Neuntes Buch: Kyros
2. Kapitel:
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Die Medo-Perser
Teil V: Vorderasien bis zum Tode des Kambyses (1. Teil)
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Die medo-persische Geschichte vollzieht sich am Anfang des in Rede stehenden Berichtszeitraumes vor dem Hintergrund der allmählich zu Ende gehenden assyrischen Geschichte. Es ist daher angebracht, zunächst noch einmal kurz auf die babylonische Chronik einzugehen, in der natürlich auch die Synchronismen mit Assyrien enthalten sind1:
659 ndFl: Im 3. Jahr Nabonassars (Nabu-nassir, 747-734 v. Chr.), des Königs von Babylon, setzte sich Tiglath-Pileser (Tukulti-apil-escharra, 745-727 v.Chr.) im Lande Assur auf den Thron. In demselben Jahr zog der König vom Lande Assur zum Land Akkad (Babylonien) hinunter und plünderte die Städte Rapichu und Chamranu und führte die Götter der Stadt Schapazza weg.
Zur Zeit des Nabonassar fiel Borsippa von Babylonien ab. Der Kampf, den Nabonassar gegen Borsippa führte, ist nicht verzeichnet.
Dazu ist anzumerken, dass - wie ich in dem entsprechenden Kapitel schon sagte - Nabonassar vermutlich der Großkönig war, dem der Assyrer unterstand und für den er die obigen Feldzüge führte. Es war demnach eher eine Revolte gegen den Babylonier als gegen den Assyrer, die von Tiglath-Pileser (= Sanherib) niedergeschlagen wurde; das gilt dann auch für den Kampf gegen Borsippa.
Nabu-(schum?-)nassir ist der "Sohn des Priesters des Gottes Adad (= Ellil)", also des Samsi-Adad-schum-idin. Sein Name klingt an den des Adad-schum-nassir an, den rechtmäßigen Thronfolger nach Samsi-Adad, der von Nebukadrezzur zunächst verdrängt wurde und später im Zweikampf mit dem Usurpator getötet worden sein soll. Ich habe in dem entsprechenden Kapitel schon gesagt, dass Adad-schum-nassir zwar seinen Halbbruder Nabu-/Ellil-kudur-ussur = Nebukadrezzur im Zweikampf vor Assur getötet hat, dass er aber nicht unbedingt selbst auch gefallen sein muss. Die Tatsache, dass er nicht sogleich auf den Thron stieg, sondern dem Babylon-Eroberer Tudhaliyas-Kurigalzu = Mursilis I den Vortritt lassen musste, mag die Wissenschaft zu der Annahme verleitet haben, er sei ebenfalls getötet worden. Erst im Jahre 657 ndFl, mithin 28 Jahre nach dem Tode seines Vaters, kam er auf den Thron des - wie ich meine - Großkönigs in Babylon. Assur-Uballit, der zu dieser Zeit König von Assyrien und vermutlich auch von Chatti-Land war, kann von Nabu-nassir unterstützt worden sein, so dass er ihm verpflichtet war und seine Oberherrschaft anerkannte.
661 ndFl: Im 5. Jahr Nabonassars setzte sich Ummanigasch im Lande Elam auf den Thron.
Uman-Igasch (ich bevorzuge diese Schreibweise) ist der Hethiterkönig Suppiluliumas, der sich in Elam-West (Isin, Kleinasien) im kissischen Susa (= Hattusas) auf den Thron gesetzt hat. Er wird 26 Jahre von hier aus regieren.
671 ndFl: Im 14. Jahr erkrankte Nabonassar und starb in seinem Palast. 14 Jahre lang übte Nabonassar die Königsherrschaft über Babylon aus. Nadinu (Nabu-nadin-zer, 733-732 v.Chr.), sein Sohn, setzte sich in Babylon auf den Thron.
Die häufige Erwähnung Nabonassars, und dazu noch an erster Stelle, sowie die chronologische Einteilung in Jahre seiner Regierung spricht dafür, dass es sich bei ihm um die höchste Autorität im Lande handelt. Allgemein wird seine Regierungszeit als das "Zeitalter Nabonassars" bezeichnet.
673 ndFl: Im 2. Jahr wurde Nadinu in einer Revolution getötet. 2 Jahre lang übte Nadinu die Königsherrschaft über Babylon aus.
Königsfolge in Babylon in assyrischer Zeit |
653 |
NABU-SCHUM-UKIN |
so gen. "Interregnum": |
653-656 |
MERODACHBALADAN*) |
= 1. |
656 |
MARDUK-ZAKIR-SCHUM |
= 2. |
656 |
MARDUK-BEL-USATI |
= 3. |
656-657 |
SALMANASSAR Schutzherr |
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657-671 |
NABUNASSIR/NABONASSAR |
= 4. |
671-673 |
NABU-NADIN-ZER |
= 5. |
673 |
NABU-SCHUM-UKIN |
= Nabu-schum-ischkun |
673 |
Halys-Schlacht |
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673-674 |
MURSILIS II UKIN-ZER |
= Marduk-bel-zeri |
674-675 |
ASSUR/ELLIL-NADIN-SCH. |
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675 |
SCHAMASCH-SCHUM-UKIN |
= Nabu-schum-ischkun |
675 |
Zerstörung Babylons |
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675-676 |
S A N H E R I B |
= Ninurta-apal- und |
677 |
Tod NIMRUDS |
Eriba-Marduk |
676-696 |
NABOPOLASSAR*) |
= Marduk-apal-ussur |
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*) beide identisch |
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Schum-ukin (Nabu-schum-ukin, 732 v.Chr.), der Statthalter, ein Aufrührer, setzte sich auf den Thron. 2 Monate lang ... Tage übte Schum-ukin die Königsherrschaft über Babylon aus. Ukin-zer (731-729 v.Chr.) ... vertrieb ihn vom Thron und bemächtigte sich des Thrones.
Die Revolte gegen Nadinu kann mit zu der Halys-Schlacht dieses Jahres geführt haben. Die Absetzung des Schum-ukin war eine Folge deren Ausganges. Der Sohn des Halys-Siegers Suppiluliumas stieg auf den Thron von Babylon: Ukin-zer, der Chaldäer, der auch der Hethiterkönig Mursilis II ist.
675 ndFl: Im 3. Jahr Ukin-zers, als Tiglath-Pileser in das Land Akkad drang, zerstörte er Bit-Amukkani und nahm Ukinzer gefangen. 3 Jahre lang übte Ukin-zer die Königsherrschaft über Babylon aus. Tiglath-Pileser setzte sich in Babylon auf den Thron (728 v.Chr.).
Der Chronist hat, wie wir aus den Quellen zu Sanherib und Assurbanipal erfahren können, dieses Jahr etwas entstellt wiedergegeben: Tiglath-Pileser = Sanherib hatte schon im Vorjahr den Chaldäer Nabu-ukin-zer aus Babylon vertrieben und an dessen Statt seinen angeblichen Sohn Assur-/Ellil-nadin-schum eingesetzt, der dann im Jahr darauf von seinem mutmaßlichen Onkel Nabu-/Bel-/Schamasch-schum-ukin/ischkun wieder abgesetzt wurde. Dem Chronist entging dieser zweite Auftritt des Schum-ukin, und dieser war es, der von seinem Halbbruder Sanherib bekämpft wurde. Schließlich wurde der Turm (die Zikkurat) Bit-Amuk-kani = E-temen-anki und mit ihm die ganze Stadt Babylon von Tukulti-Ninurta = Tiglath-Pileser = Sanherib = Assurbanipal zerstört. Schum-ukin verbrannte in seinem Palast, und Ukin-zer = Mursilis II, der Chaldäer Muschezib-Marduk und Sohn des Uman-Igasch = Suppiluliumas, kann durchaus von Sanherib vor oder auch in Babylon gefangengenommen worden sein. Tiglath-Pileser setzte in Babylon vermutlich seinen Sohn Salmanassar als Statthalter ein.
Im Jahre 675 ndFl musste sich Sanherib außer in Babylonien noch an mindestens drei anderen Fronten gegen seine immer zahlreicher werdenden Widersacher zur Wehr setzen: Auf dem Louvre-Feldzug musste sein Sohn Schar-ukin in Urartu für die assyrischen Interessen kämpfen, und vor Jerusalem endete die Belagerung in einer Pest-Katastrophe, die seinen Tartan-Rabsakeh Joas-Josia-Josua zum Abbruch zwang.
Es müsste Salmanassar-Asarhaddon gewesen sein, der mit dem assyrischen Teilheer gegen die Chaldäer in Südmesopotamien zog. Über die dortigen assyrischen Erfolge informiert uns eine Chronik, die uns fortan in diesem Kapitel begleiten wird. Es ist die nach ihrem Herausgeber C. J. Gadd benannte Gadd-Chronik2:
Die Truppen des Landes Assur kamen nach Nippur, und Nabopolassar (Nabu-apal-ussur) zog sich vor ihnen zurück, aber das Heer des Landes Assur und die Bewohner von Nippur kamen hinter ihm her bis nach Uruk.
Nabopolassar-Merodachbaladan (Nabu/Marduk-apal-ussur/idin) saß seit dem Umzug des Nabu-(Schamasch-)schum-ukin nach Babylon vermutlich schon in Uruk, wo letzterer seit 659 ndFl residiert hatte. Er kann aber auch in Nippur seine Residenz gehabt haben und erst jetzt im Zuge der Ereignisse des Jahres 675 ndFl nach Uruk gekommen sein.
ndFl |
Herrscher in Uruk in assyrischer Zeit |
geboren |
653-659 |
KASCHTILIASCH = SUPPILULIUMAS |
624 |
659-675 |
ADAD-MUSCHESCH = NABU-SCHUM-UKIN |
620 |
675-676 |
NABU-APAL-IDIN = NABOPOLASSAR |
630 |
676-681 |
NABU-UKIN-ZER = MURSILIS II |
646 |
In der Gadd-Chronik heißt es weiter: In Uruk kämpften sie gegen Nabopolassar und zogen sich vor Nabopolassar zurück.
Der hier erwähnte Feldzug dürfte gemeint sein, wenn der Chronist jetzt erst schreibt: Im Monat Ajjaru (April/Mai) kam das Heer des Landes Assur ins Land Akkad (Eig.Anm.: damit ist konventionell Babylonien gemeint) hinunter. Denn die nächste Aktivität findet erst ein halbes Jahr später statt. Der Rückzug der Assyrer vor Nabopolassar war zwar kein Erfolg; doch zunächst war der Chaldäer in Uruk zur Ruhe gebracht, und das assyrische Heer konnte sich vor Babylon mit dem anderen Teilheer vereinigen. Von dort wird in der Chronik dann merkwürdigerweise - immerhin wurde die Stadt erobert und zerstört - von keinem assyrischen Erfolg berichtet:
Im Monat Taschritu (Sept./Okt.) am 12. Tage, als das Heer des Landes Assur gegen Babylon gezogen war und als am gleichen Tage die Babylonier aus Babylon herausgezogen waren, kämpften sie gegen das Heer des Landes Assur und bereiteten dem Heer des Landes Assur eine große Niederlage. Sie plünderten sie.
Die Zerstörung Babylons hatte wohl dazu geführt, dass die Bewohner die Stadt fluchtartig verlassen hatten. Mit "sie" ist das chaldäische Heer des Nabopolassar gemeint, das dem bedrängten Nabu/Schamasch/Bel-schum-ukin/ischkun zu Hilfe geeilt aber zu spät gekommen war, den abziehenden Assyrern jedoch noch einen Denkzettel verpassen konnte. Die Familie des umgekommenen Schum-ukin = Nergal-Uschezib = Schuzub, des Babyloniers wurde von Nabu-ukin-zer = Muschezib-Marduk = Schuzub, dem Chaldäer = Mursilis II aufgenommen, der die Witwe heiratete und den Sohn Nergal-Muwatallis adoptierte, der konventionell als sein echter Sohn angesehen wird. Der Chaldäer Mursilis II, der Sohn des Suppiluliumas und der Verfasser der in dieser Zeit entstandenen Pestgedichte, befand sich im Gefolge des Chaldäers Nabopolassar, mit dem Velikovsky ihn sogar fälschlich identifiziert hat. Bis zum Vorjahr hatte Mursilis/Nabu-ukin-zer noch selbst in Babylon auf dem Thron gesessen. Wie ich oben andeutete, kann Sanherib ihn gefangengenommen haben, wodurch sich die Heirat dann etwas verzögert hätte.
Die Stadt Babylon war wüst und leer. Die Chronik vermeldet kurz und trocken: Ein Jahr war kein König im Lande. Von etwa Mitte 675 ndFl bis in die zweite Hälfte 676 ndFl war Babylon offenbar ohne Herrscher. Sanherib könnte Salman-Asarhaddon in dessen 27./28. Jahr hier als Statthalter eingesetzt haben. Im folgenden Jahr kam jener Mann nach Babylon, der hier schon einmal für kurze Zeit gesessen hatte und den wir im Vorjahr auch schon vor Babylon angetroffen haben. Die Gadd-Chronik schreibt:
Im Monat Arachsamnu am 26. Tage (= 23. Nov. 626 v.Chr.) setzte sich Nabopolassar in Babylon auf den Thron. ...
Im 1. Jahr des Nabopolassar im Monat Nisannu (März/April) am 17. Tage fiel ein Schrecken auf Babylon.
Der Schrecken wird nicht näher beschrieben; aber nach der Zerstörung der Stadt kann nur ein noch größerer Schrecken gemeint sein, wenn er ausdrücklich erwähnt wird. Es dürfte sich zweifellos um den scheinbaren Sonnenstillstand gehandelt haben, der mit Sicherheit für eine allgemeine Furcht gesorgt hat.
Mit dem Jahr 676 ndFl begann nicht nur ein neuer Kalender, sondern es begann auch ein neues Zeitalter. Jedenfalls stellt es sich uns heutigen Beobachtern so dar. Das Hauptgewicht der internationalen Diplomatie verlagerte sich ein ganzes Stück weiter nach Westen: Das persische Großreich deutete sich am Horizont schon an, und auch die Griechen und Makedonen, ja selbst die Römer wurden zu den "Machern" der Politik, mithin der Geschichte.
Eigentlich begann die neue Epoche erst im Jahre 677 ndFl; denn aus kalendertechnischen Gründen muss ich den scheinbaren Sonnenstillstand, obwohl er in den ersten Monat, den Nisannu, gehört, noch zum Jahr 676 ndFl zählen, dem ersten Jahr des Nabopolassar in Babylon. Das ist aber nicht so unverträglich wie es scheint. Der Kalender kam durch dieses Ereignis ohnehin ins Schleudern, und Josia musste im Jahre 678 ndFl schon die Passah-(Kalender-)Reform durchführen, so wie Numa Pompilius den römischen Kalender den veränderten astronomischen Gegebenheiten anpassen musste.
Ausgelöst durch den scheinbaren Sonnenstillstand war das "Epagomenenjahr" entstanden, das mit seinen 375 Tagen ein erhebliches Stück länger war als das davor bestehende Olympiadenjahr mit seinen 361,25 Tagen. Die griechische Vierjahres-Olympiade und der jüdische Usia-Kalender mit ihren 49 synodischen und 53 siderischen Monaten in vier Sonnenjahren waren nicht mehr zu gebrauchen. Auch im Vergleich mit dem heutigen 365,2422-Tage-Jahr, das erst im Jahre 728 ndFl ("Xerxes-Nacht") entstand, war das Epagomenenjahr ungewöhnlich lang. Es wurden Doppeljahre mit 25 Monaten zu je 30 Tagen = 750 Tagen eingeführt. Im AT wird eine solche Periode "Zeit" genannt, was vermutlich ein Fehler in der Übersetzung ist; denn da man heute immer noch davon ausgeht, dass das Jahr seit unvordenklicher Zeit 365,2422 Tage hat, konnte der Übersetzer nicht davon ausgehen, dass mit dem, was er mit "Zeit" übersetzte, ein Doppeljahr zu 750 Tagen gemeint war. Andere Völker rechneten mit 360 Tagen plus 15 Schalttagen, wie es der Grieche oder Kleinasiate Herodot (I, 32) vormacht.
Fortan zählten die Griechen nicht mehr in ersten bis vierten Jahren einer Olympiade, sondern sie zählten die Jahre seit dem Beginn der Olympiaden-Rechnung jetzt einzeln weiter. So wurde aus dem ersten Jahr der 14. Olympiade das 53. Olympiadenjahr. Einen Beweis für diese Zählweise finden wir bei Xenophon in seinen Hellenika. Dort bezeichnet er das Jahr, das in der berichtigten Chronologie dem Jahr 716 ndFl entspricht, als "die 93. Olympiade". Das ist das Ergebnis der Rechnung 624 + 92 = 716. Konventionell wird diese Rechnung im Vierjahres-Modus vorgenommen, wodurch sich die Rechnung 776 minus (4 mal 92 =) 368 = 408 v.Chr. ergibt, was zur Entstellung der Altertumsgeschichte nicht unwesentlich beigetragen hat.
Im Jahre 763 v.Chr., dem 40. Jahr des (Sanh-)Eriba-Marduk, soll angeblich eine Sonnenfinsternis stattgefunden haben, an die die assyrische Chronologie (nach Adad-nirari II) angebunden worden ist. Hierüber und besonders über das damit verbundene konventionelle Missverständnis wurde an anderen Stellen schon abgehandelt. Wir halten hier lediglich fest, dass es sich um das vorletzte Jahr des Eriba-Marduk handelt, also um das Jahr 676 ndFl, ein Jahr vor dem Mord an Sanherib-Assurbanipal. Die "Sonnenfinsternis" war der scheinbare Sonnenstillstand. Anhand eines total falschen Kalenders dürfte es ohnehin unmöglich sein, eine Sonnenfinsternis zu datieren.
Wie ich eingangs schon sagte, rechne ich diesen Schrecken noch in das Jahr 676 ndFl. Abzuhandeln brauche ich darüber nicht mehr. Ich habe diesen Schrecken ausführlich im Band 4 (VIII. Buch, 4. Kapitel Der scheinbare Sonnenstillstand) beschrieben, wie ihn Merodachbaladan erlebte.
In besagtem Kapitel habe ich schon gezeigt, dass letzterer mit Nabopolassar identisch ist; denn dessen Sohn ist auch der des Merodachbaladan: Nebukadnezar = Nabu-ach-idin-zer = Nabuchodonoser.
Nach Uruk ging jetzt als Nachfolger des Nabopolassar dessen schon erwähnter Gefolgsmann Nabu-ukin-zer = Muschezib-Marduk = Schuzub, der Chaldäer = Mursilis II, den Sanherib gewiss schon bald wieder freigelassen hatte.
Ich halte Nabopolassar auch für den (älteren) Gobryas des Herodot, der mit dem Gaubaruva persischer Texte und dem Gubaru einiger babylonischer Texte identisch sein dürfte, auf die ich noch zu sprechen komme. Da Darius, der 654 ndFl geborene Sohn des Hystaspes, eine Tochter des Gobryas heiratete, die sehr wahrscheinlich die erste Ehefrau dieses Persers war, so steht die Frage im Raum, wie denn der Perser in die Nähe der Chaldäer geraten sein könnte.
Wir stehen hier kurz vor der Erkenntnis, dass die Chaldäer wie die Perser ihren Ursprung (= par-uviyat?) in dem alten Parsu-Masch (= par-uviyat?) hatten, das wir auch unter den Namen Tubal-Mesech und Urartu kennen und das ein Teil des großen Elam ist, das vom Bosporus über Urartu und östlich an Mesopotamien vorbei halbmondförmig zum Persischen Golf reichte. Zu den hier lebenden Völkern zählten auch die Hethiter, die schon bei alten Historiografen teils als Meder und teils als Perser und sogar als Lyder bezeichnet wurden.
Diese "Völker" werden in der Geschichte nicht durch ihre Bürger vertreten, sondern durch ihre Herrscherschicht, die sich auf die "Götter" zurückführte und sich entsprechend gebärdete. Sie, die Herrscher, waren alle miteinander verwandt und mehr oder weniger verfeindet. Freunde waren sie nur, wenn es gemeinsame Interessen gegen einen anderen aus ihrer Familie gab. So treffen wir immer wieder auf unterschiedliche Koalitionen, die nicht von langer Dauer sein müssen. Eine dieser Koalitionen war zweifellos die des Mursilis, eine andere scheint die des Hystaspes-Sohnes mit Nabopolassar-Gobryas gewesen zu sein.
Wir erinnern uns: Hystaspes heiratete im Jahre 653 ndFl die Witwe des Arnuwandas-Burnaburiasch-Pharnaspes, und in diesem Zusammenhang adoptierte er auch die beiden Kinder des Paares, den Sohn Pharnakes-Artaphernes (den Älteren) und die Tochter Kassandane. Diese Frau heiratete Kyros, und zwar vermutlich im Jahre 670 ndFl; denn schon im Jahre 671 ndFl wurde der Sohn Kambyses der beiden geboren. Die Tochter Atossa, die spätere Gemahlin des Darius, des Sohnes von Hystaspes, kam um 673 ndFl zur Welt.
Hystaspes selbst könnte ebenfalls noch gelebt haben, wenn er nicht im Jahre 659/660 ndFl gestorben sein sollte, wie ich in einem voranstehenden Kapitel angedeutet habe, sondern lediglich aus Kommagene vertrieben worden wäre, um dem "gottlosen Hethiter" Mutallu Platz zu machen. Herodot (I, 209) erwähnt Hystaspes noch im vermeintlichen "Todes"-Jahr des Kyros mit diesem im Bunde. Dabei handelt es sich jedoch um dessen Antrittsjahr 686 ndFl als König Rusa IV von Gesamt-Urartu = Parsu-Masch. Er gibt das Alter des Darius zu diesem Zeitpunkt mit "noch nicht zwanzig Jahren" an, was nicht korrekt ist; denn Darius war damals schon 32 Jahre alt, beim Tod des Kyros sogar schon 38.
Auch kann der Hinweis bei Herodot (III, 70) im Zusammenhang mit der Thronbesteigung des Darius in Persien, dass dessen Vater Hystaspes Statthalter von Persien gewesen sei, in der Weise gedeutet werden, dass Hystaspes zu diesem Zeitpunkt (700 ndFl; er wäre 72 Jahre alt gewesen) noch lebte.
Im Jahre 676 ndFl stand nach Lage der Dinge Nabopolassar = Merodach-Baladan = Gobryas mit Kyros-Umak-Ischtar-Chundu von Erme-Armenien und mit Hystaspes sowie mit dessen 22-jährigem Sohn Darius, der in diesem Jahr volljährig und heerfähig geworden war, vor Babylon. Sie vertrieben den Statthalter des Sanherib-Assurbanipal, vermutlich dessen Sohn Salman-Asarhaddon, und setzten den Chaldäer, der übrigens ein Sohn des Iddo-Daniel-Beltsazar mit der Tochter des Nebukadrezzur war, hier auf den Thron.
Darius könnte bei dieser Gelegenheit die Gobryas-Tochter geheiratet haben, die Parysatis geheißen haben könnte, was aber nicht sicher ist. Bei den ungenauen Angaben in den Schriften der Historiografen jener Zeit, die mit vielen Verwechslungen von Personen und Ereignissen einhergehen, ist eine exakte Aussage schwierig. Die Gemahlin des mit Darius (I) identischen sechsten Königs aus der Isin-Dynastie, des Lipit-Ischtar, heißt Ischta(r)-Pariya, was an den Namen Parysatis anklingt. Trotzdem kann es sich bei Ischtar-Parysatis auch um die Tochter Atossa des Kyros gehandelt haben, mit der Darius ebenfalls verheiratet war, und zwar von dem Jahr an, in welchem Darius von Kyros in Hattusas eingesetzt wurde: 687 ndFl.
Dazu kann das Buch Esther im AT auch nicht viel Klarheit verschaffen. Dort verstößt Darius (hier jedoch Achasveros genannt, was nicht richtig ist, wie ich zu gegebener Zeit klarstellen werde) seine Frau Vasti (Ischtar-Parysatis?), um die Jüdin Hadassa-Esther (Ischtar-Atossa?) zu heiraten. Xenophon berichtet später von den "Dörfern der Parysatis", durch die er gekommen ist, was darauf schließen lässt, dass diese geschiedene Frau abgefunden worden ist. Herodot macht ebenfalls deutlich, dass Darius Söhne sowohl von der einen als auch von der anderen Frau hatte; er verwechselt jedoch Personen und Ereignisse, die hier noch nicht näher besprochen werden müssen. Es geht um die Thronfolge nach dem Tode des Darius; und da liegt das Problem: denn die Söhne der Tochter des Gobryas sind offensichtlich nicht die geeigneten Nachfolger, wenn sie auch älter sind als die Söhne der Kyros-Tochter Atossa.
Eindeutig von Parysatis, die mit großer Wahrscheinlichkeit die Tochter des Gobryas war, stammte der Sohn Ariobarzanes = Arsames, Arschama, Arschu oder Arses des Darius, der jedoch nicht der älteste gewesen sein muss; denn der vorgesehene Thronfolger war offensichtlich Achaimenes der Jüngere (es wurde jetzt gebräuchlich, Söhnen die Namen ihrer Großväter oder auch älterer Vorfahren zu geben), der in Ägypten Aach-mes hieß und hier ermordet wurde. An seine Stelle rückte offenbar Arsames der Jüngere nach, der dann auch als Artaxerxes Mnemon oder Arses auf Darius (I = II) folgte. Mit ihm begannen die Zwistigkeiten mit den Halbbrüdern, also den Söhnen der Atossa, und zwar zunächst mit Kyros dem Jüngeren und dann mit Xerxes. Das alles ist bei Herodot wie bei Xenophon in Unordnung geraten. Außerdem steht es in den Geschichtsbüchern in der falschen Reihenfolge.
Hier sei noch erwähnt, dass Darius auch mit dem Hethiterkönig Telipinus identisch ist, der offensichtlich von Kyros = Ischtar-Chundu nach dem Tode des Suppiluliumas = Uman-Igasch im Jahre 687 ndFl auf den Thron in Chatti-Susa = Hattusas gesetzt wurde. Herodot (III, 70) sagt, Darius sei aus Persien nach Susa gekommen, was für den Kommentator3 problematisch war, da für ihn Susa als Hauptstadt von Persien doch in Persien liegen müsste. Herodot hat das kissische Susa (= Chatti-Susa, Hattusas) ganz eindeutig in Kleinasien als Residenz des Darius lokalisiert.
Die Gadd-Chronik, die sich hauptsächlich mit den Taten des Nabopolassar befasst, würdigt die anderen vor Babylon versammelten hohen Herren übrigens keiner Erwähnung; erst später kommt Umakischtar hierin zur Geltung.
677 ndFl: (Babyl.Chron.) Im 2. Jahr starb Tiglath-Pileser im Monat Tebet (Dez./Jan.). ... Jahre lang übte Tiglath-Pileser die Königsherrschaft über das Land Akkad und das Land Assur aus. 2 Jahre übte er (sie) im Lande Akkad aus.
Auch hier ist die Vermutung angebracht, dass Sanherib vorher nicht der Großkönig gewesen sein kann, wenn er sowohl als König von Babylon (Akkad) als auch als der von Assur bezeichnet wird. In der Eigenschaft des Großkönigs wäre er auch vorher schon König beider Länder gewesen. Uman-Igasch von Elam = Suppiluliumas war vermutlich seit dem Frieden von Halys (Yasilikaya) der Oberherr. Dies wäre konventionell nie ein Thema; denn in der falschen Geschichte liegen zwischen Sanherib und Suppiluliumas mehr als sechshundert Jahre.
Hinter dem Rücken Sanheribs hatten sich Hiskia von Juda und Merodachbaladan-Nabopolassar, nachdem dieser sich in Babylon auf den Thron gesetzt hatte, gegen die Assyrer verbündet: Eine Gesandtschaft aus Babylon besichtigte die Arsenale Hiskias. Das forderte die Assyrer zu letzten Anstrengungen heraus. Das Jahr 677 ndFl brachte die großen Entscheidungen, und an seinem Ende waren drei namhafte Personen nicht mehr unter den Lebenden:
Sanherib-Assurbanipal und sein Sohn Salmanassar-Asarhaddon besiegen das ägyptische Heer unter Taharka, der in dieser Schlacht oder bei der Verfolgung nach Memphis stirbt; sein Neffe Tanutamun, der Sohn seiner Schwester, übernimmt sowohl die Regierung als auch die Witwe Taharka-Nebchururias mit Namen Dachamun = Duchat-Amun. Sie ist Taduchipa, die Mederin und Tochter des Mitanni-Königs Tuschratta.
Gleichzeitig mit seinem Heerzug gegen Ägypten, wo er den Drahtzieher Taharka hinter der allgemeinen Verschwörung gegen ihn vermutete, schickte Sanherib-Assurbanipal seinen Thartan-Rabsakeh Joas-Jonas-Josia = Josua (II), den er 15 Jahre zuvor als Geisel aus Jerusalem mitgenommen hatte, mit einem Heer gegen Jerusalem, um Hiskia endgültig zu bestrafen. Schon zwei Jahre zuvor (675 ndFl) waren seine Truppen bei dem Versuch, Jerusalem zu erobern, durch die Pest dezimiert worden, so dass die Belagerung Jerusalems abgebrochen werden musste.
Auch Hiskia litt an dieser Krankheit, genas aber wieder und konnte 676 ndFl die Gesandtschaft des Merodachbaladan empfangen. Seinen Tod bewirkte im Jahr darauf ein anderer:
Hiskia-Amazja = Adoni-Zedek erleidet im Jahre 677 ndFl eine Niederlage gegen Joas-Josia-Josua und wird von ihm getötet. Josia setzt den Sohn Manasse des Hiskia auf den Thron und zerstört die Festung Jerusalem.
Nach seiner Rückkehr aus Ägypten wird Sanherib von seinem Sohn Adramelech = Assur-bel-kala = Assurnasirpal = (Sin-) Schar-ukin(/ischkun) ermordet, der sich "ins Land Ararat" absetzt: nach Urartu. Ich habe an einer früheren Stelle die Vermutung geäußert, Schar-ukin habe sich zu "seinem Freund" Siduri = Sarduri III geflüchtet, dem Sohn des Rusa III = Arsames, mithin zu einem Onkel des Darius. Ich neige jetzt eher dazu, diesen als das erste Opfer anzusehen, und halte Rusa II, den Sohn des Argischti I, für den Favoriten des Assyrers, der die Nachfolge des Sarduri III in diesem Jahr antritt.
Es ist schon spät im Jahr, wie aus der babylonischen Chronik hervorgeht: Im Monat Tebet (= Dez./Jan.) am 25. Tage setzte sich Salmanassar (Schulmanu-ascharid, 726-722 v.Chr.) im Land Assur auf den Thron. Die Stadt Samara'in (= Samaria) zerstörte er.
Das letztere war schon im Jahre 667 ndFl gewesen, also vor zehn Jahren. Damals war er noch Feldherr seines Vaters im 19. Jahr. Die anschließende Deportation wurde von Scharukin in dessen erstem Feldherrnjahr durchgeführt.
Zwar hatte das Bündnis mit dem Chaldäer dem Hiskia von Juda nichts mehr genützt; aber dem Vatermörder Schar-ukin hatte es zumindest den Rücken frei gehalten, bis er sich nach Urartu absetzen konnte. Offenbar war Salmanassar-Asarhaddon nicht mit der Ermordung seines Vaters einverstanden gewesen und wollte seinen Bruder zur Rechenschaft ziehen. Auch Nabopolassar gehörte zu seinen Gegnern.
678 ndFl:
Der Chaldäer kann in den folgenden Jahren seine Position in Babylon offenbar nicht halten; denn wir erfahren aus der Babylonischen Chronik, dass sich Merodach-Baladan (= Nabopolassar) erst wieder nach dem Tode Salmanassars in Babylon auf den Thron setzte. Die Gadd-Chronik des Nabopolassar hat eine Lücke vom 4. bis zum 9. Jahr (684 ndFl).
In den Jahren 678/679 ndFl geschieht in Babylon nicht viel von Bedeutung. Wir werfen daher einen Blick in die übrigen Länder unserer Interessenssphäre und stellen fest, dass auch dort überwiegend alles ruhig ist:
In Theben sitzt Haremhab als König von Oberägypten und ist mit dem Wiederaufbau der von den Assyrern zerstörten Stadt beschäftigt. Sein unterägyptischer Kollege Tanutamun residiert in Saïs im Delta. Einen Pharao, einen König beider Länder, gibt es derzeit nicht. In Saïs sitzt auch der von den Assyrern in Unterägypten eingesetzte Necho, der außerdem noch Menelik und Baïna-Lechem, Biëneches und Paionech heißt, als welcher er in der Priester-Dynastie erscheint. Nach dem Tode des Sanherib-Assurbanipal machten die Deltafürsten offenbar Tanutamun zu ihrem Oberhaupt.
Amasis Men-pechti-Re = Psammetich II = Ptolemaios-Epiphanes, der Sohn des Necho = Psammetich I = Mentemchat, sitzt seit dem Vorjahr immer noch auf dem Thron von Athribis im Delta, wo ihn die Assyrer eingesetzt hatten.
Josia von Juda führt in seinem 18. Jahr (gerechnet ab 661 ndFl) die Passah-Reform durch.
In Athen sind wir in der Zeit des Peisistratos und des Solon. Herodot (I, 32) bringt in seinem Bericht vom Aufenthalt des Solon im lydischen Sardes bei Kroisos, dem Sohn des (Tudh-)Alyattes, das Thema auf das neuentstandene Kalenderjahr, jedoch ohne Hinweis auf die Neuartigkeit dieses Kalenders, als ob es nie einen anderen gegeben habe. Tatsächlich konnte der um diese Zeit erst geborene Herodot nur am Ende seines Berichtszeitraumes einen anderen Kalender kennenlernen, nämlich den heutigen.
In Urartu hat sich nach dem Tode des letzten Königs von Gesamt-Urartu, des Rusa I, des Sohnes von Sarduri (II), des Sohnes von Ischpuini, im Jahre 673 ndFl nach der vierten Halys-Schlacht dessen Sohn auf den Thron gesetzt. Bei diesem handelt es sich um den in diesem Kapitel bereits mehrfach erwähnten Kyros-Umak-Ischtar-Chundu = Tarkondemos von Erme-Armenien. Herodot nennt ihn Kyros II, den Sohn von Kambyses I, des Sohnes von Kyros I, des Sohnes von Teispes. Ich halte ihn für einen Vasallen seines Onkels Suppiluliumas = Uman-Igasch, dessen Schwester mit Rusa I verheiratet und die Mutter des Kyros war.
Rusa I war vermutlich Tarchundaraba, König von Arzawa, an den Nimmuria von Achet-Aton aus schrieb (652 bis 663 ndFl) und der vermutlich auch den in der Sprache seines Landes abgefassten Arzawa-Brief nach Achet-Aton schrieb. Offenbar wollte Tarchundaraba (oder auch Tarchundarausch zu lesen: etwa Ischtar-Chundu-Rusa?) dem Ägypter eine Tochter in die Ehe geben, mithin eine Schwester des Kyros. Ob es dazu kam, ist nicht sicher; ein Sohn, der beim Tode Nimmurias (669 ndFl) etwa zehn Jahre alt gewesen wäre, ist aus dieser mutmaßlichen Ehe wohl nicht hervorgegangen. Kyros II kann aus zeitlichen Gründen nicht der Arzawa-Korrespondent gewesen sein, wenn auch sein Name Isch-Tarchundu in dieselbe Richtung weist.
679 bis 681 ndFl:
Die Gadd-Chronik weist - wie gesagt - eine Lücke vom 4. bis zum 9. Jahr Nabopolassars auf, das heißt für 679 bis 684 ndFl. Wenn man diese Zeit mit der Umfeldgeschichte vergleicht, so kann man auch hier auf eine ruhige Phase schließen. Im Jahre 681 ndFl verlässt Mursilis II = Nabu-ukin-zer = Schuzub, der Chaldäer, Sohn des Suppiluliumas, Uruk und schließt sich dem Oberhaupt der Chaldäer, Nabopolassar, wieder enger an. Später treffen wir ihn und seinen Adoptivsohn Nergalscharezer = Nergal-Muwatallis im babylonischen Heer dieses Chaldäers wieder an.
682 ndFl: Im 5. Jahr starb Salmanassar im Monat Tebet. 5 Jahre lang übte Salmanassar die Königsherrschaft über das Land Akkad und das Land Assur aus.
Der Assyrer Salmanassar war offensichtlich ebensowenig der Großkönig wie sein Vater, wie obige Formulierung erkennen lässt. Er hat die fünf Jahre als König von Assyrien möglicherweise unter der Oberherrschaft des Suppiluliumas = Uman-Igasch regiert, der kein Freund des Schar-ukin war, wie sich noch zeigen wird. Auch ist aus dem Chronik-Text zu entnehmen, dass Nabopolassar-Merodachbaladan während dieser Jahre nicht in Babylon saß.
Im Monat Tebet am 12. Tage setzte sich Sargon (Scharrukenu, 721-705 v.Chr.) im Lande Assur auf den Thron.
Sin-schar-ischkun, der Sohn Assurbanipals, bzw. Schar-ukin = Sargon II = Assurnasirpal, Asnaphar, Osnappar, der Sohn (statt Vater!) Sanheribs, kehrte vermutlich mit einem Heer aus Urartu nach Assyrien zurück. Asarhaddon = Salmanassar = Assur-Dan = Assur-nadin-apal = Sardanapal unterlag seinem Bruder und ließ sich in seinem Palast in Ninive "mitsamt seinen Weibern" verbrennen.
Wenn Schar-ukin sich nur in Assyrien auf den Thron setzte, dann liegt es nahe, dass in Babylon ein Verbündeter auf den Thron stieg, oder jemand, der sich für einen Verbündeten des Schar-ukin hielt. Schließlich hatte sich Merodach-Baladan genauso gegen Sanherib gestellt wie dessen eigener Sohn, der Vatermörder Adramelech-Scharezer = Schar-ukin. Die Frage ist nur, warum er dies nicht sogleich tat, sondern etwas später:
683 ndFl: Im Nisan (März/April) setzte sich Merodach-Baladan (Marduk-apal-iddin, 721-711 v.Chr.) in Babylon auf den Thron.
Dieses 1. Jahr Merodach-Baladans ist schon das 8. Jahr des Nabopolassar in der Gadd-Chronik.
In Ägypten stirbt Tanutamun (vier Jahre vor Suppiluliumas, falls dieser tatsächlich mit Uman-Igasch identisch sein sollte, der 687 ndFl stirbt); Dachamun-Taduchipa, die mit der Witwe Anch-ises-en-Amun des Tut-anch-Amun verwechselt worden ist, wendet sich an Suppiluliumas und bittet ihn um einen Sohn: Das Bett und der Thron neben mir sind leer. Du hast viele Söhne. Schicke einen davon zu mir. Er soll mein Ehemann und König von Ägypten (wohl kaum Pharao!) werden.
Suppiluliumas sandte nach gründlichen Recherchen seinen Sohn Zananda nach Ägypten, der aber noch vor dem Erreichen von Saïs meuchlings ermordet wurde. Hinter dieser Aktion stand vermutlich der Nachfolger im Delta, der das neue Oberhaupt der Deltafürsten wird: Psammetich I Men-tem-chat Ne-kau-chem-ib-Re = (Paio-)Necho. Womöglich mit Unterstützung des so genannten "Königsmachers Bel", hinter dem sich meines Erachtens Assur-bel-kala = Adra-melech = Schar-ukin verbirgt, kam Haremhab Necht-cheperu-Re in Theben auf den Pharaonenthron. Auch hier erweisen sich gegensätzliche Interessen des Assyrers und des Suppiluliumas = Uman-Igasch.
Schar-ukin schreibt4:
Vom Beginn meiner Herrschaft bis zu meinem 15. Regierungsjahr besiegte ich Humbanigasch von Elam im Bezirk von Dêr. Samaria (Sa-me-ri-na) belagerte und eroberte ich...
Die Zählung der Jahre Schar-ukins ist problematisch. Seine Regierungszeit als König von Assyrien beträgt nur sieben Jahre: 682 bis 689 ndFl. Seine Feldherrnjahre beginnen mit der Eroberung von Samaria im Jahre 667 ndFl. Von hier an gerechnet kämen bis 682 ndFl 15 Feldherrnjahre zusammen, bis zum Ende seiner Herrschaft aber insgesamt 22 Jahre. In der Babylonischen Chronik werden seiner Regierung jedoch 16 Jahre gegeben (721-705 v.Chr.). Dann soll sein Sohn auf ihn folgen: Sanherib!
In der berichtigten Chronologie ergibt sich nicht nur ein anderes Bild, sondern auch eine bessere Möglichkeit, die Jahre Schar-ukins auf die Zeit zwischen 667 und 689 ndFl zu verteilen:
1. |
Feldherrnjahr |
Schar-ukins |
667 ndFl |
7. |
" |
" (Halys-Schlacht) |
673 " |
11. |
(letztes) " |
" |
677 " |
|
fünf Jahre Aufenthalt in Urartu |
|
12. |
gesamtes und 1. Regierungsjahr |
682 " |
13. |
Gesamtjahr |
(Königsmacher Bel) |
683 " |
15. |
" |
(Uman-Igasch in Dêr) |
685 " |
17. |
" |
(Zerstörung Assurs) |
687 " |
19. |
" (letztes; Zerstörung Ninives) |
689 " |
Hiernach wäre das 15. Jahr Schar-ukins das Jahr 685 ndFl. Die Babylonische Chronik lässt die Schlacht bei Dêr jedoch schon im 2. Jahr Merodach-Baladans stattfinden, im Jahre
684 ndFl: Im 2. Jahr Merodachbaladans kämpfte Ummanigasch, der König von Elam, in der Provinz Dêr gegen Sargon, den König des Landes Assur, und machte einen Aufstand gegen das Land Assur. Eine schwere Niederlage brachte er ihnen bei. Merodach-Baladan und sein Heer, die dem König von Elam zu Hilfe gekommen waren, erreichten die Schlacht nicht. Danach zogen sie zurück.
Das harmoniert mit der Angabe Schar-ukins, er habe "von seinem Regierungsantritt an" bis zu seinem 15. Jahr gegen den Elamiter gekämpft. Mit dem Antrittsjahr meint er doch gewiss das Jahr 682 und nicht sein erstes Feldherrnjahr 667 ndFl.
Dass Uman-Igasch einen Aufstand gegen Assyrien inszeniert haben sollte, darf bezweifelt werden. Eher war es umgekehrt. Deutlich wird die Allianz des Suppiluliumas mit dem Babylonier Merodach-Baladan herausgestellt, womit auch auf den Wandel in der Beziehung zwischen diesem und dem Assyrer hingewiesen wird, falls es vorher eine Allianz dieser beiden gegeben haben sollte, was nicht sicher ist. Für die folgenden Jahre stehen die Fronten zunächst fest.
Erstmals kommt in diesem Jahr Darius, der Sohn des Hystaspes, auf einen Thron. Es ist der Beginn seiner 36jährigen Gesamtregierungszeit bis zu seinem Tode als Großkönig im Jahre 720 ndFl. Eine Residenz ist für ihn nicht leicht zu ermitteln; denn sein Vater lebt sehr wahrscheinlich noch, und Kommagene gehört vermutlich noch zu Assyrien. Es kann aber auch sein, dass Darius = Lipit-Ischtar = Telipinus in einem soeben von Assyrien befreiten Kommagene (= Dêr?) die Herrschaft übernahm, während sein Vater mit einem höheren Posten belohnt wurde.
Die elamitische Allianz schloss - wie wir schon gesehen haben - auch Kyros-Umakischtar ein. Für Nabopolassar gibt es noch keine Chronik für 684 ndFl; aber im folgenden Jahr treffen wir ihn im Kampf gegen den Assyrer an:
685 ndFl5: Im 10. Jahr im Monat Ajjaru (April/Mai) bot Nabopolassar das Heer des Landes Akkad (Babylonien) auf und zog am Ufer des Flusses Euphrat entlang; und die Leute des Landes Suchu und des Landes Chindanu kämpften nicht gegen ihn. Ihren Tribut legten sie vor ihm nieder.
Im Monat Abu (Juli/August) sammelte sich das Heer des Landes Assur in der Stadt Qablinu; da zog Nabopolassar stromaufwärts gegen sie, und im Monat Abu am 12. Tage kämpfte er gegen das Heer des Landes Assur; das Heer des Landes Assur zog sich vor ihm zurück, und er brachte dem Lande Assur eine große Niederlage bei. Sie plünderten sie sehr.
Die Mannäer, die ihnen zu Hilfe gekommen waren, und die Großen des Landes Assur wurden gefangengenommen. An jenem Tage wurde die Stadt Qablinu erobert.
Die Mannäer sind die Meder. Sie kamen den Assyrern offenbar zu Hilfe, wurden aber zusammen mit jenen besiegt. An früherer Stelle habe ich schon gesagt, dass im Jahre 685 ndFl ein neuer König aus einer neuen Dynastie auf den medischen Thron steigen wird: Tarkundimme von Mitanni; hinter diesem Namen verbirgt sich kein Geringerer als Kyros-Umak-Ischtar-Chundu. Um die Geschichte Mediens, die in anderen Kapiteln schon behandelt worden ist, dem Leser noch einmal kurz vor Augen zu führen, mache ich hier einen Einschub:
Im Jahre 672 ndFl setzte Schar-ukin Tuschratta-Daiukku aus nicht mit Sicherheit zu benennenden Gründen ab und dessen Sohn Metatti-Aza = Mattiuwaza auf den medischen Thron. Der Urartäerkönig Rusa I inszenierte eine Rebellion im Lande Medien-Mitanni-Mannai und gab den Thron an seinen Schwager Ullusunu = Suppiluliumas.
Die Absetzung Tuschrattas und die Einsetzung Mattiuw-Azas war der Anlass zum Halys-Krieg (672-677 ndFl). Die Absetzung des Mattiuwaza und Einsetzung des Ullusunu-Suppiluliumas wäre dann der zweite Schritt in dieser Eskalation gewesen; doch im Jahr darauf war die Zeit des Ullusunu in Mitanni schon wieder zu Ende.
In seinem 7. Feldherrnjahr (= 673 ndFl) sandte Schar-ukin eine Armee nach Mannai und besiegte den neuen Herrscher. Zum Nachfolger des Ullusunu setzte Schar-ukin den Vater des Mattiuw-Aza, Daiukku-Deiokes-Tuschratta, in Mannai auf den Thron. Mattiuw-Aza war vermutlich vorübergehend in hethitischer Gefangenschaft.
Suppiluliumas erlitt also zunächst eine Niederlage, wurde aber - vermutlich auf Betreiben seiner Mutter Nikalmati-Nakita, der Gemahlin und Tante des Sanherib-Assurbanipal - begnadigt. Möglicherweise wurde der gefangene Mattiuw-Aza jetzt der Schwiegersohn des Suppiluliumas, indem er dessen um 660 ndFl geborene Tochter heiratete. Mit einem unbedeutenden Ullusunu, der nicht der Sohn der Nakita-Nikalmati war und der nicht Suppiluliumas hieß, wäre Sanherib gewiss nicht so glimpflich verfahren. Dass sich Suppiluliumas im selben Jahr noch für die anfängliche Niederlage revanchieren würde, konnte der Assyrer wohl nicht ahnen.
Suppiluliumas und Rusa I unternahmen noch im selben Jahr einen Gegenangriff, der als dritte Halys-Schlacht oder die Niederlage Sanheribs bei Chalule in die Geschichte eingegangen ist. Möglicherweise wurde Uman-Igasch von Elam = Suppiluliumas jetzt neuer Großkönig, der über Mitanni-Medien, Urartu, Assyrien, Babylonien und natürlich über allen zu Elam gehörenden Ländern stand.
Im Jahre 674 ndFl soll Schar-ukin wieder gegen Mannai gezogen sein und den neuen König Daiukku ins syrische Hamath verschleppt haben. Offenbar handelt es sich hierbei aber um eine Flucht oder Vertreibung des Deiokes-Tuschratta vor bzw. durch Suppiluliumas, der seinen Schwiegersohn Mattiuw-Aza wieder in Medien-Mitanni einsetzte. Mit der Vertreibung des Deiokes ist keine kriegerische Handlung seitens der Assyrer gegen Elam-Urartu-Mannai verbunden gewesen.
Der Feldzug des Schar-ukin des Jahres 675 ndFl richtete sich in erster Linie gegen Mattiuwaza = Metatti-Aza von Mitanni-Mannai-Medien, wie aus dem Louvre-Bericht deutlich hervorgeht. Metatti, der hierin als Herrscher des Landes Zikirtu bezeichnet wird, floh in die Berge. Wenig später muss Suppiluliumas seinen Schwiegersohn aber wieder in Mitanni-Medien eingesetzt haben, wo dieser dann noch bis ins Jahr 685 ndFl regiert haben müsste; denn in diesem Jahr wird er - jetzt mit dem medischen Heer auf der Seite des assyrischen Königs Schar-ukin kämpfend - von Kyros, dem aufkommenden neuen Herrscher aller dieser Regionen, besiegt.
Da Herodot (I, 73) Kyaxares zum Sohn des Phraortes und Enkel des Deiokes macht, bringe ich hier noch einmal die zutreffende Abstammung. Es muss übrigens nicht Herodot gewesen sein, der diese falsche Filiation in seine Bücher der Geschichte hineingebracht hat. Es kann sich hier um eine der vielen Stellen handeln, an denen ersichtlich ist, dass Kopisten ihrer Schlauheit freien Lauf gelassen haben, wenn sie nicht sogar aus irreführender Absicht gehandelt haben!
Die Dynastie von Mitanni-Medien |
Schauschschattar = Kyaxares = Assarakos = Araxes-Ares II
* ca. 525 ndFl (in 3. Ehe) oo oo
(in 2. Ehe) | | Hiëromneme = Aphrodite
+------------+ | | |
| | | | |
Artatama Astyages Paduchipa Kapys Harmonia
* ca. 560 * ca. 565 * ca. 576 * ca. 547 * ca. 548 ndFl
oo ? oo oo oo oo
| Aryanis Hattusilis Themis Kadmos
| | | | |
Schutarna Semiramis Tudhaliyas Anchises Europe
* ca. 590 * 590 und * 590 ndFl * ca. 565 * ca. 561
| Mandane-oo-| oo oo Katreus
| * ca. 609 | Rhea-Silva
| | |
Tuschratta Suppiluliumas Aeneas
Duscheratta Uman-Igasch Romulus
Deiokes Te'Uman (?) * ca. 595 ndFl
Daiukku (= Kroisos???) |
* ca. 630 ndFl * ca. 624 ndFl Askanios
| +-------+--+ Ancus Marcius
Mattiuwaza oo Tochter Mursilis II * ca. 620 ndFl
Metatti Schuzub, d.Ch.
* ca. 649 ndFl * ca. 646 ndFl |
Letzter Stand: 9. Januar 2013
1 |
Entnommen Alfred Jepsen, Von Sinuhe bis Nebukadnezar, Calwer Verlag Stuttgart, Kösel-Verlag München, S. 164f |
2 |
Ich verwende in diesem Kapitel die Angaben von Alfred Jepsen in Von Sinuhe bis Nebukadnezar, Calwer Verlag Stuttgart Kösel-Verlag München. |
3 |
Hier liegt die Übersetzung von A. Horneffer zugrunde, die von H. W. Haussig herausgegeben und erläutert wurde; Alfred Kröner Verlag Stuttgart. |
4 |
Inschrift aus seinem 15. Jahr; entnommen Alfred Jepsen, Von Sinuhe bis Nebukadnezar, Calwer Verlag Stuttgart, Kösel-Verlag München, S. 170 |
5 |
Gadd-Chronik, entnommen Alfred Jepsen, Von Sinuhe bis Nebukadnezar, Calwer Verlag Stuttgart, Kösel-Verlag München, S. 184f |
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