Verhältnis ergeben haben. In der friedlichen Zeit nach 642 ndFl fand die Eheschließung (wenn es denn dazu gekommen sein sollte) Tiglath-Pilesers mit der Enkelin des Aramu statt, und nach der zweiten Kriegszeit 649/651 ndFl wurde Hystaspes, der Sohn des Arsames, in Kommagene eingesetzt, wo sein Vater vorher selbst residiert hatte, bevor er in Urartu (Bit-Gusi) eingesetzt wurde. Der Sohn Darius des Hystaspes wurde bereits im Jahre 654 ndFl geboren, und zwar - wie wir jetzt erkennen können - in Kommagene.

Nachfolger des Aramu von Bit-Gusi (= Ariaramanu, Erimena, Menua oder auch Ariyaramnes), der noch bis 654 ndFl Tribut an die Assyrer gezahlt hatte, wurde vermutlich noch im selben Jahr sein Sohn Rusa (= Urasi, Arsames, Arschama), der schon im Jahr 653 ndFl in den assyrischen Tributlisten als Uassurme von Tabal (= Tubal-Mesech, Parsu-Masch, Armenien) erscheint. Er war vorher in Kommagene König gewesen, in demselben Land, das sein Sohn Hystaspes-Kuschtaschpi jetzt als assyrischer Vasall verwaltete.

Im Buch VI dieses Bandes, im 3. Kapitel, in dem die Zeit der Medo-Perser bis zum Jahre 642 ndFl besprochen wurde, habe ich bereits die Entstehung des Staatsgebildes Urartu (Horhor-Chronik) beschrieben. Die Vorgeschichte dieses von Perseus-Sarduri-Achaimenes in die Geschichte zurückgeholten Heimatlandes der Tubal-Mesech von Parsu-Masch ist sehr ausführlich in früheren Kapiteln schon besprochen worden. In konventioneller Sicht scheint Urartu außenpolitisch fast ausschließlich mit Assyrien beschäftigt zu sein. In der Tat erscheinen die Urartäer hauptsächlich in assyrischen Inschriften, die auch die Namen der urartäischen Könige nennen, bedauerlicherweise aber nicht die Namen von deren Vätern oder Großvätern, was bei der weitgehenden Namensgleichheit der Urartäerkönige zu Verwechslungen führen kann - und auch geführt hat.

Letzte Fassung: 17.3.2012

 


 

5 Breasted, Geschichte Ägyptens, Seite 192
6 Walter Andrae, Das wiedererstandene Assur, C.H. Beck'sche Verlagsbuchhandlung (Oscar Beck), München 1977, Seiten 48 und 228.

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