Zehntes Buch: Darius und Xerxes

2. Kapitel: 

Hellas im Peloponnesischen Krieg

  Teil IV: 

Der Peloponnesische Krieg

    Persönliche Bemerkungen
5. Teil: Das Jahr 704 ndFl



EINIGE PERSÖNLICHE BEMERKUNGEN

Es sei mir gestattet, hier, inmitten der Besprechung des Peloponnesischen Krieges, ein paar persönliche Worte an meine "Fangemeinde" zu richten, auf die ich sehr stolz bin; denn obwohl meine neue Sicht der Altertumsgeschichte nicht in einem herkömmlichen Buch veröffentlich worden ist, so hat sich dennoch eine ansehnliche Schar interessierter Leser mit meiner Arbeit auseinandergesetzt. Bis jetzt (Ende 2012) haben sich mehr als 100.000 Zugriffe im Internet ergeben. Davon waren bestimmt nicht alle beabsichtigt, sondern die meisten eher zufällig "ergoogelt"; doch immerhin hat sich eine große Zahl von Besuchern sogar mit mir in Verbindung gesetzt, teils zustimmend und teils kritisch.

Mit einigen "Fans" hat sich sogar eine Korrespondenz durch viele Jahre hindurch entwickelt. Diesen Kreis möchte ich nicht enttäuschen, bitte aber um Verständnis für das, was ich zu tun beabsichtige.

Der Leser wird in diesem letzten Teilkapitel bemerken, dass ich ihn an meiner Arbeit, das heißt an meiner Vorgehensweise teilhaben lasse. Das ergibt sich daraus, dass ich schrittweise durch die Überlieferungen gehe und dabei auch die eine oder andere Feststellung, die ich an einer früheren Stelle getroffen hatte, in eine bessere und für richtiger gehaltene ändern muss. Das hätte normalerweise dazu geführt, dass ich die an früherer Stelle gemachte durch die aktuelle Feststellung ersetzt hätte, damit nicht zwei oder mehr unterschiedliche Auffassungen über ein und dieselbe Sache innerhalb desselben Werkes von demselben Autor vorkommen. Da ich aber die betreffenden Teilkapitel bereits veröffentlicht habe, können diese Korrekturen nur durch nachträgliche Eingriffe in diese Kapitel vorgenommen werden. Dennoch habe ich die letzten Kapitel (bis Anfang 2013) auf den neuesten Stand meiner Überzeugung gebracht. 

Einen totalen endgültigen Überblick über diese Phase der Geschichte habe ich noch immer nicht, und es wird auch kaum noch dazu kommen.

Leider muss ich bekennen, dass ich mich nicht mehr in der Lage sehe, die Korrektur der Altertumsgeschichte weiterzuführen, und zwar aus zwei Gründen. Die fehler- und lückenhaften Überlieferungen im Bereich der jetzt anstehenden griechischen und römischen Geschichte machen es schwer und vor allem zeitaufwändig, Ordnung in diese Geschehnisse und ihre Abfolgen zu bringen. Dies ist der sachliche Grund.

Der persönliche Grund für meinen Rückzug aus der ernsthaften Arbeit an der "Neuen Sicht" ist mein fortgeschrittenes Alter. Ich möchte mich den Anforderungen eines systematischen Arbeitens entziehen, ohne aber die Beschäftigung mit diesem Thema für immer aufzugeben.

Ich gebe zu bedenken, dass ich dieses Mammutprojekt in den zurückliegenden dreißig Jahren erfolgreich auf den derzeitigen Stand gebracht habe, und zwar ganz auf mich allein gestellt ohne auch nur auf eine einzige hilfreiche Assistentenhand zurückgreifen zu können, noch nicht einmal für Nebenarbeiten. Ich meine, dass ich mich deshalb mit gutem Gewissen zur Ruhe setzen darf.

Ich hinterlasse meinen eventuellen Nacheiferern, die ich mir wünsche, alle meine bisherigen, zum Teil noch nicht manuskriptreifen Arbeiten in der Hoffnung, dass ihnen der richtige Durchblick eines Tages vergönnt sein wird.

Um nochmals deutlich zu machen, dass die von mir angesprochenen Schwierigkeiten wirklich vorhanden sind und nicht etwa nur meiner Meinung nach existieren, werde ich eines der Hauptwerke für die griechische Altertumskunde, nämlich

die Hellenika des Xenophon,

auf die wir schon mehrfach zugegriffen haben, hier unter diesem Aspekt noch einmal zur Hand nehmen und einiges über dieses Werk sagen und einige seiner Fehler aufzeigen.

Als wichtigste Quelle für den im "Polemos" fehlenden Restteil des Peloponnesischen Krieges (konv. ab 410 v.Chr.) und die Zeit danach (bis konv. 362 v.Chr.) gelten den Althistorikern die Bücher der Hellenika des Xenophon1. Wie an vielen anderen Stellen schon gesagt, halte ich die Reihenfolge der einzelnen Bücher dieses Werkes für willkürlich oder bestenfalls irrtümlich, wenn sie eine chronologisch geordnete sein soll. Selbst innerhalb der Kapitel kann es - wie auch im "Polemos" - zu Vermischungen gekommen sein.

Schon der konventionell gesehene Anschluss der ersten Bücher an den "Polemos" - der übrigens mitten im Satz endet - ist nicht überzeugend. Vermutlich hat man deshalb schon in älterer Zeit, um dies suggerieren zu können, die Bücher der Hellenika in eine dazu passende Reihenfolge gebracht und sie mit "Danach" anfangen lassen. Wenn die Autoren von "Polemos" und Hellenika zwei unterschiedliche Personen waren, dann können die Letzteren ursprünglich nicht so begonnen haben; aber auch dann, wenn Xenophon der Autor beider Werke gewesen sein sollte, hätte er erstens den "Polemos" nicht genau an der Stelle beendet, an die sich heute die Hellenika zeitgleich anschließen lassen, und zweitens hätte er diese als selbständiges Werk nicht mit "Danach" anfangen lassen. Es ist doch ohnehin sehr seltsam, dass zwei unterschiedliche Werke ausgerechnet an den richtigen Stellen enden bzw. beginnen, so dass sie zueinander passen. Dass hier massiv eingegriffen wurde, um eine Kontinuität zu erzeugen, drängt sich dem Betrachter geradezu auf.

Der Weg dahin dürfte die Umstellung der Bücher und Kapitel innerhalb der Hellenika in der Weise gewesen sein, dass man einige Bücher vom Anfang der Hellenika an deren Ende verlegt hat. Dann erst konnte man mit dem unglaubhaften meta de tauta (= "Danach") den Anschluss an den "Polemos" vornehmen. Im Laufe der Zeit müssen sich dann noch weitere redaktionelle Änderungen ergeben haben, die zu dem absolut unbefriedigenden heutigen Zustand dieses Werkes führten.

Es fällt dem unvoreingenommenen Leser der Hellenika auf, und zwar besonders in der Zeittafel gegen Ende der modernen Fassung, dass wichtige Ereignisse aus der griechischen Geschichte in diesem Werk überhaupt nicht erwähnt werden, obwohl sie in dem konventionellen Zeitraum der Hellenika (410-362 v.Chr.) stattgefunden haben sollten. Dazu gehören die Gründung des 2. attischen Seebundes, dann die Gründung der Bundeshauptstadt Megalopolis und die Befreiung Messeniens. Dies kann als Bestätigung dafür angesehen werden, dass die konventionelle Sicht der Geschichte falsch ist.

Das Hauptproblem für die getreue Rekonstruktion dieser Phase der griechischen Geschichte liegt darin, dass es zu Namensänderungen, Überkreuzungen und Vermischungen sowohl in den Hellenika als auch im "Polemos" gekommen ist durch Kopisten, die nicht erkannt haben oder nicht erkennen wollten, dass Kapitelinhalte, die vor oder in den Peloponnesischen Krieg gehören, irrtümlich oder auch absichtlich danach einsortiert waren, wo sie mit solchen vermischt wurden, die tatsächlich erst in die spätere Zeit gehören.

In Thuk. I, 57 und 59 wird als Zeitgenosse von Philipp I, Perdikkas und den Kämpfen um Poteidaia (konv. 432 v.Chr.) ein gewisser Derdas mit seinen Brüdern erwähnt, ohne dass man erfährt, um wen es sich bei ihnen handelt. Hell. V 2 und 3 nennen den Namen Derdas im Zusammenhang mit einem makedonischen Fürsten aus Elimia, der sich am Feldzug der Lakedaimonier unter Teleutias, dem Bruder (des Agis und) des Agesilaos, gegen Olynth beteiligt. Konventionell wird dieser Feldzug um 380 v.Chr. angesetzt, als Amyntas (III) angeblich auf dem Makedonenthron saß. Das wäre fünfzig Jahre nach Poteidaia. Ich halte beide Derdas für ein und denselben, was auch konventionell noch für möglich gehalten werden kann; aber es hat ein Abstand von nur wenigen Jahren zwischen den beiden Erwähnungen eine größere Wahrscheinlichkeit für sich; deshalb setzte ich den Olynth-Feldzug, der hier gemeint ist, mit dem der Jahre (konv.) 349/8 v.Chr. gleich: um 700 ndFl, mitten im Peloponnesischen Krieg.

Der am Ende der Hellenika auftauchende spartanische König Archidamos (III) ist indes nicht der Vater, wie der kritische Leser jetzt annehmen möchte, sondern tatsächlich der Sohn des Agesilaos, des Sohnes von Archidamos (I), der als König nicht mehr in der berichtigten Geschichte erscheint, da er bis zu seinem Tode nur ein Feldherr der Könige Agis und Agesilaos war und den Tod seines Vaters gar nicht mehr erlebt haben kann; denn er wird weder dessen Nachfolger noch im Zusammenhang mit dem Perserkrieg erwähnt.

Zu den Gegebenheiten, die noch vor die ersten Kapitel in den Hellenika gehören, zählt die Beschreibung des Jason von Pherai und seiner Taten. Seine Einordnung als Zeitgenosse des (amtierenden) spartanischen Königs Kleombrotos, worauf ich in einem vorangegangenen Kapitel schon ausführlich eingegangen bin, ist ein Anachronismus und beruht auf einer Fehlinterpretation durch einen Kopisten (Redakteur). Jasons Tod gehört bereits ins Jahr 689 ndFl, in dem Kleombrotos gerade ein Jahr alt war. Dessen Mitregentschaft in Sparta beginnt zwar erst nach dem Peloponnesischen Krieg und nach dem Tode des Kleomenes (konv. 488 v.Chr. analog 722 ndFl), aber es ist nicht ausgeschlossen, dass er schon vorher (ab etwa 704 ndFl) als Feldherr tätig geworden ist; denn es ist nicht einzusehen, wieso neben den amtierenden Königen auch viele andere Feldherren im Krieg stehen, während die erwachsenen, kriegstüchtigen Brüder und Söhne dieser Könige zu Hause "am Swimmingpool liegen" sollten.

Ähnliches gilt auch für die Verwandtschaft des späteren Mitkönigs des Kleombrotos, für Agesilaos, der zu dem Chaos in den Hellenika sogar mit beigetragen haben kann; denn seine Taten werden ausschließlich mit seiner (relativ kurzen) Königszeit in Verbindung gebracht, was möglicherweise ein Fehler ist. Es ist keineswegs zwingend, dass Agesilaos und Kleombrotos alle ihre Feldzüge erst als Könige geführt haben müssen. Agesilaos' Bruder Teleutias, der vermutlich von derselben Mutter abstammte, übernimmt jedenfalls die lakedaimonische Flotte in dieser Zeit und unterstützt seinen Bruder, der folglich ebenfalls schon zu dieser, also vor seiner Zeit als König, Krieg mit Korinth führt (Hell. IV 4, 19; 8, 11).

Pausanias und Agesipolis, die ebenfalls keine Könige von Sparta zu dieser Zeit sind, nehmen auch schon am aktuellen Kriegsgeschehen teil. Ich halte Agesipolis übrigens für eine Doppelperson: Unter diesem Namen ist er einmal der um 675 ndFl geborene und 701 bei Olynth gestorbene Sohn des Agesilaos, den sein Vater beweint (Hell. V 3, 20), und ein andermal ist er ein um 692 ndFl geborener Sohn des Pausanias, der bei Mantineia (706 ndFl) als ganz junger Mann dabei ist und dem sein im Exil lebender Vater nach den Perserkriegen in Delphi eine Gedächtnisstatue stiftet (Hell., Anm. 32 zu Buch V). Beide können denselben Namen gehabt haben, weshalb sie für ein und denselben gehalten worden sein können. Diese Ereignisabfolge wäre jedoch für einen einzigen Agesipolis unmöglich gewesen, da er seinen eigenen Tod überlebt haben müsste. Um diesem Dilemma konventionell zu entgehen, musste Mantineia (Agesipolis II) in einer angemessenen Reichweite vor dem Sterbeort Olynth (Agesipolis I) eingeordnet werden, was nur möglich war, indem man einen 30jährigen Vertrag mit Mantineia zwischen 418 und 385/4 v.Chr. einschob, der dann kurz vor dem spartanisch-olynthischen Krieg (konv. 382-379 v.Chr.) abgelaufen war. In Wirklichkeit lagen die Aktivitäten natürlich in der Reihenfolge Olynth (700/1 ndFl) vor Mantineia (706 ndFl). Diese Manipulationen waren unter anderem der Grund dafür, dass die 70er-Jahre des vierten vorchristlichen Jahrhunderts in der konventionellen Altertumsgeschichte chronologisch extrem chaotisch geraten sind.

Einen Heerzug hat der noch jugendliche Agesipolis (II) bei Mantineia nicht geführt; aber er gewährt "auf Bitten seines Vaters" den Führern der Demokraten (!) von Mantineia freien Abzug. Agesipolis (II) kann im Perserkrieg an der Seite seines Vaters Pausanias gekämpft haben und gefallen sein.

Einen anderen Sohn des Pausanias, Pleistoanax, möchte ich als Unperson auffassen; denn ich halte dessen Namen für eine Abwandlung des Namens des Mündels des Pausanias, des Pleistarchos, des Sohnes des Leonidas. Die "Erfindung" des Pleistoanax kann als ein Diktat der Pentekontaëtie angesehen werden. Ich habe diese fiktive Person bisher stets durch eine historisch echte ersetzen können.

Pausanias wird auch von Herodot mehrfach erwähnt, und zwar ausschließlich als derjenige, der das spartanische Heer bei Platää zum Sieg über die Perser führt (729 ndFl). Dieses Ereignis gehört ins neunte und letzte Buch Herodots. Doch schon vorher (Herodot IV, 81; V, 32; VIII, 3) wird er erwähnt, und zwar mit Hinweisen darauf, dass diese Ereignisse "in späterer Zeit" stattfinden werden. Diese Art der Berichterstattung kann mich nicht überzeugen. Ich meine vielmehr, dass ein späterer Kopist diese Bemerkungen unter dem Eindruck der Pentekontaëtie eingefügt hat, und dass die früher geschilderten Dinge auch tatsächlich schon früher geschehen sind. Zum Thema "Pentekontaëtie" verweise ich auf den Teil 3 dieses 2. Kapitels (Das Erste Buch im "Polemos").

Agesilaos wurde nach dem Tode seines Bruders Agis im Jahre (konv.) 401 v.Chr. analog 725 ndFl Eurypontiden-König von Sparta. Er ist demnach in konventioneller Sicht schon im Amt, wenn er einige Jahre später in Kleinasien und Böotien Krieg zu führen beginnt, und zwar in Böotien gemeinsam mit Kleombrotos, der auf seinen Bruder Kleomenes als Agiaden-König gefolgt ist. Es ist indes keineswegs sicher, dass diese beiden erst nach ihrem Regierungsantritt in Böotien Krieg führten. Diese Feldzüge (konv. 377/6 v.Chr.) können eher noch in die Zeit zwischen Olynth (kapituliert konv. 379 v.Chr.) und die Schlacht bei Mantineia mit dem Tod des Epaminondas (konv. 362 v.Chr.) gehören, als beide Feldherren noch nicht im Königsamt waren. Das beträfe dann die Jahre zwischen 701 und 706 ndFl. Der Nikias-Friede hätte den Spartanern den Krieg gegen die Böoter nicht untersagt. In Kleinasien und im Delta führte Agesilaos seine Feldzüge erst als König.

Agesilaos wurde etwa im Jahre 646 ndFl geboren und starb im Alter von über achtzig Jahren. Folglich war er beim Regierungsantritt seines Bruders Agis etwa zweiundfünfzig Jahre alt und bei seinem ersten Feldzug gegen Böotien etwa sechzig. Agis war erst um 680 ndFl als ein "reinerer Eurypontide" als Agesilaos es war geboren und daher noch sehr jung, als er König wurde (etwa 18 Jahre alt).

Agesilaos wird erstmals in den Hellenika (III 3, 1ff.) im Zusammenhang mit seiner Wahl zum König erwähnt: Nach dem Tod des Agis auf dem Krankenbett, der schon in hohem Alter gestanden haben soll (er war 725 ndFl jedoch erst um die Mitte vierzig), gibt es einen Streit um die Nachfolge. Der etwa zwanzigjährige Leotychides der Jüngere, der Sohn des Agis, reklamiert die Königswürde für sich, Agesilaos hält diesem jedoch seine ungeklärte Abstammung entgegen. Damit bezieht er sich auf die angebliche fragliche Vaterschaft des Agis an Leotychides; doch meines Erachtens sollte es heißen, dass Leotychides zwar ein "reinerer Eurypontide" war, dass aber Agesilaos wegen seines Alters oder wegen seiner Verdienste noch bis zu seinem Tode vor dem Jüngeren die Königswürde erhalten sollte. So geschah es dann auch.

Wenn nun gesagt wird, Lysandros, der verdiente Nauarch der Spartaner im Peloponnesischen Krieg, habe sich dafür eingesetzt, dass Agesilaos auf seinen Bruder folge, dann bedeutet das, dass Lysandros frühestens 725 ndFl gestorben sein kann (konv. 395 v.Chr., bei Haliartos in Boiotien), vermutlich im Jahre 726 ndFl, und zwar bei dem späteren zweiten Feldzug der Spartaner gegen Theben und Korinth. Der erste und der zweite Feldzug wurden schon von den Redakteuren der Hellenika  vermischt.  

Als ein weiteres Beispiel dafür, dass die Kapitelfolge in den Hellenika nicht chronologisch geordnet ist, hatte ich die Schlacht bei Mantineia (konv. 418, 362 und 223 v.Chr.) schon erwähnt. Sie gehört nicht nur konventionell in die Mitte des Peloponnesischen Krieges (Thuk. V, 66-74; 418 v.Chr. analog 706 ndFl), sondern auch in der berichtigten Geschichte. In den Hellenika erscheint sie jedoch erst am Ende des ganzen Werkes (konv. 362 v.Chr.). Im Jahr (konv.) 223 v.Chr., das 139 Jahre nach dem letzten Berichtsjahr der Hellenika liegen müsste, wird Mantineia von Antigonos Doson zerstört. Der ist aber Amyntas, der Sohn des Philipp und Zeitgenosse des Peloponnesischen Krieges.

Antigonos Doson ist ein Zeitgenosse der im konventionellen dritten Jahrhundert v.Chr. angesiedelten Könige Agis IV und Kleomenes III von Sparta, von denen es jedoch jeweils nur einen einzigen Namensträger gegeben hat, und diese beiden lebten - wie wir wissen - ebenfalls in der Zeit der frühesten Erwähnung dieser Schlacht, nämlich im Peloponnesischen Krieg, aber auch in der Zeit des Archidamos des Jüngeren, des um 670 ndFl geborenen Sohnes des Agesilaos. Wer soll da glauben, dass sich das alles nach 56 und nach weiteren 139 Jahren wiederholt haben könnte?

Weiter unten komme ich erneut auf Ereignisse zu sprechen, die in den Hellenika verzerrt dargestellt sind. Am Ende wird der Leser mehr als nur einen kurzen Eindruck von der Unzuverlässigkeit der Hellenika gewonnen haben und mit mir zu der Überzeugung gelangt sein, dass es nur durch eine völlig neue, richtige Chronologie überhaupt erst möglich wurde, alle diese Fehler zu entdecken.

Das Jahr 704 ndFl

Wie ich im vorangegangenen Teilkapitel bereits geschrieben habe, besteht nicht nur eine Möglichkeit, dass der Friede des Nikias erst im Anschluss an die Niederlage der Athener auf Sizilien geschlossen wurde (im Frühjahr 704 statt 703 ndFl), sondern es fordert auch die Logik zu dieser Sicht der Dinge geradezu heraus. In diesem Falle müssen die Herren Nikias und Demosthenes erst später zu Tode gekommen sein und nicht schon auf Sizilien, und zwar unumgänglich für Nikias wegen der Unterzeichnung des nach ihm benannten Vertrages. Demosthenes könnte im Winter (konv. 322 v.Chr. analog 704 ndFl) nach der im Sommer verlorenen Seeschlacht bei Amorgos (Lamischer Krieg) Selbstmord begangen haben - aus welchen Gründen auch immer. Die Bemühungen des Spartaners Gylippos, die beiden vor der Hinrichtung durch die Syrakusaner zu bewahren, wären dann doch nicht vergeblich gewesen.

Es ist konventionell gar nicht leicht vermittelbar, dass es vor dem Ablauf des Nikias-Friedens zu den Kämpfen auf Sizilien gekommen sein soll. Dass dies auch gar nicht der Fall war, haben wir gesehen. Auch die Vorstellung, dass Korinth nach diesem Frieden wieder an der Seite Spartas kämpft, ist nicht überzeugend; denn nach dem Sizilienkrieg und gleich nach dem Frieden begann zwischen Sparta einerseits und Argos und Korinth andererseits eine Zeit der Spannungen, die ihren Ursprung im Hinblick auf Argos sogar schon am Beginn des Krieges hatten. Die Querelen zwischen den Städten Sparta und Korinth ergeben erst nach dem von ihnen gemeinsam geführten Krieg auf Sizilien den rechten Sinn und nicht schon davor, und auch nur dann, wenn der Sizilienkrieg um acht Jahre vordatiert wird.

Wie groß das Verlangen der Menschen in Athen nach Frieden war, nachdem die Sizilien-Expedition so verlustreich ausgegangen und gescheitert war, geht aus Thuk. VIII 1 und 2 schmerzlich hervor. In diesen Kapiteln des "Polemos" ist nicht die Rede vom endgültigen Frieden, sondern von neuen Anstrengungen zum Wiederaufbau der athenischen Flotte, die im Ionischen Krieg, der schon bald beginnen wird, gelitten hatte. Die konventionell gesehene Parallele von Ionischem und Dekeleischem Krieg hat es nicht gegeben. Der Peloponnesische Krieg war tatsachlich dreigeteilt, wie schon im Altertum gesagt wurde, aber nicht in Archidamischen vor und Dekeleisch-Ionischen Krieg nach der Phase des Nikias-Friedens, sondern in Archidamischen (692-704 ndFl), Ionischen (705-712 ndFl nach kurzem Nikias-Frieden) und Dekeleischen Krieg (712-720 ndFl). Die alte Angabe, der Krieg habe dreimal neun Jahre gedauert, trifft nicht ganz zu. Es hat in der letzten Phase allerdings sowohl Land- als auch Seeschlachten gegeben.

In Athen vollzieht sich in diesem Jahr 704 ndFl ein wichtiger Wandel in der Verfassung. Was bisher eigentlich kaum erwähnt wurde und auch gar nicht so recht aufgefallen ist, muss jetzt endlich gesagt werden:

Nach dem Tode des "Perikles" wird im "Polemos" kein Nachfolger genannt, sondern es wird so getan, als liefe jetzt eine ganz normale athenische Demokratie ab. Das kann nicht der Fall sein, da es sich überhaupt nicht um Perikles, sondern um Peisistratos handelt, auf den seine undemokratischen Söhne als Tyrannen gefolgt waren. Wir müssen uns mit der Vorstellung vertraut machen, dass der Peloponnesische Krieg - zum Teil wenigstens noch - in die Zeit der Tyrannenherrschaft über Athen gehört, und sogar der Krieg auf Sizilien mit seinem schrecklichen Desaster. Wenn nun im "Polemos" anscheinend unvermittelt der Tod des Hipparchos, eines der Söhne des Peisistratos, in allen Einzelheiten geschildert wird, dann fragt sich der konventionell orientierte Leser, was das für einen Sinn haben soll; denn er hält diese Angelegenheit doch für seit hundert Jahren schon erledigt.

Bereits fünf Jahre nach dem Tode des Peisistratos konnte sich die Demokratie erstmals gegen schwache Söhne, die im Innern offenbar keinen und im Äußeren nur wenig Rückhalt hatten, in Athen durchsetzten. Es handelt sich um die so genannten "ersten Versuche des Kleisthenes", die im Jahre (konv.) 508/507 v.Chr. gesehen werden.

Dieses Experiment war nicht von langer Dauer: 700 bis 702 ndFl; denn (Bengtson, S. 341) als schließlich Antipatros, durch den Zuzug des Krateros (Alexander der Große Nr. 1?) verstärkt, zu Lande bei Krannon Sieger blieb, gewannen in Athen die Makedonenfreunde, geführt von Phokion und Demades, die Oberhand über die Radikalen. Das war im Jahre 702 ndFl, in dem die Demokratie vorerst wieder abgeschafft wurde. Doch kurz darauf änderte der politische Wind schon wieder seine Richtung. Ich berichtete auch schon im vorangegangenen Teilkapitel darüber:

Hipparch wird im Jahre (konv.) 514 v.Chr. ermordet bzw. der mit ihm identische Phokion (konv.) 316 v.Chr. als Makedonenfreund hingerichtet werden. Jetzt, genau auf der Mitte dazwischen, im Jahre (konv.) 415 v.Chr., berichtet der "Polemos" ausführlich darüber im Zusammenhang mit der Sizilienexpedition und dem Prozess gegen Alkibiades. Die Ermordung des Phokion-Hipparch gehört in das Jahr 702 ndFl. = 178 v.Chr., das ebenfalls ein Panathenäenjahr war. Das würde auch heißen, dass der Tod des Eumenes-Mursilis, der ebenfalls im Jahre (konv.) 316 v.Chr. gesehen wird, schon ins Jahr 702 ndFl datiert werden muss, und dass dessen Sohn Nabonid-Antiochos (I/III) = Hattusilis (III) von der Exfrau (Gaschulawija-)Laodike des Darius schon im Jahre 702 (oder 703) statt 706 ndFl (wie ich bisher angenommen habe) geboren wurde.

Möglicherweise war Laodike eine verstoßene Ehefrau des Darius. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an den Haman (Eumenes) aus dem Buch Esther im AT, in dem der Großkönig Arthahsasthah (so im apokryphen Buch Esther; im kanonisierten Buch jedoch Ahasveros), der Herr über 127 Länder von Indien bis an Mohrenland war, seine Gemahlin Vasthi verstoßen hatte. Dieser Arthahsasthah ist eine Mischung von Darius I und II, in diesem Falle jedoch eindeutig Darius I. Weshalb er im kanonisierten Buch Esther in Ahasveros = Xerxes umbenannt wird, ist unersichtlich. Eine gleiche Verstoßung wird Darius II mit seiner Gemahlin Parysatis in der Anabasis nachgesagt, und dieser Darius II ist ebenfalls mit Darius I identisch.

Parysatis ist auch die Gattin Ischta-Pariya des mit Darius identischen Lipit-Ischtar, also auch Vasthi = Ischtar = Gaschu(-Laodike). Die Esther (= Hadassa) des gleichnamigen Buches ist keine Jüdin, sondern die Tochter Atossa des Kyros des Älteren, die Darius aber schon lange vor der Verstoßung der Vasthi-Parysatis geheiratet haben muss; denn von ihr hatte er zu diesem Zeitpunkt schon erwachsene Kinder. Das Buch Esther erwähnt nicht, dass die verstoßene Vasthi-Laodike von Mursilis-Eumenes I den Sohn Haman-Eumenes II bekommen wird. Der Name Haman leitet sich (lt. Abraham Meister) von dem Sanskritwort hêman für den Planeten Merkur (= Nabu) ab.

Diesem Haman weist das Buch Esther eine sehr ähnliche Rolle zu, wie sie Eumens II = Antiochos I/III auch tatsächlich gespielt hat: die Massentötungen Purim und Ephesische Vesper. Wie sehr hier an der Wirklichkeit geändert worden ist, geht allein schon daraus hervor, dass der Haman im Buch Esther älter ist als seine Mutter Vasthi-Laodike und dass der Vater Eumenes I = Mursilis II gar nicht erscheint. Dafür wird Haman als Sohn des Hammedatha bezeichnet, den ich mit Armadatta = Attalos = Belesys identifiziere, dem Vater des Syennesis = Sin-Uas und Onkel des Mursilis-Eumenes.

Durch die Verlegung des Todes des Eumenes ins Jahr 702 ndFl kann dessen Hinrichtung durchaus noch von Antigonos Monophthalmos, von Philipp I also, vorgenommen worden sein. Allerdings ist die Hinrichtung der Olympias, die ebenfalls konventionell dem Jahr 316 v.Chr. zugeordnet wird, noch zu Lebzeiten ihres Sohnes Alexander problematisch. Dies gehört zweifellos in ein späteres Jahr.

Im Ersten Buch des "Polemos" wird über den Tod des Hipparchos an zwei Stellen berichtet:

(Thuk. I, 20) So viel nur habe ich über die ältere Zeit ermittelt; dabei war es schwer, jedem beliebigen Zeugnis Glauben zu schenken. Die Menschen nehmen die Kunde von den vergangenen Ereignissen, selbst wenn diese im eignen Lande vorgefallen sind, ohne Nachprüfung hin und tragen sie weiter. So glaubt z. B. alle Welt in Athen, dass der Tyrann Hipparchos von Harmodios und Aristogeiton ermordet worden sei, und weiß nichts davon, dass Hippias als der älteste von Peisistratos' Söhnen der eigentliche Regent war, Hipparchos und Thessalos aber nur seine Brüder waren; Harmodios und Aristogeiton wollten jenen (Hippias) ermorden, argwöhnten aber, als der Tag und die Stunde da war, ein Mitverschworener habe es Hippias verraten; darum ließen sie ihn gehen, wollten aber vor ihrer Verhaftung doch irgend etwas tun und töteten den Hipparchos, den sie in dem so genannten Leokorion mit der Vorbereitung des Panathenäenfestzuges beschäftigt fanden. (Das Leokorion ist ein altes Heiligtum im Kerameikos, dem späteren Friedhofsbezirk in Athen. Von Tempelgebäuden ist heute nichts mehr bekannt.)

Der Redakteur muss diese Passage in den "Polemos" hineingebracht haben, da der Autor sich wohl kaum in dieser Art und Weise geäußert hätte. Für den Autor lag diese Tat nur wenige Jahre zurück, und er hätte auch nicht so verzweifelt "um die Wahrheit gerungen", wie dies der Redakteur, für den diese "älteren Zeiten" schon länger zurückliegen, eingangs Absatz 20 tut.

An anderer Stelle im "Polemos" (Thuk. VI, 54) wird dieser Vorgang durch eine für die damalige Zeit nicht ungewöhnliche päderastische Beziehung zwischen dem älteren Mittelständler Aristogeiton und dem jugendlichen Harmodios, der auch von Hipparch umworben wurde, erweitert. Aus Furcht, der Mächtigere können ihm den Harmodios abwerben, der seinerseits auch nicht an Hipparch interessiert war, beging Aristogeiton mit jenem gemeinsam den Mord.

Der Autor des "Polemos" bemüht sich, Hippias als den einzigen Herrscher nach seinem Vater darzustellen, der im Besitze der Tyrannis hochbetagt gestorben sei (Thuk. VI, 54). Er war jedoch erst 63 Jahre alt, als er starb (geboren 632, gestorben 695 ndFl):

(Thuk. VI, 55): Dass in der Tat Hippias als der älteste die Herrschaft hatte, das kann ich auf Grund besserer Kenntnis, als andere sie haben, versichern; auch kann man es aus folgendem ersehen. Er war der einzige unter den rechtmäßigen Brüdern, von dem Söhne nachweisbar sind... Da findet sich weder von Thessalos noch von Hipparchos ein Sohn erwähnt, von Hippias aber fünf, die ihm Myrrhina, die Tochter des Kallias, Hyperochides Sohn, geboren hat.

Einer dieser Söhne hieß wie sein Großvater Peisistratos (Thuk. VI, 54). Ich halte den Schwiegervater Kallias des Hippias für denjenigen, der auch die Güter des Peisistratos während dessen Verbannung aus Athen ersteigert hatte (Herodot VI, 121), wenn auch der hier im "Polemos" erwähnte Vater einen anderen Namen gehabt haben soll.

Mit "den anderen", die weniger gut informiert gewesen sein sollen, ist wohl in erster Linie Herodot gemeint:

(Herodot V, 55) Als Aristagoras Sparta verlassen hatte, ging er nach Athen. Athen hatte sich auf folgende Weise von seinem Tyrannen befreit. Hipparchos, der Sohn des Peisistratos und Bruder des Tyrannen Hippias, wurde von Aristogeiton und Harmodios ... ermordet. Er hatte sein Schicksal im Traume deutlich vorausgesehen. (56) In der Nacht vor dem Fest der Panathenäen träumte ihm, ein großer schöner Mann träte zu ihm und spräche folgende dunkle Worte:

"Trag Unerträgliches, Löwe, im Tragen gewohnten Gemüte! Nie entging der frevelnde Mensch jemals seiner Strafe."

Sobald der Tag kam, legte er, wie man sicher weiß, den Traum den Traumdeutern vor, nahm aber dann, ohne ihn weiter zu beachten, an dem Festzuge teil, bei dem er seinen Tod fand.

Der "große schöne Mann" erinnert an die Päderastie, der Traum ist typisch für Herodot. Die Zeitangabe "als Aristagoras Sparta verlassen hatte", wo er von Kleomenes abgewiesen worden war, spricht für eine wesentlich spätere Ansetzung der Ermordung des Hipparch, als sie konventionell gesehen wird: 514 liegt 14 oder 15 Jahre vor dem Beginn des Ioner-Aufstandes, der unmittelbar an den Besuch des Aristagoras in Sparta und Athen anschloss (dazu weiter unten mehr). Es wird nicht gesagt, dass der Besuch in diesem Panathenäenjahr 702 ndFl, in dem der Mord an Hipparch geschah, schon stattgefunden habe. Es kann sich eher um das Jahr 704 ndFl gehandelt haben, um die Zeit nach dem Nikias-Frieden.

(Herodot V, 65) So waren die Athener frei geworden. Ich will nun ... die Taten ... zwischen ihrer Befreiung und dem Abfall Ioniens von Dareios, also bis zur Ankunft des Aristagoras in Athen und seiner Bitte um Hilfe, erzählen.

Das macht deutlich, dass zwischen der Befreiung und dem Ioner-Aufstand zwar ein zeitlicher Abstand liegt, der aber nicht 14 oder 15 Jahre betragen haben kann.

Es sieht so aus, als sei Hippias nach dem fehlgeschlagenen Attentat auf ihn, das - aus welchen Gründen auch immer - seinen Bruder getroffen hatte, nach Sparta geflüchtet:

(Herodot V, 96) Als ... Hippias von Lakedaimon nach Asien zurückkehrte, ... verleumdete er [die Athener] bei Artaphernes und tat, was er konnte, um Athen in seine und des Dareios Gewalt zu bringen. Als die Athener davon Kunde erhielten, schickten sie Boten nach Sardes, die Perser möchten den athenischen Verbannten keinen Glauben schenken. Artaphernes ließ sagen, wenn ihnen ihr Leben lieb sei, sollten sie Hippias wieder in die Stadt aufnehmen. Aber die Athener verweigerten das; sie waren zu offenen Feindseligkeiten gegen Persien fest entschlossen.

Dieser Artaphernes ist noch der Ältere, also Antipatros, der unlängst noch dafür gesorgt hatte, dass die Herren Phokion und Demades, nämlich Hipparch und Hippias, "Oberwasser" in Athen bekommen hatten. Da Antipatros im Jahre 702 ndFl sterben wird, so kann Hippias auch nur in diesem Jahr mit ihm verhandelt haben. Da er noch mindestens zwei Jahre in Athen regieren wird, ist seine Rückkehr dorthin unvermeidlich. Die Athener legten sich folglich keineswegs mit Artaphernes und den Persern an, wie Herodot meint, sondern sie ließen Hippias wieder heimkehren. Die massive Drohung des Artaphernes kann eher der Grund für das "Oberwasser" gewesen sein als der Sieg des Antipatros bei Krannon; denn das klingt als Grund dafür nicht überzeugend genug.

Der "Polemos" lässt Hippias nach einem geeigneten Exilort suchen und seine Tochter Archedike (* ca. 688 ndFl) dem Sohn Aiantides (* ca. 675 ndFl) des Tyrannen Hippokles von Lampsakos (am Hellespont; * ca. 650 ndFl) zur Frau geben, weil dieser ein Freund des Darius war (Thuk. VI, 59). Von einer endgültigen Flucht zu diesem Tyrannen ist vorerst noch keine Rede; aber die Gelegenheit ist jetzt, da sich Hippias mit seiner Familie nach Asien begeben hat, für die Begegnung mit den Lampsakern günstig.

Der Weg des Hippias führte ihn zunächst noch einmal zurück nach Athen (Thuk. VI, 59):

Noch drei Jahre regierte Hippias über Athen. Als im vierten Jahr die Lakedaimonier und die verbannten Alkmaioniden seiner Herrschaft ein Ende machten, verließ er unbehelligt die Stadt und begab sich nach Sigeion und weiter nach Lampsakos zu Aiantides und von dort zum König Dareios. Zwanzig Jahre später, schon ein Greis (geboren ca. 666 ndFl), machte er noch den Feldzug der Meder nach Marathon mit.

Im Jahr der Marathonschlacht (konv.) 490 v.Chr. analog 718 ndFl wäre Hippias 52 Jahre alt und keinesfalls im Greisenalter gewesen. Konventionell hat man diese Aussage jedoch in die Chronologie einbezogen: Vertreibung des Hippias aus Athen 510 v.Chr. vier Jahre nach dem Panathenäenjahr 514 v.Chr., in dem Hipparch ermordet worden sein soll, und die Marathon-Schlacht 490 v.Chr. (718 ndFl) zehn Jahre vor Salamis (728 ndFl). Die Vertreibung des Hippias geschah demnach nur vierzehn statt zwanzig Jahre vor Marathon.

Eigenartigerweise berichtet auch Herodot (anachronistisch, wie wir in einem anderen Zusammenhang schon besprochen haben) von einem Eingreifen der Lakedaimonier auf seiten der Athener im Streit mit Hippias:

(Herodot V, 65) Aber die Lakedaimonier hätten ganz gewiss nicht die Burg erobert, ... wenn nicht ein Ereignis eingetreten wäre, das für jene ungünstig, für die Belagerer ein Glück war. Die Söhne der Peisistratiden wurden bei einem heimlichen Fluchtversuch aus Attika gefangengenommen, ... Gegen Auslieferung der Kinder ergaben sie sich unter der von den Athenern gestellten Bedingung, innerhalb von fünf Tagen Attika zu verlassen. Sie wanderten nach Sigeion am Skamandros aus (nahe Troja).

Die Spartaner sind in diesem Zusammenhang nicht nur überflüssig, da dies eine rein athenische Sache war, sondern sie gehören logischerweise gar nicht hierhin. Hippias war mit seiner Familie schon zwei Jahre vorher nach Sparta und von hier nach Asien gegangen; warum sollten die Spartaner jetzt seine Gegner sein? Sparta, das mit Athen im Peloponnesischen Krieg lag, hatte keine Veranlassung, gemeinsame Sache mit dem demokratiefreundlichen Athen gegen seinen Tyrannen Hippias zu machen.

Die spartanische Bedrohung der "Burg" fand zu Beginn des Krieges bereits statt und war gegen die aufkommende Demokratie in Athen gerichtet. Ich habe darüber an früherer Stelle abgehandelt. Jetzt erfahren wir Näheres zu den derzeit herrschenden Umwälzungen von Herodot (V, 66):

Athen war schon vorher eine große Stadt, wurde aber nach Befreiung von den Tyrannen noch mächtiger. Zwei Männer hatten die Gewalt in Händen: der Alkmeonide Kleisthenes, der damals die Pythia bestochen haben soll, und Isagoras, Sohn des Teisandros, der aus angesehenem Hause stammte, ohne dass ich aber seine Abkunft angeben könnte. ... Diese beiden Männer kämpften um die Herrschaft. Da Kleisthenes unterlag, begann er das niedere Volk auf seine Seite zu ziehen. Darauf ersetzte er die vier Phylen, aus denen die athenische Bürgerschaft bestand, durch zehn Phylen... (69) So hatte er durch seine Hinwendung zum Volk die Gegenpartei weit überflügelt. (70) Der unterlegene Isagoras suchte sich dadurch zu helfen, dass er Kleomenes von Lakedaimon herbeirief...

Wie bereits gesagt, werden hier verschiedene Vorgänge vermischt. Ein Teil davon gehört schon in die frühere Phase, in der auch Kleomenes und Isagoras (= Isokrates, Sokrates) ihre Plätze finden, der andere Teil gehört in dieses Jahr 704 ndFl. Hierauf bezieht sich auch die an der Nahtstelle von "Polemos" und Hellenika beschriebene Abschaffung der athenischen Demokratie und Aufrichtung einer Diktatur der 400 (extreme Oligarchie) sowie die daran anschließende Verfassung des Theramenes, eines Sohnes des Hagnon (Regierung der 5000): es sollte ein Kompromiss zwischen der Demokratie und der Oligarchie gefunden werden (konv. Sommer 411 v.Chr.). Diese Verfassungsreform gehört zusammen mit der angeblich späteren Revolution in Athen (Herrschaft der Dreißig; konv. 404-403 v.Chr.) ebenfalls in die in Rede stehende Zeit, in der die Demokratie in Athen vorübergehend abgeschafft war. Statt dessen gab es eine Timokratie, eine "Begüterten"-Herrschaft, die jedoch schon bald wieder von der Demokratie abgelöst wurde: (konv.) 510 v.Chr.: Sturz des Hippias im Jahre 704 ndFl und (konv.) 508/507 v.Chr.: Reformen des Kleisthenes (= Demosthenes, der im selben Jahr stirbt: 704 ndFl).

Am Ende der Peisistratidenzeit steht die Erneuerung der Demokratie, die nun zum dritten Male einen Anlauf nimmt. Erstmals war sie schon am Beginn des Krieges durch das Eingreifen der Spartaner unter Kleomenes und vor allem durch die Rückkehr der Tyrannen aus dem euböischen Exil gescheitert, und dann hatte die Drohung des Artaphernes-Antipatros den Demokraten in Athen die Laune verdorben.

Könnten die demokratiefeindlichen Spartaner ein Interesse an der Rückkehr des Hippias nach Athen gehabt haben?

(Herodot V, 91) Als die Lakedaimonier ... sehen mussten, dass Athen an Macht zunahm und ihnen nicht mehr gehorchen wollte, da ... ließen sie Hippias, Peisistratos' Sohn, aus Sigeion am Hellespont kommen ...

Hier vermute ich eine Kopistenwillkür; denn der Text ist unpassend. Athen hat vor dem Nikias-Frieden, also in der Zeit der Peisistratiden-Herrschaft, keineswegs nach der Pfeife Spartas getanzt. Außerdem vermute ich, dass Hippias überhaupt nicht von Sigeion zurück nach Sparta ging, sondern zurück nach Athen, und zwar nach seinem ersten Weggang von hier. Angeblich kommt es zu einem Treffen mit Hippias, an dem für Korinth dessen Abgesandter Soklees teilgenommen haben soll. Zwei erfundene Reden setzen dem Ganzen dann noch die Krone auf. Der Plan sei jedoch gescheitert und Hippias abgereist. Er soll nach diesem angeblichen Treffen nach Makedonien gereist sein, wo ihm Amyntas die Stadt Anthemus schenkte. Von den Thessalern bekam er die Stadt Iolkos zum Geschenk (Herodot V, 94). Das heißt, das sich Vater Philipp auch nicht lumpen lassen wollte; aber der wird in diesem Jahr noch sterben. Nach Angabe Herodots lehnte Hippias beide Angebote freundlich ab und ging nach Sigeion. Tat er das? Ich denke, er ging jetzt zu seinem Schwiegersohn nach Lampsakos. Damit war die Herrschaft der Peisistratiden über Athen beendet.

Es heißt bei Herodot V, 65: Sechsunddreißig Jahre hatte die Familie über Athen geherrscht. Das ist die richtige Anzahl von Regierungsjahren, nämlich von 668 bis 704 ndFl. Die Regierungszeit des Vaters währte keine zweiunddreißig Jahre, sondern nur siebenundzwanzig (668 bis 695 ndFl), und Hippias regierte auch nur zwei Jahre über den Tod des Bruders hinaus statt vier (Herodot V, 55) oder drei Jahren, wie im "Polemos" gesagt wird (Thuk. VI, 59). Die konventionell vertretenen zweiunddreißig Jahre des Peisistratos (561-529 v.Chr.) könnten die des richtigen Perikles sein (konv. 461-429 v.Chr., genau hundert Jahre später). Ich habe allerdings in vorangegangenen Kapiteln auch die zweiunddreißigjährige Regierungszeit des Vaters favorisiert (663-695 ndFl), was ich hiermit korrigiere.

Die Geschichte ist durch die vielen Manipulationen stark zerfetzt worden, so dass es schwierig wird, die Ereignisse in ihrer richtigen Abfolge wieder einander zuzuordnen. Es sind Zusammenhänge völlig verloren gegangen, und es sind Bilder entstanden, die verzerrt sind. Vieles scheint nicht zueinander zu passen, weil Redakteure zu viel eigenes Gut hineingedichtet haben. Vor allem wurden falsche Schlüsse aus falschen Gleichzeitigkeiten gezogen, die dann noch mit fiktiven Reden überkleistert wurden. Wir müssen uns ein völlig neues Bild von der griechischen Geschichte - und nicht nur von dieser - machen.

Wenn die "Dreißig" kurz nach ihrer Einsetzung in Athen im Jahre 704 ndFl schon wieder abgesetzt und verfolgt wurden, dann ist auch das, was ab Hell. II 4, 28 geschildert wird, diesem Jahr zuzuweisen, in dem der Nikias-Friede geschlossen wurde: Die Boioter und die offensichtlich von ihnen dazu überredeten Korinther (Hell. III 5, 5) verweigern ihre Teilnahme an dem Feldzug der Lakedaimonier gegen die Athener, die mit ihrem Eintreten für Argos den ersten Verstoß gegen diesen soeben geschlossenen Vertrag begangen hatten. Auf der Seite der Lakedaimonier stehen die Feldherren (fälschlich König) Pausanias und - eifersüchtig von ihm beäugt - sein Gegenspieler Lysandros.

Zu "König" Pausanias wäre folgendes zu sagen: Es ist nicht auszuschließen, dass Kleomenes bis zum Jahre 703/704 ndFl in der (selbstgewählten?) Verbannung (Fluchtexil?) war. In dieser Zeit könnte Pausanias den Agiadenpart an der Regierung übernommen haben. Der für das Jahr (konv.) 227 v.Chr. angegebene Staatsstreich des Kleomenes III könnte dann zur Absetzung und Verbannung des Pausanias geführt haben, was jedoch der Herodotschen Version widersprechen würde, nach der die Spartaner Kleomenes aus Angst vor dessen Umtrieben zurückgeholt hätten. Als Aristagoras nach Sparta kam, muss Kleomenes aber auf jeden Fall wieder im Amt sein. Seine Tochter Gorgo müsste dann etwa sechs Jahre alt sein.

War der Friede des Nikias schon wieder Makulatur? Thuk. VIII, 3 (konv. Winter 413/12 v.Chr.) fährt fort mit Dekeleia, was jedoch erst ins Jahr 711/712 ndFl gehört. Hatte der Friede tatsächlich bis dahin gehalten? In Anbetracht des jetzt beginnenden Seekrieges (Ionischer Krieg) fällt es schwer, an eine siebenjährige Dauer des Friedens zu glauben (konv. 421-414 v.Chr.).

Im auslaufenden Winter (konv. 421/20 v.Chr. analog 703/704 ndFl) heißt es überfielen die Olynther (Thuk. V, 39) das von den Athenern besetzte Mekyberna (Olynths Nachbarstadt auf der Chalkidike) und nahmen es ein. Der Name Olynth begegnete uns zum ersten Mal in Thuk. I, 58, als Perdikkas kurz vor dem Peloponnesischen Krieg die Poteidaier dazu überredete, gemeinsam mit den Chalkidiern und Bottiäern ihren Abfall von Athen zu proklamieren. Sie sollten dann ihre an den Küsten gelegenen Städte zerstören und sich oben in Olynth ansiedeln und die Stadt befestigen. Das Motiv des Makedonen war die Herausforderung Athens zum Krieg gegen Poteidaia und damit verbunden den für diesen Fall versprochenen Einfall Spartas in Attika, also letztlich die Auslösung des Peloponnesischen Krieges. Diese Rechnung ging zwar auf, doch standen die Folgen in keinem Verhältnis mehr zur Absicht. Hatten die Olynther aber in diesem Jahr 704 ndFl überhaupt noch die Kraft dazu, Athen herauszufordern? Ich meine, dass diese Aktion gegen Athen und Mekyberna an den Anfang des Krieges gehört und mit der Zerstörung Poteidaias im Jahre 695 ndFl zusammenhängen könnte. Mit den Jahren muss Olynth dann zu einer mächtigen Stadt auf der Halbinsel Chalkidike geworden sein, unter deren Federführung und mit dem Makedonen Perdikkas im Rücken der Olynthische oder Chalkidische Bund entstand, der ein Bündnis mit Sparta anstrebte (Hell. V 2, 12ff.).

Philipp, der Bruder des Makedonenkönigs Perdikkas, einer der Tagoi in der thessalischen Tetrarchie und Gegner seines Bruders, war somit zwangsläufig auch ein Gegner des Chalkidischen Bundes, wie schon sein Eingreifen auf seiten der Athener in deren Krieg mit Poteidaia zeigt.

Olynth wird einige Zeit später ein weiteres Mal genannt, als Philipp von dieser Stadt die Auslieferung seiner Halbbrüder Arrhidaios und Menelaos (= Ismenias) fordert (konv. 349 v.Chr.), Olynth nach Weigerung angreift und im Jahr darauf erobert. Bengtson (S. 290) hält es für wahrscheinlich, dass Philipp Olynth danach zerstörte. Das ist indes nicht erforderlich; denn es kommt zu einer zweiten Attacke gegen diese Stadt, die konventionell jedoch schon dreißig Jahre vorher (im Spartanisch-olynthischen Krieg 382-379 v.Chr.) stattgefunden hat. Hierbei wird ebenfalls nicht definitiv von einer Zerstörung dieser Stadt gesprochen; denn sie muss ja in konventionellen dreißig Jahren noch existieren! Sieht man die Vorgänge jedoch umgekehrt, erst Philipp und dann die Spartaner, dann können die Spartaner die Stadt zerstört haben, und zwar unmittelbar nach dem Eingreifen Philipps (702 ndFl), als das von den Olynthiern angestrebte Bündnis mit Sparta längst kein Thema mehr war.

Ich bin der Ansicht, dass es sich bei beiden Aktionen gegen Olynth, sowohl von Philipp als auch von Sparta, in Wirklichkeit um so gut wie gleichzeitige Vorgänge handelt. Die Operationen der Lakedaimonier gegen den Olynthischen Bund lassen sich problemlos in die Ereignisse des Jahres 702 ndFl (siehe das vorangegangene Teilkapitel!) einordnen. die dann zu dem Krieg zwischen Sparta und Boiotien (Theben) führen, der demnächst von den spartanischen Heerführern Agesilaos und Kleombrotos nach Boiotien getragen werden wird (704 ndFl). Einen Affront der Olynthier gegenüber Athen kann ich mir in dieser Zeit nicht vorstellen.

Auch hier gilt das schon mehrmals Gesagte: Eine genaue Rekonstruktion der Geschichte Griechenlands ist wegen fehlender zuverlässiger Überlieferung gar nicht möglich.

In den Querelen nach dem Tode des Kambyses und erst recht nach der Entlarvung des Pseudo-Smerdis, an dessen Inthronisation Perdikkas nicht ganz unbeteiligt gewesen zu sein scheint, wie Herodot durchschimmern lässt, stand Philipp an der Seite des Darius. Dennoch muss er seinen Halbbruder Ismenias-Menelaos, der bei Herodot den Namen Patizeithes trägt und unter dem Namen Spitamenes an der Seite seines Königs Kambyses-Bessos gegen Alexander gekämpft hatte, vor dem Schicksal des Baryaxes-Arrhidaios, der Hinrichtung des Pseudo-Smerdis mithin, bewahrt haben; denn wir treffen ihn mit seinem "goldenen Koffer" noch nach seiner Auslieferung durch Olynth in Hellas an, wenn auch sein Tod nicht mehr lange auf sich warten lässt.

Herodot erwähnt Philipp überhaupt nicht, wenn man von der falschen, von einem Kopisten eingeschummelten Ahnenreihe des Alexandros absieht (VIII, 139): Perdikkas, Argaios, Philippos, Aeropos, Alketes, Amyntas, Alexandros. Solchen Unsinn hätte selbst Herodot nicht geschrieben, von dem wir sonst schon allerhand gewöhnt sind. Das beantwortet jedoch nicht die Frage, wieso wir von Herodot nichts über Philipp erfahren. Schweigt er ihn tot? Aber warum? Philipp I ist zu der Zeit, in der Herodot seine Berichte verfasst, doch schon tot! Fürchtet er dessen Sohn und Enkel?

Thuk. V, 39 fährt fort mit Überlegungen der Lakedaimonier, wie sie am geschicktesten mit Athenern und Boiotern verhandeln sollten, um einen möglichst günstigen Frieden zu erreichen, der ihnen vor allen Dingen Pylos wiederbringen sollte. Die Boioter verlangen von den Lakedaimoniern einen Sonderbund nach Art des mit den Athenern geschlossenen. Obwohl dies ein Affront gegen Athen war, schlossen die Spartaner auf Betreiben ihrer Vertragsgegner diesen Bund dennoch ab (Winter 421/420 v.Chr.). Dieser Bund und das Folgende sprechen ebenfalls dafür, dass der Friede des Nikias erst im Frühjahr 704 ndFl geschlossen wurde:

Im folgenden Frühjahr (konv. 420 v.Chr. analog 704 ndFl), als die versprochenen Gesandten der Boioter nicht in Argos eintrafen, erfuhren die Argeier von dem zwischen Lakedaimon und Boiotien abgeschlossenen Sonderbündnis und fürchteten, isoliert zu werden (Thuk. V, 40), wenn sich alle Bundesgenossen den Spartanern zuwenden würden. Deshalb schickten sie Eustrophon und Aison nach Sparta, um ebenfalls einen Vertrag mit den Lakedaimoniern zu schließen. Vorher sollten sie noch versuchen, die ständig strittigen Besitzverhältnisse am kynurischen Land, dem Grenzgebiet zwischen Argos und Sparta mit den Städten Thyrea und Anthene, im Sinne der Argeier zu klären. Um dieses Gebiet war schon zu der Zeit des Kroisos gekämpft worden, als dieser von Kyros in Sardes belagert wurde (Herodot I, 82; 687 ndFl). Die Lakedaimonier waren nur bereit, einen Vertrag auf der Basis des soeben abgelaufenen zu schließen, allerdings ließen sie eine Zusatzvereinbarung zu, die hier nicht relevant ist.

Während dieser Verhandlungen waren die lakedaimonischen Gesandten Andromenes, Phaidimos und Antimenidas in Athen und berichteten dort von dem Vertrag mit Argos, was die Athener mit Unwillen aufnahmen und die Gesandten mit einer entsprechenden Antwort entließen. Der "Unwille", wie er an dieser Stelle verstanden werden soll, ergibt erst Sinn, wenn der Friedensvertrag und der daran angeschlossene Bündnisvertrag schon geschlossen worden sind - aber beide Verträge scheinen auf der Kippe zu stehen.

(Thuk. V, 43) Bei einer derartigen Missstimmung zwischen den Lakedaimoniern und den Athenern konnten diejenigen Athener, die auch ihrerseits für Lösung des Vertrages (den Bündnisvertrag) eintraten, sich ungesäumt ans Werk machen. Unter anderem gehörte dazu Alkibiades, Sohn des Kleinias, ein Mann, der in anderen Städten noch unter die Jünglinge gerechnet worden wäre - so jung war er noch -; aber man hörte auf ihn wegen der Verdienste seiner Vorfahren.

Es können berechtigte Zweifel aufkommen an der Teilnahme des jungen Alkibiades, der noch vor kurzem in den Dummenjungenstreich Hermenfrevel verwickelt war. Vielmehr wird Alkibiades, der aus Athen verbannt worden war, bald auf dem ionischen Kriegsschauplatz erscheinen, wo er als Verbannter von den Athenern zum Feldherrn gewählt wird (Hell. I 4, 10ff.), was nicht so ganz überzeugen will; deshalb glaube ich, dass das Thema Alkibiades zu einer späteren Phase dieses Krieges gehört.

Immer häufiger werden jetzt die Städte Korinth und Argos erwähnt, die sich nun zusammenschließen, und zwar offenbar zunächst mit Athen gegen ihren Konkurrenten Sparta, mit dem die Verträge nicht so recht vorankommen. Somit würde sich der Peloponnesische Krieg dorthin verlagern, wo er seinem Namen nach auch hingehört: auf die Peloponnes. In den Hellenika werden diese Kämpfe in viel spätere Jahre datiert, in denen der Peloponnesische Krieg dann schon längst Geschichte wäre. Teile dieser Querelen können, wenn der Nikias-Friede erst in diesem Jahr (704 ndFl) geschlossen worden sein sollte, durchaus ebenfalls erst in dieses Jahr gehören. Ich werde ohnehin in die Vorzeit zurückgreifen müssen, wenn ich die Entwicklung bis hierher verfolge.

Korinth hat bisher noch so gut wie nie auf der Seite der Athener gestanden. Die Korinther weigerten sich sogar, den Nikias-Frieden zu unterzeichnen (Thuk. V, 25). Während der Streitigkeiten mit Kerkyra und um Naupaktos war Korinth stets der Gegner Athens, ebenso bei Delion und erst recht im Krieg auf Sizilien.

Ab Thuk. VII, 31 laufen Handlungen in Sizilien parallel zu solchen bei Naupaktos ab, und zwar so, dass Konon gleichzeitig mit Demosthenes und Eurymedon bei Naupaktos gegen die Korinther operiert. In Thuk. VII, 34 wird Polyanthes als Führer der korinthischen Flotte bei Naupaktos genannt. In Hell. IV, 8 heißt der korinthische Nauarch (Admiral) Agathinos, sein Gegner auf athenischer Seite ist nur noch Konon, da Demosthenes im Lamischen Krieg beschäftigt ist.

In Thuk. VII, 36 rüsten die Syrakusier ihre Schiffe genauso mit Rammvorrichtungen aus wie die Korinther die ihren bei Naupaktos. Werden hier zwei unterschiedliche Vorgänge künstlich synchronisiert?

Die Maßnahmen in den Hellenika (IV, 8), die gemeinsam von Pharnabazos = Artaphernes dem Jüngeren und Konon durchgeführt werden, gehören in den Peloponnesischen Krieg und nicht, wie konventionell angegeben, in die Jahre 394-392 v.Chr., also zehn bis zwölf Jahre nach dessen Ende. Allerdings ist die Zeit für die Partnerschaft zwischen diesen beiden Herren noch nicht gekommen.

Der schon erwähnte Korinthisch-argivische Doppelstaat hat nach konventioneller Auffassung sechs Jahre bestanden (392 bis 386 v.Chr.), was genau der Dauer des Nikias-Friedens entsprechen würde, wenn er tatsächlich so lange gedauert hätte. Wie aber ist es zur Entstehung dieses politischen Gebildes gekommen?

Aus der Weigerung, sich dem Wunsch der Lakedaimonier zu fügen und den Nikias-Friedensvertrag zu unterzeichnen, geht hervor, dass die Stimmung in Korinth umgeschlagen war: (Thuk. V, 25) Jedoch die Korinther und einige Städte in der Peloponnes brachten wieder Störung in die geschaffene Lage, und sogleich stellten sich auch andere Unruhen der Verbündeten gegen Lakedämon ein.

Weiteres Anzeichen für eine Lockerung der Bindung Korinths an Sparta dürfte die Weigerung der Korinther gewesen sein, sich an dem Zug der Lakedaimonier und ihrer sonstigen Verbündeten gegen das argeiische Land zu beteiligen. (Thuk. VI, 7). Dies wird im "Polemos" unter "Winter 416/15" in einem Atemzug mit der Entsendung athenischer Gesandter nach Sizilien in Sachen (S)Egesta vermeldet. Dieser Vorgang gehört in den Winter 700/701 ndFl, ebenso der Versuch der Lakedaimonier, Perdikkas in ihre Absichten mit Chalkis in Thrakien einzubeziehen, das ein Zehntageabkommen mit Athen hatte. Perdikkas lehnte damals eine Teilnahme an dem Feldzug ab (ebenda). Er hatte in diesem Jahr, in dem sein Sohn Alexander von seinem Indienzug zurückgekehrt war und den Pseudo-Smerdis entlarvt hatte, andere Probleme.

Es ist aber auch denkbar, dass dieser Feldzug gegen Thrakien (es wird Methone in Thrakien erwähnt, das auch schon im Jahre 692 ndFl eine Rolle gespielt hatte) in eine frühere Phase der Geschichte Hellas und die Makedonen gehört. Eigentlich ist es Philipp, der zu dieser Zeit (700/1 ndFl) in Europa tätig ist, während sich Perdikkas schon ganz auf den asiatischen Raum konzentriert hat.

Mit Argos, das als einzige Stadt auf der Peloponnes nicht mit Sparta gegen Athen verbündet war, da es mit beiden Parteien befreundet (Thuk. II, 9) war, hatten die Athener vor Beginn des Krieges bereits ein Bündnis geschlossen, nachdem sie sich vor Ithome von den Spartanern brüskiert gefühlt hatten (Thuk. I, 102). Die Feindschaft zwischen Sparta und Argos nahm im Verlaufe des Krieges weiter zu.

So kam es im Winter 700/701 ndFl zu diesem oben schon erwähnten Zug der Lakedaimonier und ihrer Verbündeten ohne die Korinther gegen Argos, bei dem ein großer Teil des Landes verwüstet und eine große Menge Getreides geraubt wurde. Es scheint ein Versorgungskrieg auf dem Gipfel des Archidamischen Krieges gewesen zu sein; denn besonders aus Mangel an Nahrung, der sich bei allen Kriegsparteien eingestellt hatte, scheint der Waffenstillstand des Laches (konv. 423 v.Chr. analog 701 ndFl) unbedingt erforderlich gewesen zu sein.

Im Jahre 700 ndFl hatten die Argeier allem Anschein nach eine demokratische Revolution nach athenischem Vorbild durchgeführt und Leute, offenbare Gegner der Demokratie, aus der Stadt verbannt. Diese siedelten die demokratiefeindlichen Spartaner in Orneä an, in einer Stadt in der Argolis, ließen ihnen sogar Soldaten und verpflichteten sie und die Argeier zu einem Nichtangriffspakt. Die Athener nahmen sich in dieser Zeit ihrer ersten Demokratie (700-702 ndFl) der Partei der in Argos herrschenden Demokraten an und gingen gemeinsam mit ihnen gegen Orneä vor und belagerten die Stadt. Den Orneaten gelang jedoch bei Nacht die Flucht aus der Stadt, und die Athener zogen sich nach deren Zerstörung nach Hause zurück (Thuk. VI, 7).

Ähnliche demokratische Tendenzen wie in Argos werden auch in Korinth sichtbar, und so ist die Vereinigung der beiden Städte gegenüber einem undemokratischen Sparta nicht überraschend. Auch im Sommer (konv.) 415 v.Chr. (analog 701 ndFl), also ein halbes Jahr nach der Maßnahme gegen Orneä, herrschte in Athen immer noch die Demokratie.

Wie ich an früherer Stelle schon zitiert habe, fürchtete man, dass sich der Hermenfrevel auch gegen die Demokratie gerichtet habe. Alkibiades, der mit dieser Verstümmelung von Hermesbildern in Verbindung gebracht wurde, bestritt seine Teilnahme daran aufs Entschiedenste. Da man in ihm nicht gerade den Vorzeige-Demokraten sehen kann, so ist es nicht verwunderlich, wenn man ihn und antidemokratische Tendenzen mit dem Frevel in Verbindung brachte. Er bringt es dennoch fertig, Truppen aus (dem demokratischen) Argos und Mantineia für Athen zu organisieren, die auch am Krieg in Sizilien teilnehmen (Thuk. VI, 29; 43; 67ff.). Schon bald hatte man in Argos den Verdacht, dass die Gastfreunde des Alkibiades einen Angriff auf die Demokratie planten.

(Thuk. VI, 61): Athen lieferte damals die argeiischen Geiseln, die auf den Inseln untergebracht waren, wegen dieses vermuteten Anschlages dem Volke in Argos zur Hinrichtung aus.

Im Frühjahr (konv.) 414 v.Chr. (analog 702 ndFl) unternahmen die Lakedaimonier einen Kriegszug gegen Argos, mussten diesen aber wegen eines Erdbebens vorzeitig bei Kleonai abbrechen. Die Argeier fielen ihrerseits in das Grenzgebiet Thyreatis ein und machten Beute an lakedaimonischem Gut.

(Thuk. VI, 95): Auch überfielen die Demokraten in Thespiä (Stadt im Süden Böotiens) in demselben Sommer, nicht viel später, die herrschende Partei, konnten sich aber nicht behaupten, sondern wurden mit Hilfe der herbeieilenden Thebaner teils gefangen, teils konnten sie nach Athen flüchten.

Hieraus ist zum einen die allgemeine Tendenz hin zur Demokratie zu erkennen, zum anderen aber auch die Tatsache, dass Athen - zumindest im Frühsommer des Jahres 702 ndFl - noch demokratisch war. Im Laufe des Jahres 702 ndFl siegte bekanntlich die Timokratie in Athen, was möglicherweise den Mordanschlag auf Hippias auslöste, der jedoch seinen Bruder traf.

Es soll Nikias im Sommer (besser: im Frühjahr) des Jahres (konv.) 420 v.Chr. analog 704 ndFl an Verhandlungen mit den Lakedaimoniern teilgenommen haben! In Wirklichkeit handelt es sich dabei um seine Friedensverhandlungen, an denen auch Alkibiades beteiligt gewesen sein soll, dem der Abschluss eines hundertjährigen Vertrages der Athener mit Argos, Mantineia und Elis zugeschrieben wird, in dessen Konsequenz diese Städte Truppen und Schiffe für die Athener in Sizilien stellten (Thuk. V, 47). Das aber ist im Jahre 704 ndFl nicht mehr nötig und würde auch nicht gut zu einem jugendlichen Alkibiades passen.

Noch während des Sizilienkrieges halfen die Athener den Argeiern gegen Sparta und brachen damit - angeblich - den Vertrag (Nikias-Frieden), der konventionell schon sieben Jahre bestehen müsste. Wenn der Nikias-Friede jedoch erst nach dem Sizilien-Debakel der Athener geschlossen wurde, was logischer ist als alle konventionellen Ausflüchte, dann ist diese Angabe überflüssig. Es wird aber der Anlass benötigt, damit Sparta (im Sommer des konventionellen Jahres 414 v.Chr.) parallel zum noch laufenden Sizilienkrieg die Kampfhandlungen gegen Athen in Attika wieder aufnehmen kann: Dekeleisch-Ionischer Krieg als Teil 2 des Peloponnesischen Krieges. Das ist insofern inakzeptabel, als es zunächst erst einmal zum Ionischen Krieg (Aufstand), dann erst (711 ndFl) zum Dekeleischen kommt.

Folgt man Thuk. VII 18, so hat es gleichzeitige Kampfhandlungen auf Sizilien und in Attika gegeben, wo Agis bei Dekeleia mit dem lakedaimonischen Heer eingefallen sein soll (Frühjahr konv. 413 v.Chr. analog 711 ndFl), während das Ende der athenischen Sizilien-Expedition im Herbst desselben Jahres erst gekommen sein soll. Aber auch zwischen diesen beiden Ereignissen liegen die bewussten acht Jahre (413 = 703 ndFl und 413 = 711 ndFl), so dass von einer Gleichzeitigkeit Sizilien und Dekeleia keine Rede sein kann.

Wenn die Athener im Sommer (konv.) 414 v.Chr. unter der Führung von Pythodoros, Laispodias und Demaratos im limerischen Epidauros, in Prasiai sowie an anderen Stellen in Lakonien landeten, wo sie die Felder verwüsteten, dann hat das nur Sinn im Jahre 702 ndFl, und es wurde noch nicht einmal der Waffenstillstandsvertrag des Laches gebrochen, der bereits im Frühjahr ausgelaufen war. Nach dem Abzug der Athener fielen die Argeier in Phliasia ein, verheerten das Land und töteten Menschen (Thuk. VI, 105).

Zu beachten ist hier einmal die Erwähnung des Pythodoros als eines Feldherrn, der schon im ersten Kriegsjahr Archon eponymos war. Archonten waren keine jungen Leute; daher kann der Feldherr Pythodoros, wenn er denn mit dem Archonten identisch sein sollte, auch nicht viel später als zehn Jahre nach dem Beginn des Krieges aktiv sein. Den Sommer (konv.) 414 v.Chr., in welchen Thuk. VI, 105 gehören soll, mithin 22 Jahre nach Kriegsbeginn, dürfte er in diesem Fall kaum noch erlebt haben. Erst recht gehört er nicht in das Jahr (konv.) 404 v.Chr., wie es in Hellenika II 3, 1 heißt, was wir an anderer Stelle schon geklärt haben.

Wegen der Erwähnung des Pythodoros ergäben diese Züge auch im Jahre (konv. 414 + 8 + 8 =) 430 v.Chr. analog 694 ndFl einen Sinn, und die kommentarlose Erwähnung des Demaratos, der schon bei Poteidaia an der Seite des Philipp für Athen stritt (Thuk. I, 61), ergäbe im Jahre 694 ndFl sogar noch mehr Sinn. Er musste im "Polemos" durch Pausanias ersetzt werden, da er im konventionellen Schema an dieser Zeitstelle keinen Platz hat. Ob er aber tatsächlich als athenischer Heerführer über sein Heimatland, in dem er König gewesen war, hergefallen ist, bleibt zweifelhaft.

Ohnehin wird der Beginn des Dekeleisch-Ionischen Krieges schon im Jahre (konv.) 414 v.Chr. gesehen, was offenbar mit dem Eingreifen der Athener auf seiten der Argeier gegen Sparta gemeint sein dürfte, was jedoch nicht in diese Zeit gehört. Ich bin, wie ich schon sagte, der Meinung, dass der Name dieses (Teil-)Krieges irreführend ist; denn es kann der ionische Teil dieses Krieges durchaus schon an die Ereignisse anschließen oder sogar damit parallel verlaufen, die zum Ioner-Aufstand gehören, der soeben begonnen hat, und zwar mit dem Abfall des Milesiers Aristagoras von Persien. Der Dekeleische Krieg, der mit dem Einfall des Agis bei Dekeleia in Attika beginnt, gehört dann erst in die spätere Phase (711 ndFl bis Ende des Krieges). So würden sich auch die Aktivitäten des Admirals Lysandros in die frühere Phase einordnen lassen, die sich hauptsächlich auf See abspielt. Auch die Zerstörung von Milet ergibt am Ende eines früher gelegenen Ionischen Krieges mehr Sinn.

Es ist nicht ganz auszuschließen, dass im "Polemos" eine Streckung der Ereignisabfolge bis zum Sommer (konv.) 411 v.Chr. vorgenommen worden ist, an die die Hellenika nicht mit "Danach", sondern mit einem früheren Kapitel schon anschließt, das dann weiter nach hinten verschoben worden ist. Zu denken ist da an die Kapitel mit Korinth, Argos und Theben. Das letzte Kapitel im "Polemos" würde dann nicht so sehr dem wirklichen Jahr 713 ndFl entsprechen, sondern dem Jahr 705 ndFl. Bis zum (derzeitigen) Beginn der Hellenika würden die Kapitel einzuordnen sein, in welchen die Probleme der Lakedaimonier mit den besagten drei Städten zur Sprache kommen. Von Argos ist im "Polemos" nach dem Ende der athenischen Sizilien-Expedition keine Rede mehr (letzte Erwähnung: Thuk. VII, 57). Auf jeden Fall liegen auch in den letzten Kapiteln des "Polemos" Scheinsynchronismen vor!

In den Hellenika beginnt die Berichterstattung über Argos bzw. die Argeier schon in I 3, 13 zu einem Zeitpunkt, der dem Jahr (konv.) 407/406 v.Chr. analog 717/718 ndFl entspricht, als in Sparta Pantakles Ephoros eponymos und in Athen Antigenes eponymer Archon war. Fälschlich wird hier dieses Jahr als das 23. Kriegsjahr bezeichnet; tatsächlich handelt es sich jedoch um das 26., wie sowohl aus der im vorigen Teilkapitel enthaltenen Ephorenliste hervorgeht, als auch aus der Angabe zu Hell. I 2, 1, dass das Vorjahr das Jahr der 93. Olympiade sei, in dem auch die Meder, das heißt in diesem Falle die Babylonier, vorübergehend von Darius abgefallen seien, also um das Jahr (624 + 92 =) 716 ndFl bzw. (konv.) 408 v.Chr.; gedacht wird irrtümlich an Darius II! Somit gehört die Erwähnung der Argeier in Hell. I 3, 13 auf dem Weg zum Großkönig in ein späteres Jahr, in dem Hermokrates auch bereits aus Syrakus verbannt ist. Auf Sizilien komme ich weiter unten wieder zurück.

Anders sieht es bei der nächsten Erwähnung der Argeier in Hell. III 5, 1 aus. Hierüber habe ich im vorangegangenen Teilkapitel schon abgehandelt und festgestellt, dass der Hauptteil von III 5, 1 (der Rhodier Timokrates besticht Kylon von Argos, Timolaos und Polyanthes von Korinth und die Thebaner Androkleidas, Ismenias und Galaxidoros mit persischem Gold, das der Darius-Sohn Ariobarzanes bereitgestellt hat) ins Jahr 703 ndFl gehört, in welchem auch die Spannungen zwischen Lakedaimon und Theben, aber auch mit Argos und Korinth, beginnen. Konventionell wird der Inhalt dieses Kapitels auf das Jahr 395 v.Chr. bezogen. Er gehört in Wirklichkeit in verschiedene Jahre.

Auch die im "Polemos" für das Jahr (konv.) 420 v.Chr. analog 704 ndFl gemachte Angabe, Sparta habe mit Boiotien einen Vertrag geschlossen, gehört nicht in dieses Jahr. Die umständlichen politischen Begründungen, die zu diesem Vertrag hinführen und gemacht werden müssen, da dieser Vertrag nicht zu diesem Zeitpunkt passen will, sprechen entschieden dagegen. Ein solcher Vertrag ergibt nur Sinn am Beginn des Peloponnesischen Krieges. Das geht auch aus den Hellenika (III 5, 7) hervor:

Hier wird nämlich deutlich gesagt, dass die Lakedaimonier unter Lysandros und Pausanias gegen Boiotien, hauptsächlich gegen Theben, vorgehen wollen. In einer fiktiven Rede beschwört ein Thebaner die Athener, ihnen gegen die Lakedaimonier zu helfen, was diese dann auch beschließen. Der Wortführer bei den Athenern ist Thrasybulos, der sowohl Demokrat als auch ein Anhänger des Alkibiades gewesen sein soll. Mit dem Hinweis in besagter Rede auf die (zurückliegende) Beendigung des Krieges, als Thebaner und Korinther angeblich in Sparta die Vernichtung Athens gefordert hätten (Hell. II 2, 19), muss nicht der gesamte Krieg gemeint sein; es ist zu der Zeit des Nikias-Friedens der erste Teil gemeint, der Archidamische Krieg.

Durch diesen Beschluss, den Thebanern gegen die Lakedaimonier beizustehen, verstießen die Athener eindeutig gegen diesen Friedens- und den Bündnisvertrag mit Sparta, der irrtümlich auch mit dem Frieden von Delphi gleichgesetzt worden ist und ins Jahr (konv.) 369 v.Chr. datiert wurde, also in dasselbe Jahr, in dem auch Alexander II von Makedonien auf den Thron kam: 704 ndFl. Der Friede zu Delphi gehört jedoch in eine frühere Zeit (amphiktyonischer oder Heiliger Krieg 689-691 ndFl).

Der Leser wird sich hier fragen, wie in ähnlichen Fällen zuvor vermutlich auch schon, wieso ich sagen kann, der Friede von Delphi gehöre ins Jahr 704 ndFl und gleichzeitig ins Jahr 691 ndFl. Natürlich gehört der Delphi-Friede in das frühere Jahr; aber der Nikias-Friede des Jahres 704 ndFl ist in diesem speziellen Falle konventionell als der Friede von Delphi angesehen und folglich chronologisch falsch eingeordnet worden. Aus diesem und ähnlichen Gründen gibt es immer wieder Verquickungen in verschiedenen Chronologiesträngen, die sowohl hinter- als auch durcheinander sortiert worden sind und so das Chaos in der konventionellen Altertumsgeschichte hervorgebracht haben.

In Hell. III 5, 11 stellt der thebanische Bote sogar die rhetorische Frage: Haben etwa die Argeier jemals ihre feindliche Gesinnung ihnen (den Lakedaimoniern) gegenüber aufgegeben? Nein, wahrlich nicht, wie wir bereits festgestellt haben. Jetzt befinden sie sich mit Korinth, Theben und Athen in bester Gesellschaft im Bund gegen Sparta. Wie oben schon angedeutet, waren dort die Herren Lysandros und Pausanias die Heerführer. Das macht uns zunächst stutzig; denn es ist doch die Zeit der Könige Agis und Kleomenes. Wie wir jedoch schon erkannt haben, sind nicht nur die Könige als Feldherren aktiv; Lysandros ist überwiegend als Nauarch in den Hellenika anzutreffen, Pausanias ist ein Schwager des Kleomenes und wird in fünfundzwanzig Jahren als Vormund des Pleistarchos oder Pleistoanax, des Sohnes von Leonidas, den entscheidenden Sieg über die Perser bei Platäa erringen. Danach soll er in die Verbannung gegangen sein, wo er dann starb.

In die Verbannung ging auch der zweite Pausanias, den die Schulwissenschaft benötigt, der Vater des Agesipolis (* 692 ndFl), was in Hell. IV 2, 9 zum Ausdruck kommt. Hier übernimmt dann der Agiade Aristodemos die Vormundschaft für den unmündigen Knaben.

Wie leicht zu erkennen ist, handelt es sich bei beiden Verbannten um denselben Pausanias (* 670 ndFl). Das Alter des Knaben Agesipolis weist diesen Vorgang eindeutig in die in Rede stehende Zeit ein, in der der Korinther Timolaos, der zu den mit persischem Gold bestochenen Politikern gehört, eine Rede an die gegen Sparta aufmarschierten Verbündeten hält. Möglicherweise ist aber Pausanias nach seinem Sieg über die Perser (729 ndFl) freiwillig wieder ins Ausland gegangen.

Nicht zu vergessen ist die Beteiligung des Pausanias an den Thronfolge-Streitigkeiten in Makedonien nach dem Tode (angeblich) des Perdikkas. Hierüber habe ich im Teilkapitel Allgemeines und Makedonien bereits meine Meinung dargelegt. Ich halte die Thronfolge nach Perdikkas (stirbt 703 ndFl) nicht für geeignet, dass sich Pausanias hierin einmischt; es dürfte sich um eine spätere Thronfolge handeln (zwischen 712 und 717 ndFl). In diese Zeit dürften auch die von Herodot (IV - VIII) erwähnten Vorfälle gehören, statt in "eine spätere Zeit".

So wie wir schon bei der Erwähnung des Pythodoros und der Sonnenfinsternis beschlossen hatten, gewisse Ereignisse, die für das Jahr (konv.) 404 v.Chr. festgehalten waren, in ein früheres Jahr zu übernehmen, so dürfen wir auch jetzt wieder fragen, ob denn eine Vermischung von Ereignissen, die mit dem Nikias-Frieden zu tun haben, mit solchen, die zum endgültigen Kriegsende gehören, stattgefunden hat, die uns berechtigt, einen Teil dieser Ereignisse vorzuverlegen in die Zeit um 703/704 ndFl, wie wir es schon mit den beiden Verfassungsänderungen weiter oben gemacht haben. Das für das Jahr (konv.) 404 v.Chr. erwähnte Abliefern der nach Beendigung der Krieges noch verbliebenen Vermögenswerte durch Lysandros an die Ephoren gehört ebenfalls an den Nikias-Frieden angehängt.

Wie schon erwähnt, waren auch die Elier, die Bewohner von Elis (auch als Eleia bezeichnet) auf der Peloponnes, mit Argos und Mantineia zu den Athenern übergegangen (Thuk. V, 47). Elis ist im "Polemos" keine wichtige Adresse. Seine Bedeutung nimmt in den Hellenika schlagartig zu. Hell. III 2, 21, ein Kapitel, das der Zeit nach der Anabasis des Xenophon zugewiesen wird (724-726 ndFl), nimmt Bezug auf das Bündnis der Eleier mit Athen aus dem Jahre (konv.) 420 v.Chr. analog 703/704 ndFl. Das ist eine nicht vertretbar große Zeitspanne. Ich möchte daher den Inhalt des Kapitels III 2 der Hellenika ab Position 21 aus dem Zusammenhang mit den vorigen Positionen herausnehmen, die sehr wohl in eine spätere Zeit gehören können, in die des Spartaners Derkylidas nämlich: (konv.) 411 v.Chr. analog 713 ndFl (Thuk. VIII, 58ff.), mithin noch lange vor die Anabasis!

Zu den Ereignissen im Zusammenhang mit Korinth und Argos, die konventionell im vierten vorchristlichen Jahrhundert angesiedelt werden und zweifellos in die in Rede stehende Zeit gehören, kann ich ebensowenig abschließende Feststellungen treffen wie zu den Problemen, die sich zwischen den Machtzentren Sparta und Theben in diesen Jahren entwickelt haben ("Hegemonie Thebens"). Zu Theben bzw. Boiotien und (der Megalopolis?) Mantineia möchte ich nur soviel sagen:

Die Züge des Epaminondas auf die Peloponnes (konv. 370-362 v.Chr.) fanden in den Jahren 704-706 ndFl statt, und die Schlacht bei Mantineia gilt einmal als die Niederlage der Argiver und des peloponnesischen Sonderbundes gegen König Agis von Sparta (418 v.Chr.) und zum anderen als Auseinandersetzung mit dem Arkadischen Bund (gegründet konv. 370 v.Chr.) und Epaminondas (362 v.Chr.). Auf lakedaimonischer Seite erscheint Agesilaos als Gegner der Mantineier (Hell. VI 5, 3-5). Ich meine, dass hier der Feldherr und noch nicht der König gemeint ist. Die Umfeldgeschichte beider Schlachten ist sehr ähnlich. Auch die Flottenfahrt des Epaminondas (konv. 364 v.Chr.) kurz vor Mantineia erinnert stark an die Flottenexpedition des Antigonos Doson (Amyntas) nach Karien (konv. 227 v.Chr.) kurz vor der Zerstörung Mantineias im Jahre (konv.) 223 v.Chr. durch eben diesen. In derselben Zeit findet auch der Staatsstreich des Kleomenes (III) in Sparta statt (konv. 227 v.Chr.), was unschwer in der in Rede stehenden Zeit untergebracht werden kann. Antigonos Doson besiegte diesen Kleomenes in der Schlacht bei Sellasia (konv. 222 v.Chr.).

Wir werden dabei an die Ereignisse erinnert, die ich im Teilkapitel über Makedonien geschildert habe, die sich nach dem Tode des Antipatros-Artaphernes zugetragen haben, der zuvor noch Agis von Sparta bei Megalopolis (= Mantineia?) besiegt hatte (konv. 331 v.Chr.).

Wir befassen uns noch einmal mit Sizilien, hauptsächlich, um einen Hinweis auf den ersten Punischen Krieg zu bekommen, dessen Entstehung in diesen Jahren anläuft. In diesem Zusammenhang wird natürlich auch die römische Geschichte tangiert, deren fortsetzende Besprechung nach dem 5. Kapitel (Band 4, VI. Buch) Die Etrusker und die Könige von Rom noch aussteht. In der jetzt in Rede stehenden Zeit endet in Rom die Königszeit mit der Errichtung des Consulats (konv. 509 v.Chr.: analog 708 ndFl) und der Schaffung der Zwölftafelgesetze durch die "Zehnmänner" (Decemviri, konv. um 450 v.Chr. analog ebenfalls in dieser Zeit). Weitere Einzelheiten dazu sind der vorausschauenden Zeittafel am Ende dieses Bandes zu entnehmen. 

Die gewohnte Zeitüberdehnung gehört selbstverständlich auch in die römische Geschichte. Die Punischen Kriege Roms bahnen sich an, die konventionell erst rund ein Vierteljahrtausend später als das Ende der Königszeit angesetzt werden: 264-241 v.Chr.!

In den Hellenika finden sich jedoch schon Hinweise auf die Ereignisse im Punischen Krieg gleichzeitig mit solchen, die zweifelsfrei in den Peloponnesischen Krieg gehören:

(Hellenika I, 1, 37) [Und es ging das Jahr zu Ende, in dem die Karthager unter Führung des Annibas mit einem Heer von 100.000 Mann einen Kriegszug gegen Sizilien unternahmen, auf dem sie in drei Monaten zwei Griechenstädte eroberten, Selinus und Himera.]

Annibas = Hannibal wird hier im Zusammenhang mit Ereignissen erwähnt, die konventionell dem Jahr 410/409 v.Chr. zugeordnet sind. Allerdings hat der Übersetzer oder auch schon ein früherer Redakteur diesen Satz in eckige Klammern gesetzt, so als wolle er damit zum Ausdruck bringen: "Zu begreifen ist das alles nicht!"

An zwei anderen Stellen in den Hellenika wird die Stadt Akragas erwähnt, das spätere römische Agrigentum an der Südwestküste Siziliens:

(I 5, 21) [Damit ging das Jahr zu Ende, in welchem die Karthager auf einem Kriegszug gegen Sizilien, den sie mit 120 Trieren und einem Heer von 120.000 Mann durchführten, Akragas durch Aushungerung einnahmen, nachdem sie eine offene Schlacht verloren, dann aber die Stadt sieben Monate lang belagert hatten.]

Auch hier gibt es wieder die eckigen Klammern. Dieser Vorgang soll in das Jahr (konv.) 408 v.Chr. analog 716 ndFl gehören. Das ist jedoch keineswegs sicher; denn es heißt bei der zweiten Erwähnung, die ebenfalls in eckigen Klammern steht:

(Hell. II 2, 24) [Und das Jahr ging zu Ende, in dessen Mitte der Syrakusier Dionysios, der Sohn des Hermokrates, Tyrann wurde. Zuvor waren die Karthager den Syrakusiern in einer Schlacht unterlegen, hatten dann aber die Stadt Akragas durch Aushungerung eingenommen, nachdem sie von den Sikelioten aufgegeben worden war.]

Dies wird konventionell ins Jahr 406/405 v.Chr. datiert. Es handelt sich doch offensichtlich um dasselbe Vorgehen der Karthager, das unter Hell. I 5, 21 geschildert wurde. Wir tun gut daran, uns eine eigene Meinung zu bilden auf der Basis der berichtigten Chronologie.

Auch bei Herodot (VII 165) erscheinen bekannte Namen von Karchedoniern (Karthagern), die wir aus den Punischen Kriegen kennen, als Zeitgenossen von Gelon und Xerxes: Amilkas, Sohn des Annon, also Hamilkar, Sohn des Hanno. Der Sieg des Gelon und des Theron in Sizilien (am Himeras) über die Karthager/Punier unter Amilkas soll am selben Tag stattgefunden haben wie die Seeschlacht bei Salamis (konv. 480 v.Chr. analog 729 ndFl), wie Herodot (VII 167) meint.

Außerdem hatte ich schon mehrfach darauf hingewiesen, dass Attilius Regulus, ein Politiker in den Punischen Kriegen, der (konv.) 257/6 v.Chr. in Afrika landet, mit Agathokles Basileus, dem Sohn des Lysimachos, der im Jahre (konv.) 310 v.Chr. in Afrika landet, identisch ist. Vater und Sohn gehören zu den so genannten Diadochen, also Nachfolgern des großen Alexander. Diese Herren gehören alle in die in Rede stehende Zeit. In konventioneller Sicht ist Agathokles Basileus zweimal gestorben: 289 und 283 v.Chr. (Hermann Bengtson, Griechische Geschichte, Seiten 361, 366), worauf ich an anderer Stelle schon hingewiesen habe.

Die sizilische Stadt Gela wird in den Hellenika nur ein einziges Mal erwähnt, und zwar für das letzte Jahr des Krieges (Sonnenfinsternis, Lykophron von Pherai):

(Hell. II 3, 5) [Zur selben Zeit verlor der syrakusische Tyrann Dionysios, nachdem er den Karthagern in einer Schlacht unterlegen war, die Städte Gela und Kamerina...]

Wieder steht ein Satz in eckigen Klammern, und wir sind überzeugt, dass er nicht in das Jahr mit der Sonnenfinsternis gehört; denn das wäre 692 ndFl, in welches weder Dionysios noch die Karthager gehören. Aber es ist nicht ausgeschlossen, dass dieser Satz in das letzte Jahr des Krieges gehört, also dennoch an der richtigen Stelle steht (konv. 404 v.Chr. analog 720 ndFl).

Im "Polemos" wurde Gela für das Jahr (konv.) 424 v.Chr. schon erwähnt (Thuk. IV, 58); auch an dieser Stelle wird es im Zusammenhang mit Kamarina und mit einem Friedenskongress genannt, der jedoch noch unter dem Syrakusier Hermokrates und unter Beteiligung der Athener stattfand. Den Kongress von Gela hatte ich ins Jahr 700 ndFl datiert und darauf hingewiesen, dass er auch genausogut erst später stattgefunden haben kann; denn die gedrückte Stimmung auf diesem Kongress, die in der Rede des Hermokrates zum Ausdruck kommt, passte noch nicht ins Jahr 700 ndFl. Erst nach den Ereignissen des Jahres 703 ndFl war Syrakus "so stark mitgenommen" wie Hermokrates sagt.

Im Winter (konv.) 415/414 v.Chr. (analog 701/2 ndFl) standen Gela und Kamarina mit Hermokrates von Syrakus gegen Athen (Thuk. VI, 67). Ob Hermokrates, der Vater des späteren Tyrannen Dionysios von Syrakus, der Herrscher/Tyrann in Syrakus zu dieser Zeit war, oder ob er lediglich ein Mann aus den höchsten Kreisen und Feldherr war, kann ich nicht entscheiden. Die Möglichkeit, dass Hermokrates (von Gela?), der Sohn des Hermon, abgekürzt Gelon genannt wurde und mit diesem identisch ist, will ich zumindest nicht unerwähnt lassen.

Die Geloer schlossen sich dann dem Spartaner Gylippos im selben Jahre an, als dieser den Syrakusiern zu Hilfe kam (Thuk. VII, 1). Gela und Kamarina bildeten auch im Vorjahr keine Ausnahme, als alle sizilischen Städte auf der Seite der Syrakusier sich gegen Athen gestellt hatten (Thuk. VII, 33-80). Danach wird Sizilien im "Polemos" nicht mehr erwähnt.

In den Hellenika wird Sizilien außer im Zusammenhang mit dem Punischen Krieg auch mit dem Regierungsantritt des Dionysios, Sohnes des Hermokrates, im Jahre (konv.) 405 v.Chr. (Hell. II 2, 24) erwähnt. Ob nun der Kongress von Gela erst jetzt stattfand, nachdem "Syrakus so stark mitgenommen" worden war, lässt sich mit letzter Sicherheit nicht sagen. Fest steht aber auch, dass ein Gelon in der Zeit der Perserkriege wieder auf dem Thron des Tyrannen von Syrakus sitzt, der kaum mit Hermokrates identisch sein kann. Bezeichnend ist, dass Gelon seinen Bruder Hieron nach seinem Umzug nach Syrakus in Gela als seinen Nachfolger einsetzt, der später selbst Tyrann von Syrakus wird (konv. bis 215 v.Chr.), und zwar nach einem Sieg über die Mamertiner des Agathokles-Attilius.

Es braucht wohl nicht mehr betont zu werden, dass auch der zweite Träger des Namens Dionysios, der angeblich ein Sohn des ersten gewesen sein soll, mit dem ersten identisch ist. Die Regierungszeit Dionysios' II wird konventionell von 367 bis 357 v.Chr. angesetzt, was der in Rede stehenden Zeit ebenso entspricht wie die Regierungszeit des Dionysios I von (konv.) 406 bis 367 v.Chr. Da der Wechsel "vom einen zum anderen" innerhalb der Hellenika (VII 4, 12) stattfindet, so kann getrost davon ausgegangen werden, dass der Teil mit Dioysios II noch vor den Tod des ersten Dionysios gehört und nur den einzigen betrifft. Hermann Bengtson (Griechische Geschichte, Seite 267) sieht sogar einen zweiten Regierungsantritt des Dionysios II im Jahre (konv.) 347 v.Chr., was als Zeichen dafür angesehen werden kann, dass die Zeit des einzigen Dionysios chronologisch völlig zerrissen und durch die Hellenika versprengt ist.

Der "Sohn" soll den Lakedaimoniern eine Hilfsstreitmacht geschickt haben unter Führung des Timokrates, die ihnen bei der Einnahme von Sellasia (Stadt an der Grenze von Lakonien; siehe dazu oben, 222 v.Chr.: Antigonos = Amyntas besiegt dort Kleomenes!) behilflich war.

Rechnerisch müsste es sich um das konventionelle Jahr 368 v.Chr. gehandelt haben, da es in Hellenika VII 4, 28ff. als ein olympisches Spielejahr beschrieben wird. Es kämen die Jahre 704 und 708 ndFl in Frage, in denen Dionysios aber nach gängiger Auffassung noch nicht Tyrann von Syrakus gewesen sein kann: 406 v.Chr. entspräche 718 ndFl; aber auch hier ist eine Vorverlegung auf ein früheres Jahr durchaus vertretbar; denn das Kapitel in den Hellenika, in welchem der Regierungsantritt des Dionysios erwähnt wird (Hell. II 2, 24), kann wesentlich früher liegen als bisher angenommen, da in dem Jahr, das zuvor in Hellenika I, 6 geschildert wird, der Ephor Pityas in Sparta amtierte, was dem Jahr 701/2 ndFl entspräche (statt konv. 407 v.Chr. analog 717 ndFl). Nur zwei Kapitel und wenige Zeit später (konv. 406/5 v.Chr.) käme das Antrittsjahr des Dionysios; doch statt analog 718 ndFl könnte man die bekannten acht Jahre abziehen und die Tyrannis des Dionysios (des einzigen) schon im Jahre 710 ndFl beginnen lassen, und das wäre kurze Zeit nach dem Fall Milets.

Herodot erwähnt Dionysios ebenfalls schon, was natürlich konventionell nicht den Tyrannen von Syrakus betreffen kann, mit dem wir uns hier beschäftigen; denn Herodot hätte diesen in konventioneller Sicht nicht erleben können. Trotzdem können wir davon ausgehen, dass es sich um denselben handelt, obwohl ihn Herodot (scheinbar) in einem anderen Zusammenhang erwähnt:

Während des Ioner-Aufstandes (konv. 500/499-494 v.Chr.) machte sich der Phokaier Dionysios zum Führer der Ioner, deren Städte auf dem asiatischen Festland - offenbar durch den Vertrag mit den Griechen beim "Wettkriechen" von Susa-Hattusas - zu Persien geschlagen worden waren. (Herodot VI 11f.) Es war die Zeit kurz nach dem Skythenzug, auf dem der Herrscher Histiaios von Milet von Darius zum Bewacher der Brücke über den Istros (Donau) eingesetzt worden war, die Zeit kurz nach dem Tode des von demselben Herrscher als Feldherrn/Strategen von Europa eingesetzten Megabazos-Antipatros, auf den in gleicher Eigenschaft schon Otanes-Nebukadnezar gefolgt war (Herodot V, 26).

Histiaios von Milet war der Sohn desjenigen Lysagoras, des Sohnes des Teisias aus Paros, der Miltiades den Jüngeren bei dem Perser Hydarnes verklagt hatte (Herodot VI, 133). Histiaios war der Schwager und Vetter des Aristagoras, des Sohnes des Molpagoras, und dieser Aristagoras war in der Zeit, als sich Histiaios bei Darius in Susa-Hattusas aufhielt, der maßgebliche Mann in Milet (Herodot V, 30). Von seinem Oberherrn, Vetter und Schwager angestachelt dachte Aristagoras darüber nach, wie er und Milet von Persien wieder abfallen könnten. Auf seiner Suche nach starken Bundesgenossen verfiel er auf die Idee, ausgerechnet bei Kleomenes in Sparta anzufragen. Dort ließ man ihn jedoch abblitzen (Herodot V, 49ff.). Wir entnehmen daraus, dass wir uns in der in Rede stehenden Zeit befinden.

Übrigens ist dies die Stelle, an der ganz deutlich gezeigt wird, wo die Residenz Susa des Großkönigs Darius tatsächlich liegt, nämlich mitten in Kleinasien, und sie heißt demnach auch Hattusas (Chatti-Susa). Das geht aus der Lagebeschreibung eindeutig hervor; doch die in Herodot V, 50 gemachten Angaben zur Entfernung zwischen der ionischen Küste und der Residenz des Perserkönigs tragen eindeutig die Züge von Kopisteneintragungen. Danach soll die Reise dorthin drei Monate dauern, was dann zu der Gleichsetzung von Susa im kissischen Land mit dem Schuschan auf dem Persischen Hochland geführt hat, wie es in der konventionellen Sicht vertreten wird. Der Kommentator H. W. Haussig (Anm. 57 zu Herodot V) ist der Ansicht, dass zwar eine Heeresabteilung drei Monate brauche, dass aber Die Kuriere des Großkönigs einen Brief in sieben Tagen von Sardes nach Susa bringen konnten. Mir scheint dies für die konventionelle Strecke zu wenig und für die wirkliche Entfernung von etwa 600 Kilometern bei häufigem Pferdewechsel ausreichend zu sein.

(Herodot V, 97): Gerade zur Zeit dieser feindseligen Stimmung (es ist die Zeit, in der Antipatros-Artaphernes den Athenern mit Gewalt gedroht hatte, wenn sie Hippias nicht wieder aufnähmen) kam Aristagoras von Milet nach Athen, nachdem er durch König Kleomenes aus Sparta fortgewiesen worden war.

Weiter heißt es in diesem Kapitel, Aristagoras habe "mit dreißigtausend Athenern mehr Erfolg als mit einem einzelnen Spartaner" gehabt, mit Kleomenes nämlich, der ihn abgewiesen haben soll. Daraus geht deutlich hervor, dass sich die politischen Verhältnisse in Athen inzwischen geändert hatten. Ich bin mit dem oben erwähnten Herodot-Kommentator derselben Meinung, dass die Zahl Dreißigtausend nicht korrekt ist. Es waren nach seiner Ansicht nur zehntausend Athener stimmberechtigt, und zwar in einer Demokratie. Er meint: Die Zahl (30.000) soll hier wie auch bei Platon und Aristophanes nur eine große, nicht zu übersehende Menge bezeichnen.

Wenn also schon Dreißigtausend keinen Sinn ergibt, dann hat vermutlich auch hier ein Kopist seine Meinung verewigen wollen und aus Dreißig, nämlich den Oligarchen Athens zu dieser Zeit, Dreißigtausend gemacht. Damit läge die Zeit des Besuches des Aristagoras fest: 704 ndFl. Hippias war vermutlich auf dem Wege aus Asien zurück nach Athen.

Die Athener beschlossen jedenfalls, den Ionern zwanzig Schiffe zu Hilfe zu senden, die dem "hochangesehenen athenischen Bürger" Melanthios unterstellt waren. Vermutlich hatten sie zu dieser Zeit kaum noch welche. Herodot meint (V, 97), dass Diese Schiffe verhängnisvoll wurden, für die Hellenen sowohl für die Barbaren.

Darius ließ den Insel-Ionern, die noch selbständig waren, durch Aiakes den Jüngeren, den Sohn des Syloson und Neffen des Polykrates, sein Angebot übermitteln, sich von den Ionern loszusagen und sich statt dessen (Herodot VI, 13 sagt dies zwar nicht ausdrücklich) Persien anzuschließen, was einigen Ionern auch gar nicht abwegig vorkommt. Diesem Aiakes und auch anderen ionischen Tyrannen hatte übrigens Aristagoras bereits die Herrschaft abgenommen. Da die Ordnung bei den ionischen Truppen und Schiffen etwas desolat war, ging ihre Seeschlacht gegen die Perser verloren, und Dionysios kehrte nach Phokaia zurück. Von dort aus betrieb er Seeräuberei und segelte mit großen Reichtümern nach Sizilien, von wo aus er nur noch gegen karchedonische (karthagische) und tyrsenische (römische) Schiffe vorging (Herodot VI, 17). Wir sind in der richtigen Zeit! Übrigens kann mit Phokaia auch das sizilische gemeint sein statt des ionischen.

(Herodot VI, 18) Als die Perser die Seeschlacht gegen die Ioner gewonnen hatten, belagerten sie Milet zu Lande und zu Wasser. Sie untergruben die Mauern und wandten alle möglichen Belagerungskünste an, so dass sie endlich die Stadt samt der Burg eroberten. Im sechsten Jahr nach dem Abfall des Aristagoras war es, als Milet fiel ... (konv. 494 v.Chr. analog 709/710 ndFl, fünf oder sechs Jahre nach dem Beginn des Ioner-Aufstandes 500/499 v.Chr.).

Wieso halfen die Athener ihrer verbündeten Stadt lediglich mit erbärmlichen zwanzig Schiffen, obwohl sie während des Nikias-Friedens und nach dem Sizilien-Debakel die Hände für Milet frei gehabt hätten? Vermutlich hatten sie danach weder eine ernstzunehmende Flotte noch starke Besatzungen. Wenn wir davon ausgehen, dass die Milesier noch zu den Zeiten des Demosthenes auf der Seite Athens am Krieg auf Sizilien teilgenommen hatten (Thuk. VII 57), dann muss es danach zu einem Abfall Milets von Athen zu den Persern gekommen sein (Thuk. VIII 17f.), der auch konventionell tatsächlich ins Jahr 412 v.Chr. datiert wird. also 82 Jahre nach dem Untergang der Stadt. Es besteht demnach konventionell kein Zweifel an der Wiederbelebung dieser Stadt. Wenn wir den Abfall der Milesier von Athen daher mit 412 v.Chr. analog 712 ndFl synchronisieren, dann muss erstens Milet bis dahin wieder aufgebaut und zweitens wieder mit Athen verbündet sein, obwohl die Athener den Milesiern wenige Jahre zuvor nicht geholfen hatten.

Setzen wir aber 412 v.Chr. in diesem Falle mit (712 minus 8 =) 704 ndFl gleich, dann können wir den Abfall Milets zu einem Zeitpunkt ansetzen, als sie sich mit anderen ionischen Festlandstädten und Inseln, gestützt auf die Hilfe der Lakedaimonier, den Persern übergaben. In Sparta war es der Ephor Endios, der dazu gedrängt hatte, weshalb sich der dortige König Kleomenes auch nicht mit Aristagoras, den die Perser offensichtlich als ihren Statthalter in Milet eingesetzt hatten, gegen den Großkönig verbünden konnte. Hier würden "Polemos" und Herodot trotz des konventionellen Zeitunterschiedes harmonieren.

Auch die Beteiligung der Chier (von der Insel Chios) an diesen Aktionen, wie sie im "Polemos" beschrieben werden, erinnert deutlich an die häufige Erwähnung der Chier bei Herodot (VI) im Zusammenhang mit Milet. Ich bin sogar der Ansicht, dass die im "Polemos" geschilderte Belagerung Milets durch die Athener in Wirklichkeit die durch die Perser ist, zumal der Perser Tissaphernes eine wichtige Rolle in diesen Berichten einnimmt. Das würde bedeuten, dass die Belagerung Milets durch die Perser im Jahre 704 ndFl einsetzte, in welchem Jahr auch Dionysios seine Laufbahn als Pirat begann (Thuk. VIII, 26).

Der Beginn des Dekeleischen Krieges hat mit dem Beginn der Belagerung von Milet nichts mehr zu tun. Im Gegenteil: die Zerstörung Milets gehört in das erste Jahr dieses Krieges, nachdem es fast sechs Jahre belagert worden war. Mit der Einnahme und Zerstörung Milets durch die Perser endet der Ionische Krieg (Ionier-Aufstand), und es beginnt der Dekeleische Krieg (710 ndFl); der Regierungsantritt des Dionysios als Tyrann von Syrakus gehört meines Erachtens ebenfalls ins Jahr 710 ndFl.

Dieser Machtübernahme war die Verbannung des Hermokrates, des Vaters von Dionysios, voraufgegangen (Hell. I 1, 27; konv. 410 v.Chr.), worauf schon im "Polemos" (Thuk. VIII, 85; konv. 411 v.Chr.) als zukünftiges Ereignis hingewiesen wird. Er hatte sich mit Tissaphernes überworfen, was mit zu seiner und seiner Mitfeldherren Verbannung beigetragen haben dürfte. Die Mitteilung hiervon bekamen die syrakusischen Feldherren auf dem ionischen Kriegsschauplatz, auf dem sie die Lakedaimonier unterstützten. Als die Nachfolger eintrafen, lag die Flotte vor oder in Milet (Hell. I 1, 31)! Die Verbannten waren nicht mit ihrer Verurteilung einverstanden.

Umso erstaunlicher ist die Mitteilung (Hell. I 3, 13), dass der bereits verbannte Hermokrates mit einer Delegation zum Großkönig aufbricht. Zu dieser Gesandtschaft gehört auch der ebenfalls bereits aus Sparta verbannte Pasippidas (Hell. I 1, 32). Das führt zu der Frage, ob diese Mission nicht schon zu einem früheren Zeitpunkt unternommen wurde, als beide noch nicht verbannt waren und Milet eventuell noch nicht von den Persern belagert war. Es sei denn, die lakedaimonische Flotte gehörte zu der persischen Belagerung dazu.

Nach der Eroberung von Selinus und Himera (Hell. I 1, 37; 2, 10 mit Anm. 31) im Krieg mit den Karthagern soll Hermokrates die Mauern von Selinus wieder hergestellt haben, bei dem Versuch jedoch, seine Verbannung zu annulieren und Syrakus zurückzuerobern, umgekommen sein (Hell. Anm. 15 zu Buch I).

Für das Jahr der 93. Olympiade (konv. 776 minus 368, nämlich 4 mal 92, gleich 408 v.Chr.), das dem Jahr (624 plus 92 gleich) 716 ndFl entspricht, werden Leute aus Milet erwähnt (Hell. 2, 2f.). Da es sich um "das folgende Jahr" handelt, so müsste das Vorjahr (konv. 409 v.Chr. analog) 715 ndFl gewesen sein. Es war aber zum größten Teil das Jahr 704 ndFl. Wenn jedoch der Schluss des vorhergehenden Kapitels den Sieg des Hannibal über Selinus und Himera im Jahre 715 anzeigen will (Hell. I 1, 37), dann kann dies glaubhafter zutreffen, als wenn Hannibal schon 704 ndFl diesen Feldzug geführt hätte; denn er dürfte dazu noch zu jung gewesen sein (geboren etwa 685/690 ndFl). Sein Tod gehört jedenfalls in die Zeit zwischen 750 und 760 ndFl. Hermokrates kann also durchaus erst nach einigen Jahren (etwa nach dem Tode seines Sohnes Dionysios?) nach der Wiederherstellung seiner Macht in Syrakus gestrebt haben. Seine Identität mit Gelon, also der von Gela, würde hierdurch wieder glaubhafter.

Die obigen Milesier können demnach ebenfalls ins Jahr 716 ndFl gehören, was für einen inzwischen erfolgten Wiederaufbau der Stadt sprechen würde. Allerdings lässt ihr Verhalten eher darauf schließen, dass es sich noch um einen Vorgang aus der Zeit vor der Zerstörung der Stadt handelt. Man geht nicht fehl, die meisten (wenn nicht sogar alle) Kapitel der Hellenika für anachronistisch zu halten. Sie enthalten Angaben aus mehr als einem Jahr. Auch in den folgenden Kapiteln werden wir immer wieder parallel laufende und zu unterschiedlichen Jahren gehörende Passagen vorfinden.

Die nächstfolgende Erwähnung Milets (Hell. I 5, 1) lässt ebenfalls erkennen, dass hier nicht die mächtige Metropole gemeint ist. Wir hören zum ersten Mal von Lysandros, dem hochangesehenen Admiral der Spartaner, der von Rhodos nach Kos und Milet segelt. Wegen der Dürftigkeit dieser Angabe halte ich Milet für die von den Persern belagerte Stadt. Lysandros hatte in Rhodos die Flotte von dem vorigen Nauarchen übernommen, von Kratesippidas, dessen Amtszeit abgelaufen war. Das Nauarchenamt konnte jeweils nur für ein Jahr vergeben werden. Im Jahr darauf übernahm Kallikratidas die Flotte von Lysandros, angeblich nach Ablauf von 24 Kriegsjahren (konv. 407 v.Chr. analog 717 ndFl; Hell. I 6, 2). Auch in diesem Falle soll die Flotte bei Milet übergeben werden. Es handelt sich um das von Persern und verbündeten Lakedaimoniern belagerte Milet im Jahre 705 ndFl. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass sich Kallikratidas an Kyros (den Jüngeren) wendet, der erst im Jahre (konv.) 408 v.Chr. analog 716 ndFl Vizekönig (Karanos) in Sardes wird; denn Kyros kann durchaus schon vorher in anderer Eigenschaft in Sardes als Nachfolger des kürzlich verstorbenen Antipatros-Artaphernes (des Älteren) residiert haben. Dessen Sohn Pharnabazos-Artaphernes (der Jüngere), der ebenfalls hier seinen Wohnsitz gehabt haben muss, war auch später noch ein (mehr oder weniger) treuer Gefolgsmann des jüngeren Kyros.

Pharnabazos, der Sohn des Pharnakes (Thuk. VIII, 6), also des älteren Artaphernes, erscheint in den Hellenika sehr oft, meistens gemeinsam mit Tissaphernes, dessen Abstammung - meines Erachtens - nirgendwo mitgeteilt wird. Möglicherweise ist er mit jenem Datis identisch, der mit Artaphernes dem Jüngeren einen Zug gegen Athen machte, wo sie dann bei Marathon besiegt wurden. Es ist nicht auszuschließen, dass beide Brüder waren, und es kann dann unter Umständen Tissaphernes statt des Artaphernes-Pharnabazos mit Kassandros, Sohn des Antipatros-Intaphernes-Pharnakes = Artaphernes des Älteren, identisch sein!

Die Rede des Kallikratidas an die Milesier (Hell. I 6, 8-11) ist erfunden und von einem Geschichtsentsteller hier eingefügt worden; denn der Inhalt entspricht nicht den Gegebenheiten. Von Milet ist dann in den Hellenika weiter keine Rede mehr. Das spricht dafür, dass die Stadt spätestens 710 ndFl zerstört worden ist und lange Zeit nicht mehr existierte.

Am Ende der Besprechung des Jahres 704 ndFl sollen noch einmal die wichtigsten Ereignisse zusammengefasst werden, die sich in diesem Jahr im politischen und geografischen Umfeld des in diesem Teilkapitel besprochenen Geschehens zugetragen haben.

Der unechte Dioskuren-Zwilling Pollux-Polydeikes, der Sohn des schwanenhalsigen Alexandros "Kyknos" (= griechisch für Schwan) und der Leda, endete in diesem Jahr im Alter von etwas über siebzig Jahren sein Leben. Er folgte damit seinem Zwillingsbruder Perdik-Kas(tor) = Perideikes, dessen Tod schon im Vorjahr eingetreten war. Dessen Königsthron in Makedonien hatte Philipp (I) = Antigonos Monophthalmos übernommen, als er bereits seit einem Jahr Reichsverweser Polyperchon war. Seinen Nachfolger Eumenes-Mursilis (II) als Reichsfeldherr von Asien richtete er vermutlich noch im selben Jahr 702 ndFl eigenhändig hin. Pelops-Pelopidas-Philipp ermordete in diesem Jahr 704 ndFl als Polyphron seinen Halbbruder Polydoros, bevor er selbst von seinem Neffen Alexander von Pherai, dem Sohn des Perdikkas, umgebracht wurde.

Dieser Alexander wurde zum Makedonenkönig Alexander II. Er war auch Archelaos (I) und Alexander der Große Nr. 1, der bis nach Indien gezogen war. Im folgenden Jahr wird auch er ermordet werden.

In Ägypten sitzt seit dem Vorjahr Ptolemaios Epiphanes = Psammetich II = Amasis Men-pechti-Re (= "Ramses I") auf dem Posten des persischen Unterstatthalters. Sein direkter Vorgesetzter ist der persische Kronprinz Achaimenes der Jüngere (* ca. 675).

Der in Babylon beheimatete Chaldäer Nebukadnezar (= Nabu-acha-idinna, Nabuchodonoser) aus dem medischen Hause führt derzeit als Otanes (= Hystanes) das persische Heer am Bosporus, seit er es von Megabazos-Antipatros nach dessen Tod im Jahre 702 ndFl übernommen hat.

Im Vorjahr war in Jerusalem Zedekia nach siebenjähriger Regierung unter persisch-babylonischer Oberhoheit eines natürlichen Todes gestorben. Sein Nachfolger Gedalja wurde ermordet, und an seiner Statt setzte "Arthasastha" Darius in seinem zwanzigsten Jahr (703 minus 684 gleich 19, also 20. Jahr) Nehemia dort ein.

Mit dem Abschluss dieses Teilkapitels beende ich meine systematische Arbeit an der Geschichte des Altertums in neuer Sicht.

Letzter Stand:  10. Januar 2014


 

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