Siebtes Buch: 642 bis 656 ndFl
1. Kapitel:
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Die Medo-Perser
Teil III: Vorderasien von 642 bis 656 ndFl
(5. Teil)
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Die Briefe des Akizzi von Katna
Akizzi von Katna ist der Zeitgenosse Achis von Gath (auch Gad geschrieben) von David und Salomo im AT (1. Sam. 21, 10-14; 27, 2-12; 1. Kön. 2, 39.40) Seine Briefe, die Nrn. 52-55, enthalten ausführliche Lageberichte. Die Briefe mit den Nummern 52 und 54 sind nicht namentlich an Nimmuria gerichtet, so dass sie ebensogut an einen anderen Gaukönig in Achet-Aton geschrieben worden sein können. Ohnehin geht aus dem Brief Nr. 52 nicht viel hervor, da er sehr stark beschädigt ist.
Der Brief Nr. 53 des Akizzi von Katna ist der erste in der Phase des Amka-Überfalls, der an Nammuria (= Nimmuria) gerichtet ist (deutlich ist nur N--m---a zu lesen). Er ist zwar keineswegs in bestem Zustand, doch schar matucha-a-te (= König von Chatti) ist sehr deutlich lesen. Auch ist der Name Aitugama mehrmals erkennbar. Das Land des Addu wird erwähnt (Nuchasche unter Addu-nirari?). Der König von Chatti, so schreibt Akizzi, sei gegen ihn ausgezogen und bedrohe ihn und seine Stadt, die dem Pharao gehöre. Aitugama sei mit dem Chattikönig im Bunde und fordere ihn, Akizzi, einen treuen Diener des Pharao, auf, ebenfalls ins Lager der Chatti überzuwechseln. Soweit es der schlecht erhaltene Text zulässt, ist zu erkennen, dass auch mit dem Lande Ube etwas geschehen sein muss; denn Aitugama soll aus dem Hause Namiawazas, des ägyptentreuen Statthalters von Ube, Silber und anderes geraubt haben. Auch Teuwatti von Lapana (= David II, Zeitgenosse und Gefolgsmann des Achis von Gath in 1. Sam. 21;27) und Arzawija von Ruchizzi (= Arza von Rizzia = Tirza aus 1. Kön. 16,9) hätten sich daran beteiligt. Der Brief Nr. 53 fährt fort:
O Herr, so wie ich den König, meinen Herrn, liebe, so auch der König von Nuchasse, der König von Nii, der König von Zinzar, der König von Tunanat; ja diese Könige alle sind meinem Herrn dienstbar - auch wenn ihre Länder teilweise schon nicht mehr in ägyptischer Hand sind.
Das Land Nii war das Nachbarland von Aleppo-Nuchasse; denn die Stadt Nii lag mit Sicherheit am Euphrat. Hier hatten sich 642 ndFl die Verbündeten, die Nebukadrezzur besiegt hatten, zu einer grandiosen Siegesfeier getroffen. Nimrud, der "große Jäger vor dem Herrn", lud die Großen hier zur Jagd ein (vgl. dazu das Kapitel Die Feldzüge Manachpirias 631-642 ndFl). Zur geografischen Lage des Landes Tunanat lässt sich nicht viel sagen. Man vermutet, dass es sich um eine Küstengegend nördlich von Phönizien handelt. Außerdem ist die Lesung des Namens umstritten (sollte Kinanat gelesen werden?). Zinzar, das wie Tunanat ausschließlich in dem Akizzi-Brief Nr. 53 erwähnt wird, soll das Gebiet um die nordwestlich von Hamath (im heutigen Libanon) gelegene Stadt gleichen Namens gewesen sein, die heute Kal'at Seidjar heißt. Aber auch das sind nur Vermutungen, die jedoch alle in die Richtung weisen, dass die Länder Nuchasse, Nii, Tunanat, Zinzar, Mu---chi (= Muschichuna?), Abina (= Abi, Ube, Hoba, die Gegend um Damaskus) und das Land Amka das nördlich von Palästina gelegene Gebiet bis zum Euphrat ausfüllten. Unter diesen Ländern befand sich auch das Land Katna (= Gad, Gath-Rimmon) des Akizzi = Achis von Gath.
Nimmuria war noch nicht im Amt, als der König Addu-nirari von Nuchasse noch in seinem Land war. Da die Situation, aus der heraus die Briefe des Akizzi von Katna geschrieben worden sind, keinesfalls mehr zulässt, dass sich Nuchasse und die anderen von Akizzi erwähnten Länder in ägyptischer Hand befinden, so muss der Rückhalt, den Akizzi bei den Königen dieser Länder zu haben vorgibt, moralisch gesehen werden. Es ist daher davon auszugehen, dass sich die von Akizzi erwähnten Könige alle bei ihm eingefunden haben, weil sie sich auf der Flucht vor dem Chattiheer befinden, und man tröstet sich gegenseitig. Der Brief Nr. 53 gehört folglich eindeutig in das Jahr 652 ndFl, und zwar kurz vor den Amka-Überfall.
Feldtruppen werden angefordert, sollen aber angeblich von den Ägyptern nicht ausgesandt werden. Furcht breitet sich in Syrien-Kanaan aus; man fühlt sich von den in Thronfolgequerelen befangenen Ägyptern allein gelassen:
Wenn der König (gemeint ist Nimmuria, der Unterkönig in Achet-Aton), mein Herr, will, so zieht er aus. Es wird aber gesagt, dass der König, mein Herr, nicht auszieht.
Das ägyptische Heer scheint ausgeblieben zu sein. Nimmuria war kein großer Feldherr wie sein Vater Manachpiria, der seinerseits mit Thronstreitigkeiten in seinem eigenen Land befasst war. Nimmuria hatte deshalb überhaupt kein Heer zur Verfügung, so dass alle Hilferufe aus Amurru-Kanaan bei ihm notgedrungen auf taube Ohren stießen. Eine andere Erklärung kann es für diese Untätigkeit der Ägypter, die kurz vorher noch erbarmungslos Jahr für Jahr die gegen sie gerichteten Umtriebe niedergeschlagen hatten, nicht geben.
Diese ägyptische Gleichgültigkeit gegenüber den in den Briefen beschriebenen Bedrohungen musste bei den Stadtfürsten in Kanaan nach allem, was sie in den Jahren zuvor erlebt hatten, auf Unverständnis und Ratlosigkeit stoßen:
O Herr, wenn Arzawija von Ruchizzi und Teuwatti von Lapana im Lande Ube bleiben, und Dascha im Lande Amka bleibt, so möge mein Herr wissen, dass das Land Ube nicht mehr meinem Herrn gehört. Täglich schicken sie an Aitugama hin und sprechen so: Komm doch und nimm Ube ganz!
Damaskus, die Hauptstadt des Landes Ube (= Abi, Abina), war zu diesem Zeitpunkt offenbar noch nicht gefallen, was allerdings im Widerspruch zu den Plünderungen des Hauses des Namiawaza zu stehen scheint. Doch dessen Haus kann außerhalb der Stadt gestanden haben. Akizzi sagt jedenfalls, dass seine Stadt ebenso treu zu Ägypten halte wie Timaschgi (= Damaskus) im Lande Ube. Teuwatti und Arzawija hatten im Lande Ube noch etwas vor, wie wir weiter unten sehen werden.
Und wenn "Dascha (= Biridaschwa?) bleibt/sitzt im Lande Amki", dann ist auch der Rest des Landes für den ägyptischen König nicht mehr zu retten. Daraus folgert, dass Dascha kein ägyptentreuer Fürst ist. Sollte es sich bei ihm um Biridaschwa handeln, einen mutmaßlichen Sohn des Schutarna und Bruder des Aitugama, dann war er auf die Seite der Feinde Ägyptens übergetreten; denn kurz zuvor war Biridaschwa noch ägyptentreu gewesen.
Noch an den Manachpiria-Enkel Schabataka hatte Addu-nirari seinen Amarnabrief (Nr. 51) gerichtet, während Akizzi von Katna schon an den Manachpiria-Sohn Nimmuria schreibt.
Der Brief Nr. 54 des Akizzi von Katna ist wieder stark beschädigt. Es sind Hinweise erkennbar, dass in Mitanni drei oder vier Könige dem König von Chatti feind sind. Diese gehören mit Sicherheit zu dem Kreis um Tuschratta, der auch Sarrupsi bedrängt hatte. Im selben Brief Nr. 54 ist der Name der Stadt Gargamis (Karkemisch) zu erkennen, was auf die Angabe des Mursilis II hindeutet, sein Vater habe sich zu der Zeit des Amka-Überfalles in Karkemisch (hethitische Garnisonsstadt) aufgehalten.
Genaueres gibt der Brief Nr. 55 preis, der eindeutig an Nimmuria gerichtet ist. Überraschend ist in der Einleitung dieses Briefes die Formulierung:
Seit meine Väter deinen Dienern gehören, ist dieses Land dein Land, Katna deine Stadt und ich bin meinem Herrn gehörig.
Der Vater des Akizzi = Achis von Gath war auch der Vater der Abigail (= Gulate), der letzten Frau David-Hezrons, nämlich Maoch von Gilead. Es ist nicht bekannt, dass der Vater Maochs dem Pharao untertan war; von Maoch selbst ist dies indes anzunehmen, da ganz Israel nach dem Tode Davids in die Hände der Ägypter fiel. Da die Herrschaft über Edom bzw. Kanaan in der Folgezeit ständig zwischen Ägypten und Amurru-Babylon wechselte, lässt sich nicht sagen, wie sich dieser Wechsel personell in Katna ausgewirkt hat. Es kann sich bei der obigen Formulierung natürlich auch um reine Schmeichelei handeln. Wichtiger ist der folgende Absatz:
O Herr, als die Krieger und die Wagen des Herrn kamen, wurden Speisen (usw.) ... vor die Krieger und Wagen meines Herrn hinausgebracht ... O Herr, vor deine Krieger und vor deine Waffen werden die ganzen Länder (Eig.Anm.: Kanaans) sich zu Boden werfen, wenn mein Herr diese Länder zu seinem Lande nimmt. Es möge aber noch in diesem Jahr mein Herr seine Wagen entsenden, und sie kommen, damit das ganze Land Nuchasse meinem Herrn gehöre ... Denn schon sechs Tage hat Azira im Lande ... gestanden, und er wird alle Länder nehmen. Wenn aber die Krieger und die Wagen meines Herrn nicht ausziehen, so werden sie (Eig.Anm.: die Länder Kanaans) sich vor Azira zu Boden werfen.
Dieser Brief Nr. 55 zeigt eindeutig an, dass sich Aziru noch zu der Zeit, als Nimmuria schon in Achet-Aton saß, ägyptenfeindlich in Amurru-Kanaan auftrat. Es ist höchste Eile geboten für das ägyptische Heer. Es sollte möglichst noch in diesem Jahr (652 ndFl) kommen. Schon der Brief Nr. 53 hat erwähnt, dass Amka in der Hand des Dascha sei. Das muss aber nicht bedeuten, dass es auch schon in der Hand der Chatti war. Der Überfall der Chatti auf Amka fand mit größter Wahrscheinlichkeit erst zu einem Zeitpunkt statt, als sich Aziru bereits in ägyptischem Gewahrsam befand.
Der Brief lässt sogar erkennen, wie aus dem weiteren Text hervorgeht, dass Azira (= Aziru) Gefangene gemacht habe und für sie Lösegeld verlange, das der König bereitstellen möge. Katna sei nun unmittelbar bedroht.
Der Brief Nr. 55 des Akizzi endet mit der Beschwörung des Sonnengottes als des gemeinsamen Gottes von Katna und von Ägypten. In Katna (= Gath-Rimmon) stand ein altes Sonnenheiligtum, vielleicht sogar schon seit der Zeit des Horiter-Gottes Hor, der auch für die Ägypter ein Uraltgott aus der prädynastischen Zeit war. Der von Akizzi angerufene Sonnengott seines Vaters ist allerdings weder Amun-Re noch Horus, sondern der Sonnengott Hephaistos-Schiuini = Helios der Ariervölker.
Aus hethitischen Texten geht hervor, dass Suppiluliumas die Stadt Katna im unmittelbaren Anschluss an seine Unternehmungen gegen Aleppo, Nii und Arachti in Besitz nahm. Nii wird auch von Akizzi in einem Atemzug genannt (Brief Nr. 53) mit den Ländern Nuchasse, Zinzar und Tunanat. Beide Briefe, die Nrn. 53 und 55, sind an Nimmuria gerichtet. Das bedeutet nicht unbedingt, dass sie erst nach dem Amka-Überfall abgefasst worden sind; denn der Überfall auf das Land Amka, das biblische Abel-Beth-Maacha (die heutige Bekaa-Ebene), fand sehr wahrscheinlich erst unter Nimmuria statt, so dass die Akizzi-Briefe an ihn noch vor dem Überfall geschrieben worden sein können. Auch kann Aziru erst nach diesen Briefen an Ägypten ausgeliefert worden sein.
Zweiter Aleppo- und Abina-Zug des Suppiluliumas (652 ndFl)
Die Chatti mussten sich noch vor dem Einfall in das Land Abina (Damaskus) dem Aufstand der Mitanni-Meder stellen. Tuschratta, der Mitannikönig, war gegen Sarrupsi vorgegangen, der sich daraufhin an die Chatti um Hilfe wandte. Nur kurze Zeit später war die Unbotmäßigkeit der Meder noch größer geworden und hatte nun auch Nuchasse ergriffen, wo sich Sarrupsi unglücklicherweise zum Abfall von den Chatti hatte überreden lassen.
Assur-Uballit (I), der König von Assyrien (konventionell 1380-1340 v.Chr.), besiegte die Mitanni. Er ist in dieser Sicht ein Zeitgenosse von Suppiluliumas I. Ein gemeinsames Vorgehen der Halbbrüder ist zu diesem Zeitpunkt absolut logisch. Suppiluliumas schildert seinen daran anschließenden zweiten Zug gegen Aleppo (entweder noch Ende 651 oder schon Anfang 652 ndFl) mit folgenden Worten:
Als ich nach Nuchasse zog, habe ich alle Provinzen genommen, Sarrupsi entwich, seine Mutter, Brüder und Söhne nahm ich mit und brachte sie nach Chatti..., den Diener Sarrupsis, über die Stadt (Eig.Anm.: gemeint ist wohl Aleppo) als König setzte ich und zog nach Abina.
Man erkennt, dass es sich um den späteren Aleppo-Zug des Suppiluliumas handelt. Mit dem König von Nuchasse meint er jetzt nicht mehr Adad-narari, sondern zweifellos Sarrupsi, den er erst wenige Monate zuvor in Aleppo eingesetzt hat, und mit dessen Diener und Nachfolger Teti. Er ist der neue Vertragspartner der Chatti.
Addu-nirari = Adad-narari erneuerte seinen Vertrag, den er schon unter dem Pharao Amenophis Acheperure mit dem König von Unterägypten und Feldherrn Manachpiria abgeschlossen hatte, nach dessen Thronbesteigung als Pharao mit dem neuen König von Unterägypten, mit Nimmuria = Neb-maat-Re von Ägypten, dem Nachfolger des Adressaten von Brief Nr. 51. Dieser Vertrag wird konventionell als Vertrag des Assurnirari V mit Mati-ilu von Agusi ausgewiesen. Zu der konventionellen Zeit des Assur-nirari V (754-745 v.Chr.), der natürlich mit Addu-nirari = Adad-narari identisch ist, herrscht in Ägypten der "Osorkon-Wirrwarr", und von einem Mati-ilu (= Maat-Re) ist hier weit und breit keine Spur.
Suppiluliumas zog von Aleppo weiter nach Abina, das heißt in die Gegend um Damaskus: Nach Abina zog ich ... Wegen der Unbotmäßigkeit des Königs von Nuchasse habe ich alle diese Länder in einem Jahr (652 ndFl) geplündert und sie nach Chatti gebracht. Vom Berge Niblani, vom (Ufer) des Euphrat (an), habe ich sie zu meinem Gebiet gemacht.
Das Land Abina wird auch Land Ube, Abi oder Hoba (1. Mose 14) genannt. Auf seinem Zug dorthin konnte Suppiluliumas sich noch auf die medisch-mitannische Unterstützung durch seinen Statthalter Aitugama verlassen. Offenbar wollte er den ägyptentreuen Namiawaza, einen Bruder des von Ägypten abgefallenen Aitugama, in Damaskus durch einen Statthalter ersetzen, der chattihörig war. Das hätte Aitugama gewesen sein können; aber es wurde jemand anderer. Zu Anfang lief alles programmgemäß, doch dann muss etwas geschehen sein, was die Harmonie störte. Suppiluliumas musste von Abina aus gegen Kinza-Kadesch ziehen, was ursprünglich nicht in seiner Absicht gestanden hatte. Was war geschehen?
Aitugamas Vater Schutarna stachelte seinen Sohn in Kinza (= Kadesch) gegen die Chatti auf. Ich vermute, dass dies eher mit dem gewiss nicht sehr zimperlichen Vorgehen des Suppiluliumas gegen Namiawaza, den Sohn des Schutarna, zu tun gehabt haben könnte, als mit dem Mitanni-Feldzug des Assur-Uballit gegen Schutarnas Sohn Tuschratta. Die Herren Schutarna und Aitugama griffen Suppiluliumas an und wurden besiegt. Suppiluliumas brachte Vater und Sohn nach Chatti-Land (Hattusas), wo sie gewiss ins Gefängnis geworfen oder sogar hingerichtet wurden.
Verfolgen wir zunächst das Vorgehen des Suppiluliumas gegen Damaskus, worüber auch das AT berichtet. Da werden zudem noch andere Personen genannt, die ebenfalls - wie Aitugama - in den Amarnabriefen auftauchen. Allerdings konnte Aziru an dieser Aktion noch nicht teilnehmen. Daran war vielmehr ein Mann namens Reson beteiligt:
Reson, der Sohn des Eljada, war vor seinem Herrn Hadadeser (= Rib-Addi), dem König zu Zoba (= matuzubaru), geflohen und sammelte wider ihn (Rib-Hadad-eser) Männer und ward ein Hauptmann der Kriegsknechte, da sie David (= Teuwatti von Lapana) erwürgte; und sie zogen gen Damaskus, wohnten daselbst und regierten zu Damaskus (1.Kön. 11, 23. 24).
Eljada (1. Kön. 11, 23) ist einer der jüngeren Söhne des David (I; 2. Sam. 5,16; 1. Chron. 3,8), der auch Beeljada genannt wird (1. Chron. 14, 7). Der Name des Vaters weist auf Ildaja von Chazi hin, den Schreiber des EA-Briefes Nr. 175 und möglichen Vaters von Majarzana von Chazi (Briefe Nrn. 185 und 186), der demnach mit Reson zu identifizieren sein dürfte. Was den Sohn betrifft, so muss dessen loyale Phase schon einige Zeit zurückliegen, da er sich derzeit alles andere als ägyptentreu verhält. Der Vater war in der in Rede stehenden Zeit hingegen immer noch ein treuergebener Anhänger des Pharaos.
Aziru ist nicht der alttestamentarische Reson, der Gründer des Königtums in Damaskus (1. Kön. 11, 23); aber dieser ist ganz zuversichtlich mit dem ebenfalls im AT vorkommenden Rezin identisch:
(Jes. 7, 1) Es begab sich zu der Zeit des Ahas, des Sohnes Jothams, des Sohnes Usias, des Königs in Juda, zog herauf Rezin, der König von Syrien, und Pekach, der Sohn Remaljas, der König Israels, gen Jerusalem, wider dasselbe zu streiten, konnten es aber nicht gewinnen. (2) Da ward dem Hause David angesagt: Die Syrer haben sich gelagert in Ephraim...(3) Aber der Herr sprach zu Jesaja: Gehe hinaus, Ahas entgegen, du und dein Sohn Schear-Jaschub...(4) und sprich zu ihm: ... (5) dass die Syrer ... sagen: (6) Wir wollen hinauf nach Juda...und zum König darin machen den Sohn Tabeels. (7) ...also spricht der Herr: Es soll nicht ... also gehen; (8) ... sondern wie Damaskus das Haupt ist in Syrien, so soll Rezin das Haupt zu Damaskus sein.
Pekach = Ahab, der Sohn von (Om)Remalja = Jerobeam, war ein Zeitgenosse des (Ba')Asa von Ammon und des Benhadad von Syrien (zu Damaskus) zur Zeit des Rezin. Ahas war nicht der Sohn des Jotham. (Auf diese Familienverhältnisse gehe ich im Kapitel Die Chronik der Könige, Teil 2, erst ein.) Der Hinweis oben auf das Haus David bezieht sich nicht auf (Jo-)Ahas(-ja), sondern direkt auf David, den Kampfgefährten des Reson und Widersacher des Hadadeser.
Deutlich wird hieran wieder, dass es einen älteren und einen jüngeren David gegeben haben muss; denn der Zeitgenosse des Rib-Hadad-eser kann nicht gleichzeitig ein Zeitgenosse Sauls gewesen sein. Es handelt sich bei Reson wie bei Rezin folglich um Zeitgenossen des David II, was deren Identifizierung miteinander überhaupt erst ermöglicht.
Jesaja ist nicht nur der Vater des Schear-Jaschub = Esra, sondern auch des Immanuel-Teuwatti (= Gotthilf in hebräischer und hethitischer Sprache; vgl. lat.: deus ades!) = David II. (Esra war um einiges älter als David II.) Insofern ist es verständlich, dass der Vater und der Bruder den Kampfgefährten des David gut zureden und ihnen Mut machen; denn die Jahwe-Anhänger waren sehr daran interessiert, dass Jerusalem jüdäisch blieb und nicht syrisch wurde.
Rezin-Reson, der Sohn des (Tabe-)Eljada, war ein Vorgänger des Benhadad von Syrien in Damaskus. Einige halten Reson sogar mit Benhadad für identisch, was allerdings unmöglich ist. Benhadad wird im Jahre 654 ndFl (Karkar-Schlacht) König von Amurri (= Scha-imerischu) sein. Folglich muss der Feldzug des Rib-(H)Adad-eser, an dessen Ende Reson als König von Syrien in Damaskus eingesetzt wurde, noch vor 654 ndFl stattgefunden haben. Das Jahr 652 ndFl bietet sich an. Auf Benhadad muss ich weiter unten erst wieder zurückkommen.
Obwohl Reson dem Rib-Hadad-eser unterstellt gewesen war, erscheint sein Name in den Briefen Rib-Addis nicht einmal in einer abgewandelten Form. Daraus darf nicht geschlossen werden, dass Reson bereits abgefallen war, als der erste auf uns überkommene Rib-Addi-Brief verfasst wurde. Reson selbst hat aber nach Achet-Aton geschrieben, und zwar von seiner Stadt Chazi aus. Das bedeutet, dass er nicht ständig bei Rib-Hadad-eser am Hofe in Gubla war, sondern dass er zu dem letzten Aufgebot dieses ägyptentreuen Stadtfürsten eingezogen worden war, sich dann aber - vermutlich von David-Teuwatti - auf die andere Seite hat ziehen lassen.
Irgendwie auf eine nicht mehr zu klärende Art und Weise muss es Rib-Hadad-eser gelungen sein, ein Heer für einen Feldzug gegen die eindringenden Chatti zu organisieren. Der letzte Einsatz eines ägyptischen Heeres liegt einige Zeit zurück. Danach hat Rib-Addi noch mit Achet-Aton korrespondiert. In diesen Briefen hat er niemals einen Feldzug, der von ihm unternommen wurde, auch nur erwähnt; so kann davon ausgegangen werden, dass er diesen Feldzug erst nach seiner Korrespondenz mit Ägypten unternommen hat. Geholfen hat es ihm nicht mehr. Vermutlich ging er mit seinem Heer zugrunde.
All das spricht für die Datierung dieses Feldzuges in die in Rede stehende Zeit, als Suppiluliumas mit seinen assyrischen Feldherren auf ägyptisches Gebiet vordrang. Offenbar hatten die Aufständischen unter David-Teuwatti gemeinsam mit Aitugama den vermutlich improvisierten und wenig effektiven Heerzug des Rib-Hadad-eser schon vor dem Eintreffen des Chatti-Heeres besiegt:
2. Samuel, 8: (3) David schlug auch Hadadeser, den Sohn Rechobs, König zu Zoba, da er hinzog, seine Macht wieder zu holen an dem Wasser Euphrat.
Über Rechob wird an anderer Stelle abgehandelt. Auffallend ist hier der Hinweis, dass Hadadeser "seine" Macht bis zum Euphrat wieder zu holen gedenkt. Es handelt sich natürlich um die ägyptische Macht; denn der Aram-Zoba des Hadadeser reichte niemals bis zum Euphrat.
(4) Und David fing aus ihnen 1700 Reiter und 20 000 Mann Fußvolk (amêl schêpi!) und verlähmte alle Rosse der Wagen und behielt übrig 100 Wagen. (5) Es kamen aber die Syrer von Damaskus, zu helfen Hadadeser, dem König zu Zoba; und David schlug der Syrer 22 000 Mann (6) und legte Volk in das Syrien von Damaskus. Also ward Syrien dem David untertänig, dass sie ihm Geschenke zutrugen ...
Die Syrer, die von Damaskus kamen, waren die Truppen des ägyptentreuen Namiawaza, die sich dem Chattiheer natürlich ebenso entgegenstellten wie die Mannen des Rib-Hadad-eser. Es ist schwer zu glauben, dass es David mit seinen Bundesgenossen alleine war, die die Heere des Hadadeser und des Namiawaza besiegten. Es wird hier verschwiegen, dass die Hauptarbeit zweifellos von Suppilulimas und den Feldherren des Chattiheeres, von Tiglath-Pileser und Salmanassar, geleistet wurde. Die assyrischen Aktivitäten erwähnt das AT in anderem Zusammenhang, da ja die Ereignisse um David und Hadadeser viel früher stattgefunden haben sollen als die mit den Assyrern verbundenen. Im AT liegen dazwischen, also auch zwischen Reson und Rezin, etwa 250 Jahre!
(2. Sam. 8, 7) Und David nahm die goldenen Schilde, die Hadadesers Knechte gehabt hatten, und brachte sie gen Jerusalem.
Wer die Nöte des Rib-Addi (= Hadadeser) kennt, die aus seinen Briefen an den König in Ägypten sprechen, der wird über diese Angabe nur lachen können; denn wenn es in der Stadt Gubla des Rib-Hadad-eser goldene Schilde gegeben hätte, dann hätten die Bürger dieser Stadt nicht ihre Söhne und Töchter an die Getreidespekulanten zu verpfänden brauchen, wie es in den Briefen Rib-Addis immer wieder zum Ausdruck kommt. Aber irgendwoher mussten diese Schilde ja kommen, die schon im Jahre 610 ndFl (also vor mehr als 40 Jahren!) von Sisak-Manachpiria "aus dem Tempel Salomos" zu Jerusalem als Tributleistung herausgenommen wurden. Allein dieser Anachronismus ist ein Beweis dafür, dass die Sache so gar nicht gewesen sein kann, ganz abgesehen von der Armut, die zu dieser Zeit in Gubla herrschte.
(8) Aber von Betach und Berothai, den Städten Hadadesers, nahm... David sehr viel Erz. (9) Da aber Thoi, der König zu Hamath, hörte, dass David hatte alle Macht des Hadadeser geschlagen, (10) sandte er Joram, seinen Sohn, zu David ... (denn Thoi hatte einen Streit mit Hadadeser). Über Betach und Berothai (= Beirut) wird an anderer Stelle abgehandelt, ebenso über Joram, den (angeblichen) Sohn des Thoi, Thou = Aitugama, der in 1. Chron. 18, 10 Hadoram genannt wird.
Wenn Aitugama noch mit den Aufständischen in Verbindung steht, dann spricht das für eine Ansetzung des Hadadeser-Feldzuges vor der Deportation des Aitugama nach Chatti-Land. Nachdem sie das Heer der Syrer besiegt hatten, zogen die Verbündeten gemeinsam mit den Chatti auf Damaskus, wo sie Namiawaza durch den oben schon erwähnten Rezin ersetzten, dessen weitere Identitäten noch nicht erschöpft sind.
Danach kam es dann zum Streit zwischen Suppilulumas und Schutarna und Aitugama, entweder wegen der Behandlung des Schutarna-Sohnes Namiawaza durch Suppiluliumas, oder weil sich die beiden Mitanni-Herren ausgerechnet hatten, dass sie die Herrschaft in eigener Regie über Amurru-Kanaan antreten könnten, was nicht im Sinne des Suppiluliumas gewesen sein dürfte. Nach seinem Sieg über sie brachte er die Gefangenen selbst nach Chatti-Land. Vermutlich hielt er sich noch einige Zeit in der Hethiterfestung Karkemisch auf, wo er sich befunden haben soll, als seine assyrischen Feldherren in das Land Amka einfielen.
An dieser Stelle möchte ich die Hilferufe einiger Amarnakorrespondenten wiedergeben, die auch aus dem AT bekannt sind und die sich zweifelsfrei auf den bevorstehenden Überfall auf das Land Amka beziehen. Es sind die Briefe Nrn. 173-176, die eine zusammenhängende Gruppe bilden, da sie alle aus derselben Gegend stammen und einen übereinstimmenden Text zum Inhalt haben.
Der Brief 173... an den König ist stark zerstört. Er lässt einen bevorstehenden Überfall auf das Land Amki erahnen.
Brief 174: Zu dem König, meinem Herrn, meinem Gott, meiner Sonne, hat gesprochen also Bieri, dein Diener, der Mann von Chaschabu: Nieder zum Staub des Fußes des Königs, meines Herrn, fiel ich siebenmal und siebenmal nieder. Siehe, wir sind in Amki, Städten des Königs, meines Herrn; gegangen ist aber Edagama (Eig.Anm.: gemeint ist Aitugama), der Mann von Kinza (Eig.Anm.: gemeint ist Kadesch), entgegen den Kriegern von Chatti, und hat die Städte des Königs, meines Herrn, in Brand gesteckt. Ja, das wisse der König, mein Herr, und es gebe der König, mein Herr, Feldtruppen, dass wir gewinnen die Städte des Königs, meines Herrn, (zurück) und wir wohnen in den Städten des Königs, meines Herrn, meines Gottes, meiner Sonne.
Der Brief 175 des Ildaja von Chazi "... zu dem König, meinem Herrn, meinem Gott, meiner Sonne..." enthält außer derselben Anrede auch denselben Text wie Nr. 174, so dass man davon ausgehen kann, dass die vier Absender (173-176) alle an einem Ort in Amka saßen und sich dort ein und desselben Schreibers bedienten. Ildaja von Chazi ist, wie ich weiter oben schon sagte, der Vater Majarzanas von Chazi, der mit Rezin-Reson und anderen Namensträgern identisch ist, auf die ich noch zurückkommen werde.
Der Absender des Briefes Nr. 176 ist unleserlich. Da sich alle diese Herren noch in Amka aufhalten, von wo aus sie sogar noch Post nach Ägypten senden können, steht die Eroberung des Landes bestenfalls kurz bevor, und zwar durch die Chatti im Bunde mit dem Mitannifürsten Aitugama, der auch noch gar nicht deportiert ist. Es wäre noch Zeit, Feldtruppen zu schicken, die der Bedrohung entgegenwirken könnten.
Im Brief Nr. 140 bestätigt der Absender (Ilirabich von Gubla; siehe oben) die Angabe des Bieri, Itakama (= Edagama, Aitugama) sei den Chatti entgegengezogen und habe ihnen bei der Eroberung von Amki geholfen. Dies ist ein Hinweis darauf, dass Aitugama noch kurz vor dem Amka-Überfall ein Verbündeter der Chatti war, während er kurz danach schon in hethitische Gefangenschaft geriet.
Wer aber sind die anderen Briefschreiber, von denen ich sagte, dass sie auch im AT vorkommen?
Der Bieri von Chaschabu des Briefes Nr. 174 ist der Rubeniter Beera, der Sohn des Baal = Elpaal, des Sohnes von David I, der auch mit Bela und Machir identisch ist und in den Amarnabriefen Balu-Michir heißt:
1. Chron. 5: (5) ... des Sohn war Baal; (6) des Sohn war Beera, welchen gefangen wegführte Thilgath-Pilneser (Eig. Anm.: Verschreibung für den Namen Tiglath-Pileser), der König von Assyrien ...
Dass diese Briefe nicht Jahrhunderte vor Tiglath-Pileser schon geschrieben worden sein können, wie konventionell argumentiert werden muss, dürfte jedem einsichtigen Menschen klar zu machen sein.
Kennern der hebräischen Sprache und Nomenklatur wird aufgefallen sein, dass chaschab die Wurzel des Namens Hesbon ist, der zu einer Stadt in Moab gehört, das wiederum mit dem Stammesgebiet Ruben weitgehend identisch ist.
Ildaja von Chazi, der Schreiber des Briefes Nr. 175, ist Eldaja (= Eljada, Jojada) von Jahaz (Wurzel chazah), einer "moabitischen Stadt im Stammesgebiet Ruben" (A. Meister). Die Rubeniter waren vermutlich von Kamose aus Moab vertrieben worden und wohnten nun im Lande Amka. Die Annahme, die moabitischen Heimatorte müssten in Amka liegen, ist weltfremd. Auf Ildaja = (Tabe)Eljada, den Vater des Reson, komme ich weiter unten ebenfalls wieder zurück.
Der Amka-Überfall (652 ndFl)
Der Amka-Überfall scheint sich aus den Geschehnissen heraus entwickelt zu haben, die mit dem ersten Aleppo-Zug des Suppiluliumas ihren Anfang nahmen, der dann zur Flucht des Adad-narari auf ägyptisches Territorium führte. In diese Vorgänge waren, wie ich weiter oben schon angedeutet habe, offensichtlich die Mitanni-Meder unter ihrem König Tuschratta verwickelt.
Der Überfall der Chatti auf das zu Ägypten gehörende Land Amka fand auf jeden Fall erst nach dem Tode des Acheperure und vermutlich sogar noch vor der Krönung Manachpirias zum Pharao statt. Es ist indes sicher, dass Nimmuria bereits auf dem Thron des Gaukönigs von Achet-Aton gesessen hat. Er wurde demnach kurz nach dem Tode des Acheperure und als - wie es aussieht - unmittelbarer Nachfolger Schabatakas hier eingesetzt.
Wie ich weiter oben schon vermutete, gerieten die politischen Geschäfte wegen der Krankheit des Pharaos mehr und mehr in die Hände der konkurrierenden Familien. Sei es, dass Napchuria-Taharka, der Sohn und rechtmäßige Thronfolger des Acheperure, noch von seinem Vater nach Nubien entsandt wurde, oder dass die von Thutmoses Mencheperre angeführte Familie der Sethariden ihn dorthin abschob - in Achet-Aton tauchen plötzlich andere Namen der Adressaten und Absender der EA-Briefe auf. Es handelt sich hauptsächlich um die Familien des Anubis und des "Semiten" Harchuf-Josef.
Wir sind, was den Überfall anbelangt, durch Mursilis II und aus den Amarnabriefen gut unterrichtet. Mursilis II, der "Dichterkönig" der Hethiter, sagt in der Beschreibung der Taten seines Vaters Suppiluliumas, des Sohnes von Mursilis I = Tudhaliyas-Kurigalzu:
Nachdem der König der Ägypter gestorben war, überfielen die Generäle Lupakki und Tarchunta-Salma meines Vaters das Land Amka. Daraufhin waren die Ägypter sehr erschreckt.
Acheperure war im Jahre 652 ndFl gestorben, unter Umständen schon Ende des Jahres 651 ndFl. In Ägypten begann der Thronfolgekrieg, den Thutmoses-Mencheperre am Ende für sich entscheiden konnte. Für andere Probleme war da nicht viel Zeit, und so klingen auch die Amarnabriefe aus dieser Zeit nach Verlassenheit durch die Ägypter. Die Stadtkönige begreifen nicht, dass nach all den Siegen des Manachpiria nun alles verloren sein soll. Die Chatti können ungestraft das Land des Pharaos erobern, und die Schlauesten unter den Stadtfürsten setzen rechtzeitig aufs richtige Pferd: sie treten zu den Chatti über.
Die Tatsache, dass die Ägypter "erschreckt" wurden, lässt darauf schließen, dass sie sich entweder vor den Chatti sehr sicher fühlten, oder dass sie in einer Schwächephase getroffen wurden, die zweifellos mit den politischen Veränderungen im ägyptischen Theben zusammenhing. Der Überfall muss für die Ägypter unerwartet gekommen sein; denn die Chatti waren noch im 17. Feldzug als ihre Verbündeten aufgetreten. Entgegen aller Erwartungen nutzten diese die einmalige Gelegenheit, die sich ihnen durch den Thronwechsel in Ägypten darbot, in Syrien-Kanaan einzufallen. Auch die "Regenten" in Palästina traf der Amka-Überfall wie ein Blitz. Das jedenfalls geht aus den Amarnabriefen hervor, die uns von einigen "Regenten" aus dieser Zeit vorliegen.
Wie aus den Worten des Mursilis II zu entnehmen ist, hatte sich Suppiluliumas bereits wieder zurückgezogen, und zwar vermutlich wegen der beiden Gefangenen, die er persönlich nach Hattusas bringen wollte. Das Feld hatte er seinen Generälen überlassen. Wer aber verbirgt sich hinter den Namen dieser beiden Feldherren?
1. Lupakki ist - wie mit geübten Augen und Ohren leicht zu erkennen ist - mit (Tukulti-Ninurta) apal-ekur zu identifizieren, also mit Tiglath-Pileser;
2. Tarchunta-Zalma ist niemand anderer als dessen Sohn Salmanassar (= Schalmanu-ascharidu);
3. Zitana (Brief Nr. 170, siehe weiter unten) ist Marduk-bel-usati = Belesys = Asita-wandas = Zidantas, der erst 18-jährige Halbbruder (und Heerführer?) des Suppiluliumas.
Es ist das 12. Feldherrnjahr Tiglath-Pilesers (734 v.Chr., entsprechend 652 ndFl). Inschriftlich lässt er zu diesem Jahr wissen: Die Städte ...nite, Galza, ABILAKKA an der Grenze von Bit-Chumria (= Israel) und das weite Gebiet von ...-li in seiner Gesamtheit schlug ich zum Gebiet des Landes Assur.
Im Originaltext ist zu dem weiten Gebiet nur die Endsilbe -li lesbar. Dazu vermerkt Jepsen3: Nach einem 1955 in Nimrud gefundenen Inschriftenfragment ist die Endsilbe -li, die man früher gern zu Naphtha-li ergänzte, besser zu Bit-Hazaï-li zu ergänzen. Danach haben die Assyrer das Reich von Damaskus ebenso nach seinem König Hasaël benannt wie Israel nach Omri.
Ich kann mich dieser Vorgehensweise nicht vorbehaltlos anschließen; denn erstens entspricht Naphtha-li auch dem AT-Text, und zweitens ist Hasaël zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht König im Lande Damaskus. Trotzdem ist es bestechend, gerade hier und zu diesem Zeitpunkt einen Zug des Tiglath-Pileser nach Damaskus vermerkt zu sehen. Dagegen spricht die Ausdrucksweise zum Gebiet des Landes Assur eher einem Feldzug zugunsten Assyriens als zugunsten der Hethiter. Das aber kann - wie die ganze Inschrift überhaupt - erst zu einem späteren Zeitpunkt niedergeschrieben worden sein, als diese Gebiete schon zu Assyrien gehörten. Dasselbe ist dann auch für die eventuelle Lesung Bit-Hazaï-li gültig.
Diese Aktivität Tiglath-Pilesers wird auch im AT mit fast denselben Worten beschrieben, und zwar ausdrücklich "zu den Zeiten Pekachs", das heißt Ahabs:
2. Kön. 15,29: Zu den Zeiten Pekachs, des Königs Israels, kam Tiglath-Pileser, der König von Assyrien, und nahm Ijon, ABEL-BETH-MAACHA, Janoah, Kedes (= Kadesch; das ist auch das Kinza des Aitugama), Hazor, Gilead, Galiläa und das ganze Land Naphthali.
Der ABEL-BETH-MAACHA bzw. der ABEL-MAIM (arabisch ABIL EL-KAMH bzw. assyrisch ABILAKKA) oder auch ARAM-MAAKA ist das LAND AMKA (heutige Bekaa-Ebene). Weitere Einzelheiten dazu werden im Kapitel Die Chronik der Könige besprochen.
Der vollzogene Einfall der Chatti ins Land Amka wird verständlicherweise nicht mehr von allen Briefschreibern mitgeteilt. Eine Ausnahme bildet der Brief Nr. 170. Er ist von zwei Absendern unterzeichnet: Ba'aluia und Batti-Ilu.
Ferner: Krieger von Chatti (unter?) Lupakki haben genommen Städte von Amki und von den Städten des Aaddumi (= Addunirari?) haben sie genommen. Und unser Herr möge es wissen! Ferner haben wir so etwas gehört: Zitana ist gekommen und 9.... Krieger sind es, welche mit ihm gekommen sind. Die Nachricht haben wir aber nicht bestätigen können. Wenn sie ... ankommen in Nuchasche, so schicke ich Batti-ilu ihm (Zitana) entgegen, damit wir sie entgegennehmen...
Der Brief Nr. 170 lässt keine eindeutige Identifizierung des Adressaten zu. Dafür ermöglicht er die Zuordnung der in den Amarnabriefen zum Amki-Überfall enthaltenen Angaben zu den von Mursilis II gemachten. Zitana ist der Halbbruder Zidantas (= Belesys, Asitawandes) des Suppiluliumas. Ob er als Heerführer der Chatti oder als Verbündeter der Ägypter auftritt, wie es den Anschein hat, ist ungewiss. Der Schluss dieses Briefes enthält herzliche Grüße an Rab-ili, Abdi-uras, Ben-ana, Rab-zid(k)i und Anati, an Mitbürger und/oder Verwandte von Amur-Ba'alu (= Ba'aluia), die sich - aus welchen Gründen auch immer - in Ägypten aufhalten.
Der neue König von Damaskus, den die Hethiter und die um David-Teuwatti gescharten Rebellen hier einsetzten, war der Sohn des Amarna-Briefschreibers Ildaja von Chazi, der ursprünglich ebenfalls in dieser Stadt gewohnt und unter seinem Namen Majarzana von Chazi die Briefe Nrn. 185 und 186 an den König in Achet-Aton geschrieben hatte. Beide Briefe sind ziemlich lang und recht gut erhalten. Sie sind eine einzige Beschwerde über die Rebellen im Lande, besonders über die Partisanengruppe Sa.Gaz.Mesch, die schon eifrig die Städte des Königs erobert. Man kann sich nicht vorstellen, dass dieser Mann selbst ein entschiedener Gegner der Ägypter werden wird. Weiter unten werde ich noch ausführlich auf ihn zurückkommen.
Ursprünglich war gewiss Aitugama = Tou von Hamath für den Posten des Königs von Amurru in Damaskus vorgesehen, und Teuwatti-David hatte sich davon auch Vorteile erhofft, die er sich nun an der Seite Reson-Rezins versprach. Seine Bestrebungen zielten vermutlich darauf ab, König von Juda in der Hauptstadt Jerusalem zu werden. Darüber werde ich im Kapitel Die Chronik der Könige, Teil 2, abhandeln.
Aziru muss, wie aus den noch zu besprechenden Briefen des Rib-Addi nach Achet-Aton hervorgeht, Sumur, die Stadt des Pachamnata (= Jerobeam), der offenbar ermordet wurde, noch kurz vor dem Amka-Überfall (652 ndFl) erobert haben und kam dann in ägyptische Gefangenschaft. Während des Amka-Überfalles war Aziru in Ägypten. Es sieht so aus, als sei er von seinem eigenen Sohn nach dort ausgeliefert worden. Er war der Schwiegersohn des Dudu-Schabaka und somit der Schwager dessen Sohnes Schabataka. Durch deren Weggang aus Achet-Aton kam der Stern des Aziru ins Sinken, doch bei Nimmuria machte er sich dann aber offenbar beliebt, so dass er nach einiger Zeit wieder auf der politischen Bühne erscheinen konnte. Bis zum Beginn des Krieges der Hethiter gegen Adad-narari im folgenden Jahr tauchte er in Kanaan möglicherweise schon wieder auf, allerdings nicht als Gegner der Hethiter.
Assyrien erringt die Suprematie (653 ndFl)
Während der Amka-Überfall noch von den Generälen Lupakki = Tiglath-Pileser und Tarchunta-Zalma = Salmanassar im Auftrage der Chatti bzw. des Suppiluliumas durchgeführt wurde, stehen diese beiden Assyrer im folgenden Jahr bereits auf der Seite der Chatti-Gegner. In diesem Jahr (653 ndFl) ist die Chatti-Herrschaft durch Adad-narari und seine assyrischen, ägyptischen sowie kanaanitischen Freunde für die nächste Zeit beendet worden, und zwar in der Schlacht bei Karkemisch. Die konventionellen Erwähnungen dieser Schlacht, die in Wirklichkeit immer nur ein und dieselbe betreffen, fasse ich an dieser Stelle zusammen:
1. Ellil-narari (1340-1326 v.Chr.) bringt Kurigalzu (III; 1344-1320 v.Chr.) eine schwere Niederlage bei.
2. Adad-narari (I; 1310-1281) besiegt Nazimaruttasch (1319 -1294 v.Chr.: Die Hethiterfestung Karkemisch wird erobert); beide Herrscher schließen einen Vertrag.
Die 26 Jahre der Regierungszeit des Nazimaruttasch sind fiktiv; sie entsprechen den 26 Regierungsjahren, die dem Nachfolger des "sichru" in dessen Liste zugewiesen werden. Sein Vorgänger ist demnach folgerichtig wenn auch falsch der für Sichru gehaltene Kurigalzu III, der mit dem Zusatz III das Chaos in den konventionellen Datierungen noch unterstreicht. "Sichru" ist bekanntlich Serug in Uruk und nicht Kurigalzu in Babylon, und Nazimaruttasch ist nicht der Kassite, der 26 Jahre nach Sichru regiert haben soll. Er ist vielmehr der "Labarnas" (= Großkönig) (Labar-)Nazi- Maruttasch, der mit Kurigalzu-Tudhaliyas-Mursilis (I) genauso identisch ist wie seine "beiden" Gegner miteinander: Ellil- und Adad-narari.
3. Tiglath-Pileser (I; 1115-1093 v.Chr.) besiegt den Babylonierkönig Marduk-nadin-ach (1116-1101 v.Chr.), der im Kampfe fällt.
Noch ist Tiglath-Pileser nicht der große König, sondern der Feldherr seines (Halb-)Bruders Adad-narari. Marduk-(= Mursilis-)nadin-ach ist auch hier der Großkönig Kurigalzu-Tudhaliyas-Mursilis, der in diesem Kampf allerdings nicht fiel. Bei dieser Angabe handelt es sich um die Vorwegnahme seiner Ermordung im Jahre 656 ndFl. Gefallen ist sein Sohn Arnuwandas-Burnaburiasch.
4. Adad-narari (II; 911-891 v.Chr.) besiegt die Babylonier Schamasch-Mudammik (941-901 v.Chr.) und Nabu-schum-ukin (I; 900-886 v.Chr.). Mit letzterem schließt er einen Vertrag.
Bei dem ersteren handelt es sich wieder um den Schamasch (= Sonne, Großkönig) Mudammik = Marduk, also um Kurigalzu-Tudhaliyas-Mursilis. Der andere Babylonier ist identisch mit dem vermeintlichen zweiten Träger dieses Namens, der auch ein Vasall (Vertragspartner) Tiglath-Pilesers (III; 745-727 v.Chr.) war.
5. Adad-narari (III; 805-782 v.Chr.) besiegt die Hethiter von Karkemisch.
In dieser konventionellen Phase der assyrisch-babylonischen Geschichte herrscht auf babylonischer Seite ein großes Chaos: Nach einem "Interregnum von 15 Herrschern, die jeweils nur kurze Zeit regierten und von Assyrien abhängig waren" (814-803 v.Chr.) regierte in Babylon Eriba-Marduk (802-763 v.Chr.). Bei ihm handelt es sich natürlich um Sin-ach-Eriba = Sanherib (= Tiglath-Pileser!), der auch König von Babylon war, allerdings noch nicht in der Zeit, als Adad-narari Großkönig war.
6. Assur-nirari (V; 753-746 v.Chr.) schließt einen Vertrag mit Mati-ilu von Agusi.
Mati-ilu von Agusi ist Neb-maat-Re von Ägypten = Nimmuria. Dieser Vertrag wird in den EA-Briefen nicht erwähnt; aber er überrascht uns auch nicht mehr. Der Babylonier, der gleichzeitig regierte, ist uns oben ebenfalls schon als Zeitgenosse des Adad-narari, Assur-(= Addu-)nirari vorgestellt worden: Nabu-schum-ischkun (= Nabu-schum-ukin II; 762-748 v.Chr.). Von Kämpfen mit Babyloniern oder Hethitern ist bei Assur-nirari V allerdings keine Rede.
Sollte es sich bei dieser Ähnlichkeit der Namen, bei
der wiederkehrenden Gleichzeitigkeit der Personen und
Gleichartigkeit der Vorgänge um reine Zufälle handeln? |
Letzter Stand: 18.3.2012
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Alfred Jepsen, Von Sinuhe bis Nebukadnezar, Calwer Verlag Stutgart, Kösel-Verlag München |
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