Achtes Buch: 656 bis 676 ndFl
1. Kapitel:
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Die Medo-Perser
Teil IV: Vorderasien von 656 bis 676 ndFl (3. Teil)
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Die Unterstützung, die Rusa, der Sohn des Sarduri, von dem König Urzana von Ardini-Mussassir erhielt, beschreibt er mit seinen eigenen Worten folgendermaßen:
Rusa, der Sohn des Sarduri, spricht: Urzana, der König der Stadt Ardini (Mussassir), erschien vor mir. Ich übernahm den Unterhalt seiner gesamten Armee ... Urzana machte ich zum Gouverneur des Gebietes und wies ihm die Stadt Ardini zu. Im selben Jahr kam ich, Rusa, der Sohn des Sarduri, zur Stadt Ardini. Urzana setzte mich auf den hehren Thron seiner königlichen Vorfahren ... In Anwesenheit der Götter und meiner selbst brachte er im Tempel Opfer dar... Er stellte mir Hilfstruppen zur Verfügung... und Kriegswagen, soviel er entbehren konnte. Ich nahm sie an und ich, Rusa, zog im Gehorsam gegen Chaldi hinauf in die Berge Assyriens und richtete dort ein großes Blutbad an. Danach nahm ich Urzana bei der Hand und wandte mich ihm zu ... Ich setzte ihn als Herrscher ein.39
Konventionell werden diese Vorgänge in unmittelbarem Zusammenhang mit der Strafaktion Schar-ukins gesehen, die jedoch erst drei Jahre später erfolgte (673 ndFl) und sich gegen den Nachfolger des Rusa I, Sohnes des Sarduri (II), richtete, nämlich gegen eben den Urzana = Rusa III, Sohnes des Eri-Menua, der drei Jahre zuvor (670 ndFl) noch seinem Vetter auf den Thron geholfen hatte. Daher dürfte es sich bei dem weiter unten noch zu besprechenden Drohbrief der Assyrer, mit dem diese kaum auf ein Blutbad reagiert haben dürften, um eine spätere Angelegenheit gehandelt haben, auf die ich zurückkommen werde.
Überträgt man den Inhalt obiger Inschrift Rusas, des Sohnes des Sarduri, auf den historischen Sachverhalt, dann bedeutet dies im Klartext folgendes:
Rusa I machte sich unter den oben aufgezeigten möglichen Umständen (mit Hilfe seines Schwagers Suppiluliumas?) nach der Absetzung und Vertreibung des Sarduri II im Jahre 670 ndFl zum König von Urartu. Sein Gebiet war bisher Tuschpa-Wan(see) gewesen, wo sein Vater Sarduri (II), der Sohn des Ischpuini, schon residiert hatte; nach Teispes-Ischpuini-Tschischpis war Tuschpa benannt - oder umgekehrt, wenn Sarduri I diesen Ort schon nach dem Gott Teschub-Teischeba so benannt hatte (vgl. Teischebaïni!). Im Osten schloss sich daran die Gegend vom Sewansee im Norden bis zum Urmiasee im Süden an: Armenien einschließlich Uasi als der Sitz der Familie des Aramu-Ariaramnes.
Während der eine Sohn dieses Aramu-Menua, Argischti I, in der Stadt Irpuni-Eriwan als Zentrum seine Residenz hatte, bewohnte der andere Sohn des Erimena = Aramu-Menua-Ariaramnes, nämlich Urzana-Arsames-Rusa III, als Unterkönig des Landes Uasi das benachbarte Ardini-Mussassir. Nach der Vertreibung des Sarduri II, Sohnes des Argischti I, war niemand mehr da, der Urzana-Rusa-Arsames daran hätte hindern können, seinem Vetter Rusa I, der als Schwager des Suppiluliumas den größeren Rückhalt hatte, "auf den erhabenen Thron seines Vaterhauses", nämlich des Hauses der Familie Aramu-Menua, zu setzen, was Rusa I damit belohnte, dass er Rusa-Urzana zum Herrscher, das heißt zum Vizekönig von Uasi bzw. Ardini-Mussassir machte. Möglicherweise versah dieser Rusa-Urzana aber auch das Amt eines Krönungspriesters in der Tempelstadt Mussassir.
Wie ich weiter oben schon sagte, ist Sarduri (II), der Sohn des Teispes-Ischpuini, der "Perser Kyros I" des Herodot. Mit den Nachfolgern des Teispes über diesen Kyros I sind die Historiker nicht ganz glücklich geworden, weil sie einfach nichts darüber wissen. Ich zitiere hier einen von jenen Gelehrten, die allenfalls Vermutungen anstellen können. Dr. John C. Whitcomb, der bei dem Versuch einer Identifizierung des Darius des Meders im Buch Daniel im AT von den üblichen falschen Voraussetzungen der konventionellen Chronologie ausgeht und daher in die Irre geht, hat für die Vorfahren des Kyros II nur wenige Zeilen übrig:
Inzwischen hatte Teispes das Land unter seine beiden Söhne Ariyaramnes (640-615 v.Chr.) und Kyros I (640-600 v.Chr.) geteilt, wobei ersterer die Ostregion von Parsa erhielt, letzterer dagegen über Parsumasch und die Stadt Anschan herrschte. Doch der Sohn und der Enkel des Ariyaramnes, Arsames I und Hystaspes, blieben unbedeutende Herrscher; der Sohn Kyros' I aber, Kambyses I (600-559 v.Chr.), heiratete Mandane, die Tochter des Astyages (585-550 v.Chr.), des medischen Thronerben. Der Sohn der beiden war Kyros II der Große. Amytis, eine andere Tochter des Astyages, wurde die Frau Nebukadnezars. Um ihretwillen ließ er die berühmten Hängenden Gärten von Babylon konstruieren. (Die älteren Daten sind geschätzt.)40
Die hier wiedergegebene Darstellung möchte ich nicht bis in alle Einzelheiten kommentieren. Sie geht davon aus, dass Achaimenes ein Zeitgenosse des Sanherib war, was natürlich nicht auf Perseus-Sarduri bezogen werden kann. Er müsste mindestens von 681 v.Chr. an bis ca. 640 v.Chr. regiert haben. Ich frage mich allerdings, wie die konventionelle Geschichtswissenschaft die Existenz der Perser von Parsa und Parsu-Masch, das mit Tubal-Mesech = Urartu deckungsgleich ist, und der Urartäer gleichzeitig in dieser Region verständlich machen will. Sie hilft sich aus der Zwangslage, indem sie Parsumasch mit Anschan auf dem Persischen Hochland verbindet.
Selbst wenn man den Rest von obiger Filiation in der Zeit nach Assurbanipal sieht, der ja mit Sanherib identisch ist, so müsste doch in der Rahmengeschichte Assyriens mehr als nur ein einziger - und dazu noch falscher - Hinweis auf die Perser zu finden sein. Die Elamiter dieser Zeit, die konventionell viel "lebendiger" sind in dieser Phase als die Perser, werden zudem noch ausgerechnet in dieselbe Gegend verlegt, aus der die Truppen aus Parsumasch und Anschan des "Achaimenes" gekommen sein sollen. Alles das hat keine Hand und keinen Fuß. Musste nicht spätestens beim ersten Auftauchen des Namens Erimena (konv. ab 640 v.Chr. etwa) der Gedanke kommen, es könne sich bei ihm um Ari-Aramnes (konv. 640-615 v.Chr.) handeln?
Kambyses I = Rusa I, der Sohn des Kyros I = Sarduri (II), heiratete keineswegs eine Tochter des Astyages mit Namen Mandane. Derjenige, der diese Frau heiratete, die auch Medea, Nakita und Nikalmati hieß und eine Schwester der Schamur-Amytis = Semiramis war, war Tudhaliyas, und der Sohn aus dieser Verbindung hieß Suppiluliumas. Wie schon gesagt, heiratet Rusa I die Tochter des Tudhaliyas und wurde so der Schwager des Suppiluliumas = Uman-Igasch von Elam, auf den sein Neffe Umak-Ischtar-Chundu = Rusa IV = Kyros II, der Sohn des Rusa I, im Jahre 687 ndFl folgte. Darauf komme ich zu gegebener Zeit wieder zurück.
Das Jahr 670 ndFl stand im Zeichen der Thronbesteigung des Rusa I als König von Urartu und des Rusa III (Arsames) als dessen Unterkönig in der Araratregion. Die Vertreibung des bisherigen Königs von Urartu, des Sarduri II, des Sohnes des Argischti I, nach Assyrien und der Angriff des Rusa I auf das assyrische Bergland, wo er sich eines Blutbades rühmt, musste zur Verstimmung zwischen Assyrien und Urartu und nicht zuletzt mit den Hethitern geführt haben.
Im Jahre 671 ndFl, erkrankte Nabonassar und starb in seinem Palast. 14 Jahre lang übte Nabonassar die Königsherrschaft über Babylon aus. Nadinu (= Nabu-nadin-zer), sein Sohn, setzte sich in Babylon auf den Thron (babylonische Chronik). Zu dieser Zeit war es noch ruhig in Babylon. Nur im Chatti-Land, in Medien und in Urartu war die Lage angespannt. Im Jahre 672 ndFl machten sich dann auch schon die Anzeichen einer Umwälzung bemerkbar:
Im Lande Mannai im Norden vom Urmiasee war ebenfalls ein Schwund des urartäischen Einflusses zu verzeichnen. Sargon setzte seinen Schützling Aza auf den mannäischen Thron. Rusa inszenierte eine Rebellion im Lande und gab den Thron an Ullusunu.41
Das Land Mannai ist Medien-Mitanni. Es liegt überwiegend südlich des Urmiasees. Besagte Umtriebe sind nicht ohne Tuschratta zu erklären, der bis zum Jahre 663 ndFl noch mit Nimmuria und ab dem Jahre 669 ndFl mit Teje und Napchuria in Achet-Aton korrespondierte. Eine wesentlich später noch geführte Korrespondenz des Tuschratta ist nicht bekannt. Wenn sich also Tuschratta im Jahre 672 ndFl bei den Assyrern, die sich zunehmend feindlicher gegen die Ägypter zeigten, möglicherweise wegen seiner Verbindungen nach dort unbeliebt gemacht hatte, dann wäre es denkbar, dass Schar-ukin (Sargon) ihn im Auftrage des Assurbanipal-Sanherib absetzte und durch Aza ablöste.
Aza ist zweifellos Tuschrattas Sohn Mattiuwaza, der allerdings konventionell nicht als der Schützling des Assyrers, sondern des Suppiluliumas gilt, dessen Schwiegersohn er auch war. Suppiluliumas ist jener Ullusunu, der von Rusa I in Mannai eingesetzt wurde. Insofern kann die "Rebellion in Mannai" tatsächlich mit Rusa I, dem Schwager des Suppiluliumas, in Zusammenhang gebracht werden. Wenn Rusa I der Drahtzieher in dieser Angelegenheit war, dann müsste er ein König gewesen sein, der zumindest über Suppiluliumas stand, der angeblich Tuschratta ermorden ließ und Mattiuwaza auf den Thron von Mitanni setzte. Tuschratta aber, der mit Daiukku = Deiokes identisch ist, kann 672 ndFl auf gar keinen Fall ermordet worden sein - wenn überhaupt; denn wir werden ihm noch im Jahre 674 ndFl begegnen. Insofern kann es sich bei dieser "Rebellion in Mannai" noch nicht um das Werk des Hethiters, sondern erst einmal um das Werk eines urartäischen Königs gehandelt haben.
Der dritte Halys-Krieg
Die Einsetzung des Mattiuw-Aza durch die Assyrer war der Anlass zu dem dritten Halys-Krieg (672-677 ndFl), wenn man nicht den Krieg des Gyges gegen Tuschratta (661 ndFl) als den dritten ansehen will. Die Absetzung des Mattiuwaza und Einsetzung des Ullusunu-Suppiluliumas wäre dann der zweite Schritt in dieser Eskalation gewesen. Wie uns der obige Text weiter informiert, war im Jahr darauf die Zeit des Ullusunu in Mitanni schon wieder zu Ende42:
Im Jahre 716 v.Chr. (= 7. Jahr des Feldherrn Schar-ukin = 673 ndFl) sandte Sargon (= Schar-ukin) eine Armee nach Mannai, schlug ohne besondere Schwierigkeiten den neuen Herrscher, der seinem Schicksal überlassen worden war, begnadigte ihn und errichtete ein Standbild von sich als Symbol der Unterwerfung.
Der "seinem Schicksal überlassene" Suppiluliumas musste eine gehörige Niederlage einstecken. Zwar wurde er - vermutlich auf Betreiben seiner Mutter Nikalmati = Nakita, der Gemahlin und Tante des Sanherib-Assurbanipal - begnadigt; aber diese Niederlage provozierte ihn und Rusa I zu dem Gegenangriff, der als die dritte Halys-Schlacht oder die Niederlage Sanheribs bei Chalule (konv. 691 v.Chr.) in die Geschichte eingegangen ist.
673 ndFl ist das 15. Jahr Sanheribs seit seiner Thronbesteigung im Jahre 659 ndFl, entsprechend konv. 691 v.Chr.: Schlacht bei Chalule (= Halys). Dieser Krieg, der Herodot zufolge fünf Jahre gedauert haben soll, war noch nicht vorbei; denn am Ende dieses Krieges (677 ndFl) steht wiederum eine Halys-Schlacht, die Schlacht bei Chalulina (konv. 681 v.Chr.). Der wichtigste Erfolg für die Sieger war zunächst einmal die gewonnene Unabhängigkeit von Assyrien.
In diesem Jahr kam auch Kroisos in Sardes in Lydien auf den Thron, wo er - gemäß Herodot - noch 14 Jahre regierte, und zwar bis zum Todesjahr des Suppiluliumas (687 ndFl). Da auch er ein Sohn des (Tudh-)Alyattes war, ergibt sich die Frage, ob er mit Suppiluliumas identisch oder nur dessen Bruder war. Ich halte Kroisos für einen Bruder des Suppiluliumas.
Rusa I, der Sohn des Sarduri (II) verlor trotz des Sieges über die Assyrer in diesem Jahr seinen Thron, und zwar durch eine hausgemachte Revolution:
Rusa III = Urzana-Ursa-Uasi-Uassurme-Arsames war mit der "Belohnung" durch seinen Vetter Rusa nicht einverstanden. Als "Herrscher des Landes Uasi" machte er einen Aufstand gegen Rusa I, den Sohn des Sarduri. Dieser Vorgang wird von Pjotrowski in einem anderen Zusammenhang gesehen, der aber weiter zurückliegt. Es handelt sich dabei um eine Niederlage der Urartäer gegen die "Kimmerer" zu der Zeit des Assur-Re-Isesi = Chus. Auf diese Vorgänge bin ich an früherer Stelle schon eingegangen. Er fährt dann fort:
Während Rusa in Uasi war, fand ein anderer Aufstand in der Hauptstadt Tuschpa statt, der von seinem General Naragu angeführt wurde. Die Briefe berichten, dass Rusa nach Tuschpa zurückkehrte, den aufrührerischen General gefangennahm und 20 Offiziere, die an dem Aufstand teilgenommen hatten, und 100 Soldaten von den Truppeneinheiten, die ihnen Unterstützung geleistet hatten, exekutieren ließ.43
Der Aufstand des Ursa-Rusa III, des Herrschers des Landes Uasi, gegen seinen Oberherrn Rusa I, dessen Hauptstadt - wie von einem Sohn des Sarduri (II) nicht anders zu erwarten ist - Tuschpa war, war erfolgreich. Den Aufstand in der Hauptstadt wollte Naragu, der General des amtierenden Herrschers Rusa I, unterdrücken, was jedoch misslang. Ursa (= Uasi-Rusa III) eroberte "mit seinen beiden Pferden und dem seines Wagenlenkers" das Königreich Urartu. Offenbar gehörte er zum Heer seines Vetters und konnte den Putsch in unmittelbarer Nähe zu ihm durchführen. Demnach müssen die Offiziere und Soldaten, die an dem Aufstand teilgenommen haben sollen - in Wirklichkeit hatten sie ihn wohl zu verhindern versucht - zwar zu den Truppen Rusas I gehört haben, aber von Ursa-Rusa III hingerichtet worden sein:
Liste der Kunstgegenstände, die gemäß dem Louvre-Text in Mussassir erbeutet wurden: Eine Statue des Ursa mit zwei Pferden und dem Pferd eines Pferdelenkers, dazu der Podest aus Kupferguss, auf dem ... zu lesen war: "Mit meinen zwei Pferden und dem meines Pferdelenkers eroberte ich das Königreich Urartu".44
Wenn "Ursa" generell die assyrische Schreibweise für den urartäischen Namen Rusa gewesen sein sollte, dann kann es sich bei diesem natürlich auch um den Usurpator Rusa I gehandelt haben, der mit Hilfe der Hethiter dem Sohn Sarduri seines Vetters Argischti das Königreich Urartu abgenommen hatte. Ich halte diesen Erfolg jedoch wegen der größeren politischen Breite der ganzen Aktion nicht für geeignet, ihn zwei oder drei Pferden zuzuschreiben. Deshalb möchte ich Ursa für Rusa III halten. Übrigens schreibt Herodot dem Pferd des Darius I, des Enkels von Arsames-Rusa III, ebenfalls das Verdienst zu, seinem Herrn zum Thron verholfen zu haben:
Seine Macht (gemeint ist die des Darius I) war ohne Grenzen, und vor allem ließ er nun ein Reliefbild meißeln und aufstellen, das einen Mann zu Pferde darstellte und die Inschrift trug: Dareios, Sohn des Hystaspes, hat durch seines Pferdes (hier folgt der Name) und seines Stallmeisters Verdienst den persischen Königsthron errungen.45
Da nun diese Pferdegeschichte in den assyrischen Berichten lange vor Darius I auftaucht und zudem inschriftlich verbürgt zu sein scheint, dürfte es sich bei Herodot um eine seiner Verwechslungen handeln. Ganz offensichtlich hat er diese Geschichte, die sich mit Ursa-Uasi abgespielt haben dürfte, auf Darius übertragen. Daraus folgt, dass die Art der Thronbesteigung des Darius, wie sie von Herodot ausführlich überliefert wird, nicht den Tatsachen entsprechen kann. Eine Identität Rusa = Darius scheint am wenigsten gegeben zu sein, zumal sie vor der Plünderung Mussassirs gesehen werden müsste; Darius bestieg seinen ersten Thron aber erst im Jahre 684 ndFl in Kommagene. Eine zeitgenössische Bildunterschrift ist, zumal sie lange vor Herodot verfasst worden sein muss, glaubwürdiger als eine erzählerische Überlieferung, wobei nicht auszuschließen ist, dass Darius diese Geschichte, die ganz offensichtlich seinen Großvater Rusa III = Arsames betrifft, auf sich selbst umgemünzt haben kann.
Man hat ... vermutet, dass Rusa nicht der Sohn seines Vorgängers Sarduri war, sondern ein Usurpator, der Begründer einer neuen Dynastie.46
Dass obiger Ursa der Sohn eines Sarduri war, ist demnach inschriftlich nicht bestätigt. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass es sich um Rusa III, den Sohn des Erimena, handelt. Konventionell wird ja Rusa, der Sohn des Sarduri, für den Enkel des Argischti gehalten, was natürlich unzutreffend ist. Rusa I war lediglich der Nachfolger des Sarduri, des Sohnes des Argischti, also - wie Pjotrowski auch richtig sagt - ein Usurpator. Was er nicht erkennen kann, ist die Tatsache, dass es sich bei diesem Ursa-Rusa auch gar nicht um den Sohn eines Sarduri handelt.
Ein weiteres Argument dafür, dass Ursa = Rusa III statt Rusa I war, scheint mir die Tatsache zu sein, dass die erbeutete Statue des Ursa mit den drei Pferden immer noch im Tempel von Mussassir stand. Ich halte es für sehr unwahrscheinlich, dass der spätere Usurpator eine Statue des von ihm verdrängten früheren Usurpators im Tempel beließ. Wenn ihn nicht Beweggründe der Pietät daran gehindert hätten, müsste er diese Statue eigentlich entfernt haben. Andererseits befand sich zum Zeitpunkt seiner Plünderung durch die Assyrer auch noch eine Statue des Argischti im Tempel, die nicht entfernt worden war. Dennoch möchte ich daran festhalten, dass Ursa-Rusa der eigentliche zweite Rusa und der letzte vor dem sogenannten "Louvre"-Feldzug war. Dieser Feldzug richtet sich in der konventionellen Sicht gegen Rusa, den Sohn des Sarduri, des Sohnes des Argischti, was jedoch falsch ist.
Kyros II = Rusa IV war nach dem Tode seines Vaters Rusa I möglicherweise von Arsames-Urasi-Rusa III an seinem Hof aufgenommen worden; denn mit dessen Sohn Hystaspes, der schon seit dem Umzug seines Vaters nach Armenien nicht mehr in Kommagene weilte, das mittlerweile den Assyrern gehörte, verband ihn trotz der Absetzung seines Vaters eine enge Freundschaft. Die kann sich aber auch erst später entwickelt haben. Jedenfalls nannte sich Rusa IV = Umak-Ischtar-Chundu in einigen Inschriften Tarkondemos von Erme (= Armenien). Er hatte schon im Zusammenhang mit der Inthronisation seines Vaters im Jahre 670 ndFl Kassandane geheiratet, die 651 ndFl geborene Tochter des Pharnaspes = Burnaburiasch-Arnuwandas, des 653 ndFl gefallenen Bruders des Suppiluliumas. Sie war demnach auch die Schwester des Pharnakes = Artaphernes des Älteren und Halbschwester des Darius I. Sie war vermutlich nach dem Tod ihres Vaters mit ihrem Bruder zu Hystaspes gekommen, der ihre Mutter geheiratet hatte. Im Jahre 671 ndFl war ihr und des Kyros' Sohn Kambyses geboren. Rusa IV = Tarkondemos = Kyros war jetzt 28 Jahre alt und seit 663 ndFl schon Unterkönig vermutlich in einer der Erme-Regionen. Durch den Tod seines Vaters wäre er eigentlich König von Urartu geworden; aber Kyros hatte Zeit!.
Arsames von Kummuch (= Kommagene) war ein Vorfahre nicht nur des Darius I, sondern auch des Antiochos I des Großen, der mit Antiochos Hierax von Kommagene ebenso identisch ist wie mit Nabonid = Hattusilis III. Dieser Herrscher, der uns später noch ausführlich beschäftigen wird, usurpierte das Grabmal des Nimrud-Assurbanipal auf dem heute Nemrud Dag (= Berg des Nimrud) genannten Gipfel in Ostanatolien unweit der Stadt Malatya. Dort und in der näheren Umgebung hinterließ Antiochos einige Inschriften, aus welchen u.a. seine Abstammung hervorgeht. Da dies ein sehr umfangreiches Kapitel ist, in welchem zudem mehr vermutet als klargestellt wird, möchte ich hier nicht weiter darauf eingehen.
Es kann nach allem, was zu diesem Thema zusammengetragen wurde, kein Zweifel mehr daran bestehen, dass der Rusa, gegen den Schar-ukin seinen "Louvre"-Feldzug führte, nicht der angebliche Sohn des Sarduri, sondern der Sohn des Erimena ist, nämlich sowohl Ursa = Arsames als auch Uasi = Uassurme und ebenfalls Urzana. Er war ursprünglich nur ein kleiner König von Kommagene und später von Tubal-Tabal, das sich durchaus bis in die Gegend von Mesech-Mussassir erstreckt haben kann.
Mit der Thronbesteigung des zweiten Usurpators namens Rusa beginnt wieder eine äußerst kriegerische Zeit in Urartu und Chatti-Land. Diesmal greift der Konflikt - wie oben schon angedeutet wurde - auch nach Mannai-Mitanni-Medien hinüber.
Im Jahr 722 v.Chr. änderte sich die Situation plötzlich, als Sargon, der Sohn des Tiglath-Pileser III, seinen Bruder (gemeint ist Salmanassar V) gestürzt und den assyrischen Thron eingenommen hatte. Vom Beginn seiner Regierung an zeigte Sargon... Interesse an... Nachbarländern... und im Norden schickte er sich an, ... das Königreich Urartu zu vernichten.47
Der Anachronismus "Sargon 722 v.Chr." ist bedeutungslos; denn die Aktivitäten des Schar-ukin (Sargon) begannen noch unter seinem Vater, und zwar im Jahre 667 ndFl. Die für die urartäische Geschichte wichtigen Jahre 716, 715, 714 und 713 v.Chr. Schar-ukins entsprechen somit den Jahren von 673 bis 676 ndFl. Im Jahre 677 ndFl ermordete er seinen Vater und floh nach Urartu. Von 677 bis 682 ndFl war er dort im Exil. Seine eigentlichen Regierungsjahre zählen von 682 ndFl, in welchem Jahr er seinen Bruder Salmanassar in den Tod trieb, bis 689 ndFl. Seine Regierungsjahre müssen daher anders gezählt werden als seine Feldherrnjahre. Das Jahr der Flucht ist sein 11. Feldherrnjahr (677 ndFl), und sein 1. Regierungsjahr als König von Assyrien ist das 12. Jahr seiner Annalen (682 ndFl), da er die Exiljahre 678-681 ndFl nicht mitgezählt hat.
Im Jahre 716 v.Chr = 673 ndFl sandte Sargon-Scharukin eine Armee nicht nur nach Mannai, sondern auch ins Chatti-Land, schlug "ohne besondere Schwierigkeiten Suppiluliumas, der seinem Schicksal überlassen worden war, begnadigte ihn und errichtete ein Standbild von sich als Symbol der Unterwerfung". Man könnte hier argumentieren, dass schon jetzt - ledig des Schutzes seines Schwagers Suppiluliumas, der von Sanherib besiegt worden war - Rusa I, der Sohn des Sarduri (II), den lange Zeit unterdrückten Machtgelüsten des Rusa III = Arsames zum Opfer fiel. Damit hatte sich letzterer keineswegs die Assyrer zu Freunden gemacht, die jetzt endlich den Weg für ihre "Weltherrschaft" frei sahen. Notgedrungen hätte Suppiluliumas über die Revolte des Rusa III hinwegsehen und ihn zum Bundesgenossen machen müssen. So wäre ein anderer Rusa mit dem Hethiter in den Halyskrieg gezogen: Rusa III statt Rusa I.
Daraufhin sandte Sargon einen Drohbrief nach Mussassir, und Urzana musste sich entschuldigen. In seinem Antwortschreiben spricht er von Neutralität und behauptet, dass die assyrischen Forderungen ungerechtfertigt seien.48
Konventionell wird dieser "Drohbrief" im Anschluss an die Einsetzung Urzanas durch Rusa I in Mussassir (661 ndFl) gesehen. Es wird ja nicht erkannt, dass zwischenzeitlich ein Wechsel stattgefunden hatte, als sich Urzana-Rusa III des Thrones seines Vorgängers Rusa I bemächtigte. Ich sehe weniger Sinn darin, dass sich Urzana für seine Einsetzung durch einen anderen entschuldigen musste; er war nur eine unbedeutende Person im Vergleich mit Suppiluliumas und Rusa I. Bedeutsamer war sein Eingriff in die assyrischen Interessen durch die Absetzung des von den Assyrern unterworfenen Rusa I. Seine Beteuerung, Neutralität zu üben, wird unter diesem Aspekt plausibler. Dass ihm dieses Versprechen, das die Assyrer nur zum Lachen angeregt haben konnte, wenig nützte, wird sich im Jahre 675 ndFl erweisen. Seine Bemühungen zu der in Rede stehenden Zeit werden aber auch durch die folgende Angabe bestätigt:
Im Jahre 654 (v.Chr.; Eig.Anm.: das ist das 15. Jahr des Assurbanipal, entspricht also ebenfalls 673 ndFl) nach dem Sieg Assurbanipals über Te'Uman (Eig.Anm.: das ist Uman-Igasch = Suppiluliumas von Elam-Chatti), den König von Elam, und der Einnahme von Susa (Eig.Anm.: das ist das von den Assyrern zerstörte Hattusas) schickte Rusa II Gesandte zum assyrischen König. "Zu dieser Zeit", so berichten die assyrischen Annalen, "hörte Rusa, der König von Urartu, von der Macht meiner Götter, und Furcht vor meiner Majestät befiel ihn. Daraufhin sandte er seine Prinzen nach Arbela, um mir Grußbotschaften zu überbringen."49
Wer der Vater dieses Rusa war, geht aus den assyrischen Annalen nicht hervor. Die Annahme, es handele sich um Rusa II, den Sohn des Argischti, ist konventionell unterstellt worden und in dieser Sicht nicht anders möglich. Daher ist die konventionelle Aussage "Rusa II" interpretationsfähig. In der konventionell unsicheren Datierung der Regierungsjahre Assurbanipals entspricht das Jahr 654 v.Chr. dem 15. Jahr des Sanherib-Assurbanipal seit seiner Thronbesteigung im Jahre 668 v.Chr. = 659 ndFl (18jährige Regierungszeit Tiglath-Pilesers als Großkönig), also dem Jahr 673 ndFl, in dem Rusa einen Sohn mit einer "Grußbotschaft" zum assyrischen König sandte.
Falls die Annalen tatsächlich dieses Jahr betreffen sollten, also die Niederlage der Chatti und die Einnahme von Susa, dann kann es sich sowohl noch um Rusa I als auch schon um Rusa III handeln. Mit Sicherheit handelt es sich nicht - wie konventionell angenommen wird - um Rusa II, den Sohn des Argischti (I statt II), da dieser Rusa zu keiner Zeit parallel mit Sanherib-Assurbanipal regierte.
Ich halte Rusa III für denjenigen Rusa, der im Jahre 673 ndFl, seinem Antrittsjahr, seine Prinzen nach Arbela (in Assyrien) sandte, unter denen sich gewiss auch der spätere Sarduri III, sein Nachfolger, befand. Diese Gesandtschaft überbrachte wohl auch das "Entschuldigungsschreiben des Urzana", wie es konventionell dargestellt wird.
Te'Uman ist Uman-Igasch = Suppiluliumas. Sein Tod muss mit der Eroberung (Chatti-)Susas, der Hauptstadt Hattusas von West-Edom, nicht in ursächlichem Zusammenhang stehen, wie konventionell angenommen wird. Selbstverständlich kann in konventioneller Sicht Suppiluliumas (14. Jhdt. v.Chr.) weder mit Uman-Igasch (8. Jhdt. v.Chr.) noch mit Te-Uman (7. Jhdt. v.Chr.) identifiziert werden.
Elam
Hier ist es angebracht, etwas über das Land Elam zu sagen. Nach meiner Ansicht erstreckte sich Elam von Chatti aus, wo Suppiluliumas = Uman-Igasch von Elam als Oberhaupt saß, über Urartu und Medien-Mitanni bis nach "Persien", das damals noch nicht so hieß. Hier saßen seit amoritischer Zeit (Kedor-Laomor) die konventionell als die einzigen Elamiter angesehenen, die aber auch mit den Chaldäern in Südmesopotamien in enger Verbindung standen. In der in Rede stehenden Zeit war in Südmesopotamien (vgl. "Ur in Chaldäa") die Familie des Daniel-Beltsazar ansässig, des von Nebukadrezzur zum Statthalter von Babylonien (Babylon und Umgebung) ernannten Marduk-balatsu. Dessen Sohn Merodachbaladan = Nabopolassar stand in den Diensten der Assyrer. Er kann der Bel-iddin (von Allabria?) gewesen sein, der im assyrischen Geheimdienst tätig war.
Elam war in der in Rede stehenden Zeit ein Staatenbund, der nicht annähernd so fest mit Assyrien verbunden war, wie es konventionell gesehen wird. Die Schulwissenschaft hält den Hethiterkönig Suppiluliumas für einen bedeutenden Herrscher, der zeitweise ganz Mesopotamien unter Kontrolle hatte. Nun lebte aber dieser Großkönig in konventioneller Sicht sechshundert Jahre vor Sanherib, so dass es scheinbar keine Probleme gibt, die Assyrer in der Zeit Assurbanipals bzw. Sanheribs als die Herren ganz Vorderasiens anzusehen, wo in assyrischer bzw. "späthethitischer" Zeit nur unbedeutende Kleinstaaten unter assyrischer Oberherrschaft bestanden haben sollen.
Man muss doch wohl offensichtlich davon ausgehen, dass seit den Tagen des Assur-Uballit dieses Gebilde Elam weitgehend selbständig war, das heißt, dass die Assyrer hier nichts zu sagen hatten. Das bedeutet aber auch, dass der Machtbereich des Sanherib vor 673 ndFl (Eroberung Susas) nicht so groß war, wie konventionell angenommen wird. Tuschratta, der als Vasall der Assyrer kaum mit Ägypten aus eigener Initiative hätte korrespondieren können, konnte das als Partner in einem Elamitischen Bund, der bestenfalls unter urartäischer Oberhoheit stand, ebenso gut wie Suppiluliumas tun.
Nach dem ersten Teil der Halys-Schlacht im Jahre 673 ndFl, in dem auch (Chatti-)Susa = Hattusas zerstört wurde, musste sich Suppiluliumas zunächst geschlagen geben: Ullusunu fiel in die Hände der Assyrer, und Sanherib begnadigte ihn wieder. Mit irgendeinem unbedeutenden Ullusunu, der nicht der Sohn der Nakita-Nikalmati war und Suppiluliumas hieß, wäre Sanherib gewiss nicht so glimpflich verfahren. Dass sich Suppiluliumas noch im selben Jahr für die Niederlage zu Beginn des Krieges revanchieren würde, konnte er wohl nicht ahnen. Zum Nachfolger des Ullusunu setzte Schar-ukin den Vater des Mattiuw-Aza, Daiukku-Deiokes-Tuschratta, in Mannai auf den Thron. Mattiuw-Aza war vermutlich vorübergehend in hethitischer Gefangenschaft.
In demselben Jahr 673 ndFl tat sich auch wieder etwas in Babylon: Im 2. Jahr wurde Nadinu (der Sohn Nabonassars) bei einer Revolution getötet. Zwei Jahre lang übte Nadinu die Königsherrschaft über Babylon aus. (Nabu-)Schum-ukin, der Statthalter, ein Aufrührer, setzte sich auf den Thron. Zwei Monate lang übte Schumukin die Königsherrschaft über Babylon aus. (Nabu-)Ukin-zer, der Chaldäer, vertrieb ihn und bemächtigte sich des Thrones. (babylonische Chronik)
Schamasch-(Nabu-/Bel-)schum-ukin, ein Sohn des Samsi-Adad mit Semiramis, war ein Halbbruder Sanherib-Assurbanipals, der nach dessen Sieg über die Elamiter den Sohn seines (Halb-)Bruders Nabonassar vom Thron stürzte, nach dem Sieg des Suppiluliumas aber von dessen Sohn, dem Chaldäer Nabu-ukin-zer, Marduk-Muschezib, Schuzub = Mursilis II, wieder vertrieben und gefangengenommen wurde.
Es gelang dem Assyrer, den Chaldäer Nabu-ukin-zer im Jahre 675 ndFl wieder aus Babylon zu vertreiben und seinen Sohn Assur- oder Ellil-nadin-schum in Babylon einzusetzen. Es ist nur wenig über ihn bekannt; er könnte ein Neffe des Nabu-nadin-zer, des Sohnes des Nabonassar, gewesen sein; denn Nabonassar war ein Schum-Sohn des "Priesters des Gottes Ellil-Adad", nämlich des Samsi-Adad, und somit wäre auch der eventuelle Sohn seiner Tochter ein Schum gewesen, wenn Sanherib diesen Sohn mit einer Tochter des Nabonassar bzw. Nabunassir gezeugt haben sollte.
Sowohl für Ellil- als auch für den zweifellos mit diesem identischen Assur-nadin-schum werden mehrere Regierungsjahre ausgewiesen. Da letzterer nach der Chronik in elamitische Gefangenschaft geriet, so ist anzunehmen, dass nach ihm ein Elamiter bzw. Chaldäer auf den Thron in Babylon kam. Das war jedoch nicht der Fall, sondern es kam der schon bekannte Sohn des Samsi-Adad wieder auf den Thron in Babylon, der seit 659 ndFl in Uruk residierte: Ellil- bzw. Assur-nadin-schum wurde noch im selben Jahr von Nergal-Uschezib = Schuzub, dem Babylonier, gestürzt, den wir auch unter dem Namen Nabu-/Bel-schum-ukin kennen. Er machte sich zum Schamasch-schum-ukin, das heißt er ernannte sich im Jahre 675 ndFl zum Großkönig, was seinem Halbbruder Sanherib-Assurbanipal natürlich sehr missfiel. Der zog nach Babylon, zerstörte die Stadt völlig, und Schamasch-schum-ukin (Saosduchin) verbrannte in seinem Palast. Erst unter Salman-Asarhaddon wurde die Stadt wieder aufgebaut. Nach dieser Aktion "war ein Jahr lang kein König in Babylon", bis sich 676 ndFl Merodachbaladan-Nabopolassar hier wieder auf den Thron setzte.
Sanherib-Assurbanipal befand sich im Jahre 675 ndFl in einem Dreifrontenkrieg: Er selbst zog - vermutlich gemeinsam mit seinem Sohn Salman-Asarhaddon - gegen den selbsternannten Großkönig in Babylon, während sich sein Sohn Schar-ukin zu dem schon mehrfach erwähnten Louvre-Feldzug in die entgegengesetzte Richtung aufmachte. Der Rabsakeh-Tharthan Joas-Josia-Josua (II) belagerte in diesem Jahr die judäischen Städte Lachisch und Jerusalem; doch die Pest zwang ihn zum Abzug. Die Assyrer wollten im Jahre 675 ndFl das Übel an allen Wurzeln packen. An der zweiten Front des Jahres 675 ndFl, in Urartu-Mannai bzw. Medien, kam es in diesem Jahr zu einer weiteren gegen Assyrien gerichteten Maßnahme, deren Vorspiel bereits im Jahre 674 ndFl stattfand: Im folgenden Jahr (715 v.Chr., entspricht 674 ndFl) arrangierte Rusa (es ist jetzt Rusa III) eine weitere Rebellion. Sargon (= Schar-ukin) marschierte wieder gegen Mannai und verschleppte den neuen König Daiukku, nach Hamath...50
Es liegt nahe, dass Sargon den Meder Deiokes als Nachfolger des Ullusunu hier eingesetzt hatte. Einen von den Feinden eingesetzten Deiokes hätte er nicht nach Syrien "verschleppt", sondern er hätte ihn geköpft. Offenbar hatte Rusa III Daiukku-Tuschratta vertrieben und Mattiuw-Aza wieder in Medien eingesetzt. Daiukku war nach Hamath geflohen! Von einer Rebellion in Mannai, die von Rusa inszeniert wurde, kann also durchaus die Rede sein.
Die Vertreibung des Deiokes (715 v.Chr.) gehört ins Jahr 674 ndFl. Eine kriegerische Handlung seitens der Assyrer gegen Elam-Urartu-Mannai ist hiermit offenbar nicht verbunden gewesen. Erst im folgenden Jahr zogen die Assyrer sowohl gegen Babylonien als auch gegen Mannai und Urartu.
Im Jahre 675 ndFl zog Tiglath-(= Tukulti-)Ninurta-Pileser gegen Babylon: Im 3. Jahr Ukin-zers (Eig.Anm.: gemeint ist zweifellos Nabu-/Schamasch-schum-ukin, für den dieses Jahr das dritte seit 673 ndFl ist), als Tiglath-Pileser in das Land Akkad eindrang, zerstörte er Bit-Amuk-kani und nahm Ukin-zer (richtig: Schum-ukin) gefangen. 3 Jahre lang übte Ukin-zer (Schum-ukin) die Königsherrschaft über Babylon aus. Tiglath-Pileser setzte sich in Babylon auf den Thron.
So die babylonische Chronik; Bit-Amuk-kani ist der babylonische Name der Zikkurat, des Stufenturms von Babylon, der auf assyrisch E-temen-anki lautet. Für die Stadt Babylon bedeutete dieser Zug des Assyrers beinahe das Verschwinden aus der Geschichte, und für das Land Urartu war der Zug des Schar-ukin, den dieser im selben Jahr unternahm, eine ebenso große Katastrophe51:
Im Jahre 714 v.Chr. (Eig.Anm.: entspricht 675 ndFl) unternahm Sargon (gemeint ist Schar-ukin) die entscheidende Aktion gegen Urartu. Er sandte seine Armeen in die Länder östlich des Urmiasees zu einer Operation, die schon lange ins Auge gefasst war. Über diesen Feldzug sind wir gut informiert durch eine große Tontafel, die sich jetzt im Louvre befindet. Sie enthält einen Bericht an den Gott Assur, der in literarischer Form abgefasst ist. Die Schlusszeilen nennen nicht nur den Autor Tab-schar-Assur, den Schreiber einer Anzahl Geheimdienstberichte, sondern auch den Schreiber Nabu-schallim-schunu, "großer königlicher Schreiber, oberster Weiser und Wesir Sargons, des Königs von Assur, ältester Sohn des Harmakku, des königlichen Schreibers in Assur".
Es ist zu bedenken, dass der Feldzug nicht von einem Großkönig von Assyrien, sondern von dem Feldherrn Schar-ukin (= Sargon) des Großkönigs Sanherib-Assurbanipal geführt worden ist, der sich aber durchaus "König von (der Stadt und Umgebung) Assur" nennen konnte. Infolgedessen kann der Bericht an den Gott Assur an Assurbanipal gerichtet gewesen sein. Der Autor Tab-Schar-Assur kann andererseits mit Schar-ukin = Assur-nasirpal sogar identisch sein, der mit Sicherheit schon "eine Anzahl Geheimdienstberichte" an seinen Vater geschrieben hatte. Deshalb halte ich diese Identität für sehr wahrscheinlich; wer sonst sollte auch den Bericht über diesen "Louvre"-Feldzug verfasst haben, wenn nicht der verantwortliche Feldherr selbst?
Die Aussagen dieses Gottesbriefes werden ergänzt durch einige Reliefs, die in einem Raum des Sargon-Palastes in Dur-Scharukin gefunden wurden. ... Sie stellen (nur noch) das Ende des Feldzuges, die Einnahme von Mussassir, dar und komplementieren und illustrieren ... den Louvre-Text.52
Letzter Stand: 8. Juni 2012
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Boris Pjotrowski, Urartu, Seite 86 |
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Anlage zu Dr. John C. Whitcomb, Darius der Meder, Verlag Bibel und Gemeinde, Waldbronn |
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Boris Pjotrowski, Urartu, Seite 92 f. |
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Boris Pjotrowski, Urartu, Seite 92 f. |
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Boris Pjotrowski, Urartu, Seite 92; |
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Boris Pjotrowski, Urartu, Seite 103; |
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Herodot, Bücher der Geschichte, III, 88; |
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Boris Pjotrowski, Urartu, Seite 105 |
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Boris Pjotrowski, Urartu, Seite 91; |
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Boris Pjotrowski, Urartu, Seite 92; |
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Boris Pjotrowski, Urartu, Seite 127; |
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Boris Pjotrowski, Urartu, Seite 93 |
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Boris Pjotrowski, Urartu, Seite 93 f. |
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Boris Pjotrowski, Urartu, Fortsetzung Seite 94; |
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