Neuntes Buch: Kyros
*: Osiris-Zer und Seth-Zet teilten sich das Reich. Wir erinnern uns: Es gab zwei Hauptverstecke, in welche man Mumien - aus was für Gründen auch immer - aus ihren angestammten Gräbern verlagert hatte. Beide Verstecke sind ebenfalls Gräber, die ursprünglich nur für einen einzigen Toten angelegt worden waren. Sie sind einbezogen in den Komplex von Deir-el-Bahari, das Grabmonument von Achmose-Mentuhotep am Eingang zum Tal der Könige (Biban-el-Muluk), in welchem sich die meisten Königsgräber befinden.
Das "Erste Versteck von Deir-el-Bahari" war das Grab der Königin In-Hapi, in dem folgende Mumien gefunden wurden1: Sekenen-Re Ta'a II (17. Dyn.), Achmose, Amenophis I, Thutmoses I und III (18. Dyn.), Ramses I, Sethos I, Ramses II (19. Dyn.), Ramses III und Ramses X (20. Dyn.) und Pinodjem (21. Dyn.; bei anderen Peinuzem II geschrieben) Außer den Königen waren hier auch noch die folgenden Familienmitglieder durch ihre Mumien vertreten: Achhotep, Königin, Gattin des Sekenen-Re Ta'a II, Siamun (in seinem gigantischen Sarkophag), Sohn Achmoses, Achmes-Nofretere, seine Mutter, die (angebliche Schwester und) Gemahlin des Achmose, und "viele andere mehr". In einem "Zweiten Versteck von Deir-el-Bahari" fanden sich noch weitere Mumien. Dieses Grab gehörte ursprünglich dem Pharao Amenophis II2: Victor Loret, Direktor der Ägyptischen Antiken-Verwaltung, entdeckte 1898 die Grabkammer von Amenophis II. Außer diesem Pharao enthielt das Grab in einem Nebengelass neun Holzsärge: Zwei enthielten anonyme Mumien, die anderen sieben enthielten die Mumien der Pharaonen, die im ersten Versteck von Deir-el-Bahari gefehlt hatten: Thutmoses IV und Amenophis III aus der 18. Dynastie, Merenptah und Siptha aus der 19. und Sethnacht, Ramses IV sowie Ramses V aus der 20. Dynastie. 13. AMENOPHIS II = SETHOS II (User-A-cheperu-Re) Die Grabkammer Amenophis' II wurde 1898 von dem französischen Archäologen Victor Loret entdeckt. Sie hat mit 29° C die höchste Innentemperatur eines Grabes (gemessen von den Teilnehmern Jomard und Lucas an der französischen Expedition 1798 bis 1802). Der französische Archäologe Victor Loret wunderte sich darüber, dass er im Grabe des Amenophis II die Mumie des Amenophis III im Sarkophag des Ramses III fand, der mit dem Deckel des Sarkophags von Sethos II verschlossen worden war.3 Die Erklärung liegt zum einen Teil auf der Hand: Amenophis II ist Sethos II User-A-cheperu-Re = Ameni, der Sohn einer Nubierin, und Serach, der Äthiopier. Er ist Sethos, der Sohn des Ramses-Amenophis I, "der nach seinem Vater auch Ramses hieß". In einem roten Quarzsarkophag befand sich ein hölzerner Sarg mit der intakten Mumie des Amenophis II, deren Arme extra bandagiert über der Brust gekreuzt waren, so dass die Finger die Schultern berührten4. Die Zähne waren "in schauerlichem Zustand"5. Als er starb, war er kaum 45 Jahre alt, Schädel und Kieferknochen sind genau wie die seines Vaters geformt; doch er war beschnitten worden. Nacken, Schultern, Brust und Bauch sind von kleinen Knötchen entstellt, deren Ursprung unbekannt ist, da sie noch nicht unter dem Mikroskop untersucht worden sind.6 Das Alter ist zutreffend: von 609 bis 652 sind 43 Jahre. Mit "seines Vaters" ist Thutmoses III gemeint, doch der war nicht sein Vater. Sein Vater war der erste Amenophis. Eigenartigerweise wurde die Mumie am 24.11.1901 "fachmännisch geplündert".7 Zu den Familien-Ähnlichkeiten der Mumien ist ganz allgemein zu sagen, dass der Genpool der gesamten Herrscherkaste für alle Ähnlichkeiten innerhalb derselben ausreicht. Es dürfte daher kein Problem sein, z. B. die Vaterschaft eines Echnaton an einem Tutanchamun, der bei der Geburt des angeblichen Vaters schon längst tot war, durch Genanalyse zu "beweisen ". Leca meint, es sei nicht sicher, dass Thutmoses IV der Sohn des Amenophis II war, auf jeden Fall nicht sein ältester. Dies werde nur angenommen, weil man sonst den Traum nicht verstehen könne, der den jungen Prinzen veranlasste, die Sphinx vom Wüstensand zu befreien. Hierüber wurde an anderer Stelle schon abgehandelt: Thutmoses IV ist der zum Pharao avancierte Thutmoses III = Manachpiria und weder der Sohn noch der Vater des Amenophis II. Dieser Thutmoses III/IV hat als Priester Mencheperre die Mumie eines Sethos gewickelt, was in der berichtigten Chronologie anders erklärt werden muss als in der konventionellen; denn die Mumie des Sethos I Men-maat-Re, die von Mencheperre entgegen der konventionellen Überzeugung überhaupt nicht gewickelt worden sein kann, ist die des Ptolemaios Euergetes. Es bleibt nur die Mumie des Sethos II = Amenophis II User-A-cheperu-Re Menmaat-Re Setpen-Ptah Ramses X übrig, des unmittelbaren Vorgängers von Thutmoses III/IV Men-cheperu-Re, die dieser noch kurz vor seiner eigenen Thronbesteigung gewickelt haben muss. Es soll aber auch noch separat eine Mumie von Sethos II geben, die ähnlich wie die des Amenophis II verarbeitet war: Das wichtigste Andenken, das Sethos II nach einer fünfjährigen Regierungszeit hinterlassen hat, ist seine Mumie, deren Schädel und Arme von Grabräubern gebrochen worden sind. Seine Zähne sind in gutem Zustand, doch an der rechten Hüfte litt er an Athrose8. Seine Arme waren extra bandagiert über der Brust gekreuzt, so dass die Finger die Schultern berühren9. Es ist nicht möglich, dass ein Herrscher zwei Mumien hinterlässt, eine mit guten und eine mit schlechten Zähnen. Wer gehört zu wem? Von einer weiteren Identität Amenophis' II, von Osorkon III, gibt es jedenfalls keine Mumie. Eine Mumie Ramses' X ist ebenfalls nicht gefunden worden. Hier befindet sich die Schulwissenschaft in einem Dilemma, das offensichtlich dadurch gelöst worden ist, dass man die Mumie des Amenophis II "fachmännisch plünderte" und auf diese Weise deren Identität verwischte. Wer gehört denn wohl zu ihr? Was ist mit den beiden anderen von dem verwunderten Loret genannten Mumien? Die Mumie des Amenophis III ist noch gar nicht gefunden worden, sie ist vermutlich die des Ramses VI. Der Inhaber des Sarkophages "Ramses III" User-maat-Re ist in diesem Falle User-maat-Re A-cheperu-Re Meren-Ptah Men-maat-Re Setpen-Ptah = Ramses-Sethos-Amenophis II, der Inhaber des Grabes. Wer sollte denn auch wohl den schweren Quarzsarkophag aus dem Grab eines Ramses III ohne Deckel in das Grab des Amenophis II geschleppt und zum Verschließen den Sargdeckel aus dem Grab von Sethos II geholt haben? Wo wäre der Sarkophag des Grabbesitzers geblieben? Wieviel Unsinn wird dem Laien denn hier zugemutet? Glauben die Wissenschaftler etwa selbst an solche Grotesken? Zum Versteck im Grab des Amenophis II: Rechts und links von der Kammer mit dem Sarkophag lagen vier kleinere Kammern, zwei rechts, zwei links. In der ersten rechts ruhten eine unbandagierte Frau, ein Mann und ein Kind auf der bloßen Erde, nach seinem typischen Haarschnitt zu urteilen, zweifellos ein Prinz. Die vermauerte Türe der zweiten Kammer rechts war von den Kreuzhaken der Grabplünderer teilweise eingebrochen worden. In der Kammer fanden sich neun Holzsärge, an vieren fehlte der Deckel: Zwei enthielten anonyme Mumien, die anderen sieben enthielten die Mumien der Pharaonen, die im ersten Versteck von Deir-el-Bahari gefehlt hatten: Thutmoses IV und Amenophis III aus der 18. Dynastie, Merenptah und Siptha aus der 19. und Sethnacht, Ramses IV sowie Ramses V aus der 20. Dynastie.10 Eine der unidentifizierten Mumien in diesem Grab ist vermutlich die der Hatschepsut: Ihre Mumie ist offiziell noch nicht identifiziert, doch es ist sehr wahrsheinlich, dass es sich dabei um eine Mumie handelt, die zusammen mit den Überresten anderer Pharaonen im Grab von Amenophis II gefunden worden ist.11 Zwei der hier aufgezählten Mumien werden an anderen Stellen als "noch nicht gefunden" bezeichnet: Thutmoses IV und Amenophis III; gegen Ende dieses Kapitels werde ich darauf zurückkommen. Jemand, der nach Typhon 4 gestorben und in einem eigenen Grab bestattet worden war, kann später unbestreitbar von dort in das Amenophis-Grab verlegt worden sein. Es bieten sich für diese Verlegung nur ganz bestimmte Zeiten an. So kann man ausschließen, dass Sethnacht und die anderen fremden Mumien vor dem Tod des Amenophis II hier untergebracht wurden. Das wäre geschmacklos gewesen. Die erste Beisetzung in diesem Grab war zweifellos die des Eigentümers selbst, nämlich des Amenophis II Acheperure im Jahre 652 ndFl, seinem Todesjahr. Seine Mumie wurde nach allem, was wir wissen, von seinem Nachfolger Mencheperre gewickelt und mit Sicherheit als einzige in seinem Grab beigesetzt. Daraus folgt, dass die Verlegung der übrigen Mumien nach hier lange nach diesem Jahr erst stattgefunden haben kann. Wenn wir die anderen Mumien näher betrachten, so fällt uns auf, dass sie in konventioneller Sicht alle aus der Zeit nach Amenophis II stammen. In der berichtigten Chronologie trifft dies nur zum Teil zu. Prinzipiell ist dies jedoch nicht von Belang; denn sowohl ältere als auch jüngere können später im zweiten Versteck untergebracht worden sein. Wie konnte zum Beispiel die Mumie des Chus-Sethnacht in das Grab des Amenophis II gelangen? Zunächst müsste sie in das Grab des Sethnacht gekommen sein, von wo sie - sehr wahrscheinlich mit den anderen zusammen - in das Grab des Amenophis II verbracht worden sein muss; doch das Grab des Sethnacht ist nicht bekannt. In der berichtigten Chronologie sterben Thutmoses IV, Amenophis III, Ramses-Siptha und Merenptah-Siptah erst nach Amenophis II, was mit der konventionellen Chronologie übereinstimmt. Dagegen sind Sethnacht, Ramses IV und Ramses V bereits gestorben, wenn Amenophis II auf den Thron kommt. Nach meiner Rekonstruktion starben Ramses IV und Ramses V genau wie ihr Vorfahre Ramses III noch vor dem »Jahr 10« = 637 ndFl, in dem Siamun das In-Hapi-Grab verschloss. Da Ramses III angeblich ins In-Hapi-Grab kam, müsste es Gründe gegeben haben, warum die Mumien seines Sohnes und Enkels in das Grab des Amenophis II gebracht wurden. Es drängt sich der Verdacht auf, dass die im Grab der In-Hapi gefundene Mumie des Ramses III überhaupt nicht die Mumie des Anubis-Ramses III/VIII war, was wegen deren niedrigen Sterbealters ohnehin nicht plausibel ist.
Der erste Pharao, der nach der Katastrophe Typhon 4 - oder war es während der Plage? - verstarb, war derjenige, der am längsten gekrönt war und auch das höchste Lebensalter von allen Pharaonen erreichte: Phiops-Anubis-Ramses III (617-624 ndFl). Wegen seiner langen Regierungszeit (Phiops soll der am längsten gekrönt gewesene König Ägyptens gewesen sein: 100 Jahre) müsste die Mumie dieses Ramses III auf ein hohes Alter schließen lassen. Bekanntlich wurde er schon als Kind von seinem Vater Seth IV Atlas vorsorglich gekrönt, damit er nicht von Horus, dem Sohn des Neterimu-Zer-Osiris, verdrängt werden konnte. Diese Krönung fand im Jahr 530 ndFl statt, als Geb-Phrix, der spätere Ramses III = VIII, sechs Jahre alt war. Somit wäre er zwar 100 Jahre alt geworden, hätte aber keine 100 Jahre die Pharaonenkrone getragen, wie konventionell von Phiops gesagt wird. Da wir nach einer Phiops-Mumie nicht zu suchen brauchen, konzentrieren wir uns gleich auf die Ramessiden-Mumien, die sich natürlich in dem zu erwartenden Chaos befinden. Da auch Ramses VIII sehr lange regiert haben soll und deshalb ebenfalls an die 100 Jahre alt geworden sein müsste, dürfte seine Mumie am ehesten die an die Phiops-Mumie gestellten Erwartungen erfüllen. Eine Mumie Ramses' VIII ist aber nicht vorhanden. Bekanntlich habe ich diesen Pharao immer Ramses III/VIII genannt, wobei ich überaus oft dazu gesagt habe, dass sich in der konventionellen Geschichtsdarstellung bei so gut wie allen Ramessiden "Überkreuzungen" ergeben haben, das heißt, dass die Zuordnungen von Fakten zu Personen mit dem Ramses-Namen nicht immer identitätsgerecht vorgenommen worden sind. Dieses Dilemma beruht zum größten Teil auf dem Umstand, dass die Königsnamen fast aller Ramessiden mit der Floskel User-maat-Re (gesprochen: usermare) beginnen, die übrigens auch noch bei anderen Königen vorkommt, weshalb der sich daraus ergebende Usermare-Wirrwarr unvermeidlich war. Verwirrenderweise sagt man von Ramses II, dem Großen, dass er sehr lange regiert habe und sehr alt geworden sei: er also auch? Wer sich mit den Ausführungen antiker Schriftsteller zu Sethos I und seinem Sohn und Nachfolger Ramses II befasst, der wird schon bald vor Bäumen den Wald nicht mehr sehen. Man kann sich nicht vorstellen, dass auch nur einer von diesen Schreibern gründlich und wahrheitsgemäß informiert gewesen sein soll. Wie ich oben schon sagte, können wir in Ramses-Anubis-Phiops zumindest jenen Ramses (II) erkennen, der von Seth(os), seinem Vater, schon als Kind vorsorglich gekrönt wurde. Betrachten wir die Mumie dieses angeblich zweiten Ramses daher als erste: 14. RAMSES II User-maat-Re setpen-Re Ramesse Die ihm zugeschriebene Mumie wurde im Grab der Königin In-Hapi gefunden ("Erster Fund von Deir-el-Bahari"). Daraus müsste man den Schluss ziehen, dass sie erst nach Schließung dieses Grabes durch Painuzem etwa im Jahre 615 ndFl in dieses Versteck gebracht wurde, da bis zu diesem Jahr noch kein anderer Ramses außer Djoser-Amenophis-Ramses I verstorben war. Nun ist aber der Priester Painuzem selbst Echnaton I = Phritiphantes = Phiops-Anubis-Ramses III/VIII und kann natürlich schon deshalb nicht seine eigene Mumie in dieses Versteck gelegt haben, wenn die in Rede stehende Mumie die seine sein sollte. Das kann sie nur sein, wenn sie zumindest die eines hochbetagten Mannes war, und dann muss sie natürlich von einem anderen Priester zu einem späteren Zeitpunkt hier eingelagert worden sein. Die Mumie des Priesters Painuzem (21. Dyn.; bei anderen Peinuzem oder auch Pinodjem geschrieben) wurde ebenfalls in diesem Grab gefunden und wurde umbenannt zu "Painuzem II", der ein Sohn des Hohenpriesters Mencheperre gewesen sein soll, der seinerseits ein Sohn des Painuzem (I) war, nämlich des Phiops-Anubis. Auf diese Mumie komme ich wieder zurück. Außerdem befinden sich im In-Hapi-Grab auch noch die Mumien von Ramses I und Sethos I, dem Großvater und Vater des Ramses II (19. Dyn.), sowie die Mumien von Ramses III und Ramses X (20. Dyn.). Die konventionelle Chronologie hat hiermit keine Probleme, da für sie das Grab erst während der 21. Dynastie geschlossen wurde, lange nach Ramses II. Für uns aber erhebt sich vordringlich die Frage, wer dieser Ramses II überhaupt war; denn wie ich an verschiedenen Stellen schon sagte, ist Ramses II ein "zusammengesetzter Pharao", zu dem mehrere unterschiedliche Identitäten gehören, und nur von einer dieser Identitäten kann die Mumie "Ramses II" stammen. Um beurteilen zu können, zu welchem Usermare diese Mumie gehört haben könnte, schauen wir den Wissenschaftlern bei der Untersuchung der Mumie über die Schulter: Es ist nicht uninteressant zu lesen, wie Maspéro am 1.Juni 1886 die Mumie von Ramses II enthüllt hat:12 »Die erste Stofflage wurde abgenommen, und nach und nach kamen Stoffstreifen hervor, etwa 20 cm breit, die um den ganzen Körper gewickelt waren. Anschließend ein zweites Leichentuch, das zusammengenäht und in gewissen Abständen von schmalen Bändern festgehalten wurde. Dann kamen zwei Lagen Bandagen und ein Stück feines Leinen, das den Körper vom Kopf bis zu den Zehen bedeckte und auf dem, ungefähr einen Meter groß, das Bildnis der Göttin Nut in Rot und Schwarz gezeichnet war, wie das Ritual es vorschreibt. Unter diesem Amulett kamen neue Bandagen zum Vorschein, anschließend eine Lage von vierfach gefalteten Tüchern, die mit Bitumen getränkt war. Als diese letzte Lage abgewickelt war, erschien Ramses II. Er ist groß (1,72 m nach der Einbalsamierung) und perfekt symmetrisch und gut gebaut. Sein länglicher Kopf ist im Verhältnis zum Körper klein, die obere Kopfhälfte vollkommen kahl. Sein Haar, dünn an den Schläfen, wird im Nacken dichter und fällt in 5 cm langen Locken auf die Schulter. Es war weiß, als er starb, hatte sich jedoch durch die wohlriechenden Essenzen gelb gefärbt. Die Stirne ist niedrig und gerade, der Augenbrauenbogen springt vor, die Wimpern sind weiß und dicht, die Augen klein und stehen eng neben der Nase; die Nase ist lang und schmal, eine nahezu römische Hakennase, an der Spitze durch die Bandagen leicht flachgedrückt. Eingefallene Schläfen, vorspringende Backenknochen, runde, abstehende, jedoch feine Ohren (zur Anbringung von Ohrgehängen durchlöchert wie die einer Frau), ein stark ausgeprägter Unterkiefer und ein hohes Kinn. Der Mund steht weit offen und ist mit einer schwärzlichen Salbe gefüllt. Volle Lippen. Ein kleiner Meißel hat einige ziemlich abgewetzte Zähne zutage gefördert, die, obwohl sie ganz weiß sind, recht zerbrechlich wirkten. Der schüttere Bart und Schnurrbart, wohlrasiert im Leben, ist im Verlauf der Krankheit oder nach dem Tode gewachsen, die Haare sind weiß wie die Kopf- und Wimpernhaare, aber rauh und stachelig und höchstens 3 bis 4 mm lang. Seine Haut ist von schmutzigem Gelb mit schwarzen Flecken. Seine Maske vermittelt uns eine Ahnung, wie seine Gesichtszüge im Leben ausgesehen haben mögen. Ich würde sie nicht als besonders intelligent bezeichnen, eher etwas roh, jedoch gepaart mit dem Stolz und der Entschlossenheit einer königlichen Majestät. (Leca, S. 134: Die Stirn von Ramses II war von Mitessern übersät.) Auch der Rest des Körpers ist gut erhalten, nur dass er nicht mehr so gut aussieht, das Fleisch ist geschrumpft, sein Hals zum Beispiel ist nicht dicker als sein Rückgrat. Die Brust ist breit, die Schultern hochgezogen, die Arme über der Brust gekreuzt, seine langen, feinen Hände sind mit Henna gefärbt, seine wunderschönen, kurz geschnittenen Nägel wohlgepflegt wie die einer ausgehaltenen Frau. Eine Wunde klafft in seiner Leistengegend, aus der die Eingeweide entfernt worden sind. Seine Genitalien sind mit Hilfe eines scharfen Instrumentes entfernt und höchstwahrscheinlich einem Brauch zufolge in einer kleinen hölzernen Statuette von Osiris verschlossen worden. Ober- und Unterschenkel sind fleischlos, die Füße lang, schmal, ein bißchen platt und wie die Hände mit Henna gefärbt. Die Knochen sind schwach und zerbrechlich, die Muskeln durch Senilität und Altersschwäche schlaff. Wie wir wissen, hat Ramses II einige Jahre zusammen mit seinem Vater Sethos I und anschließend 62 Jahre allein regiert. Er muss an die 100 Jahre alt gewesen sein, als er gestorben ist.« Wenn es heißt, dass an der Mumie Ramses II eine Wunde in seiner Leistengegend gefunden worden sei, aus der die Eingeweide entfernt worden sind, dann liegt das auf der Linie der konventionellen Chronologie, wo es heißt, dass ab dem Pharao Thutmoses III diese Methode angewendet wurde. Für die berichtigte Chronologie muss es eine andere Regelung geben. Ich erinnere an das 3. Kapitel im V. Buch (Band 3), wo es heißt: (Leca, Die Mumien) Die einzigen Mumien aus der 11. Dynastie, die wir kennen, kommen vom Hof von König Mentuhotep II (bei anderen: III). Die Ausräumung der Eingeweide durch einen Einschnitt in der Leistengegend wurde wenig praktiziert. Wenn dies "wenig", d.h. immerhin "doch" praktiziert wurde, dann können wir davon ausgehen, dass diese Methode auch schon vor Thutmoses III praktiziert wurde, und können die in Rede stehende Mumie, wenn es sich als erforderlich herausstellen sollte, auch einem Vorgänger von Thutmoses III = Manachpiria zuordnen. Was ganz allgemein von medizinischen Mumienuntersuchungen zu halten ist, soll hier nicht verschwiegen werden: Während Leca von dem hohen Alter des Ramses II ganz fest überzeugt ist13: Das bekannteste Beispiel für ein hohes Alter in guter Gesundheit ist Ramses II, der 96 Jahre alt wurde, nachdem er 65 Jahre lang regiert und 200 Frauen aus seinem Harem geheiratet hatte, die ihm 96 Söhne und 60 Töchter schenkten, vertritt Velikovsky einen entgegengesetzten Standpunkt14: Rudolph Virchow, der renommierte Anatom in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, war für sein archäologisches Interesse bekannt. Er untersuchte den Schädel der Mumie von Ramses und wunderte sich über die Form des Kieferknochens; er konnte nicht der eines sehr alten Mannes sein. G. Elliot Smith, der Anatom an der Universität von Kairo, der alle greifbaren Königsmumien in Ägypten untersuchte, schrieb über die Mumie von Ramses: »Die Zähne sind sauber und in exzellentem Zustand der Erhaltung; sie waren nur wenig abgenützt (vgl. oben: ziemlich abgewetzte Zähne!). Es ist ein merkwürdiges Problem zu bestimmen, weshalb dieser überaus alte Mann gesunde und nur wenig abgenützte Zähne hätte haben sollen.« Sogar für ein Alter von 60 Jahren waren die Zähne des Königs ungewöhnlich gut erhalten. Dr. Wilton Krogman, der mit dem Röntgenteam der Universität von Michigan arbeitete, interpretiert die Resultate als Anzeichen, dass Ramses II aller Wahrscheinlichkeit nach zur Zeit seines Todes »zwischen 50 und 55« Jahren alt war. Diese Zahl wurde aus einer sorgfältigen Studie über die Demineralisation der Beckenknochen gewonnen. Man gewinnt den Eindruck, Maspéro und Leca möchten das Alter des in dieser Mumie konservierten Herrn "hochreden" im Sinne der konventionellen Auffassung, Ramses II sei als Hochbetagter verstorben. Leca sagt an anderer Stelle15: Das Herz von Ramses II zum Beispiel, das keine schweren Schäden aufzuweisen schien, war durch die Einbalsamierung auf einen 4 mal 8 cm großen Fladen reduziert und so hart, dass es mit einer Säge zerschnitten werden musste. Es war kaum möglich, eine vernünftige Untersuchung durchzuführen. Oder an noch anderer Stelle16: Ramses II hat eine recht beachtliche Mumie abgegeben. Sein Unterkiefer ähnelt dem seines Vaters (Eig.Anm.: gemeint ist Sethos I, und nicht Seth IV Atlas), und die Zähne waren, wie bei einem Mann seines Alters und jener Zeit nicht anders zu erwarten ist, in sehr schlechtem Zustand. Abszesse hatten sich um seine Zahnwurzeln in den Kiefer gebohrt. Zu Ende seines Lebens litt er an einer schmerzhaften Arthrose in der rechten Hüfte und hinkte. Seine 20 Frauen schenkten Ramses II hundert Söhne, von denen nur zwanzig überlebten. (Was heißt das? Bis wann? Am Ende sind sie doch alle gestorben!) Das bisherige Fazit muss lauten: Da unter der Bezeichnung "Ramses II" kein einheitlicher Pharao zu verstehen ist, und da die unter der Zuordnung "Ramses II" beschriebene Mumie nicht zu einem Hundertjährigen passen soll und somit Ramses III/VIII als deren "Inhaber" ausscheidet, bleibt offen, wer der Mumifizierte wirklich war. Die Familienverhältnisse des Ramses I/II Djoser-Amenophis, Ramses II/III Anubis-Phiops und des Ramses II/IV Osorkon gehen etwas durcheinander. Sie stoßen sich aber auch mit den Ptolemäern im Raum. Das hat auch Velikovsky schon beobachtet, der allerdings mit der Gleichsetzung Ramses III = Nektanebos nicht ganz ins Schwarze traf. Betrachten wir die Angaben, die zu der Mumie Ramses' III gemacht werden, dann wird die Annahme Velikovskys zumindest verständlich: Letzter Stand: 19. Dezember 2012
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