Drittes Buch: Die Akkader-Zeit
2. Kapitel:
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Die Rehistorifizierung des Buches Richter
Teil I: Die Zeit von 457 bis 465 ndFl
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Die Wiedergabe der Ereignisse im Buch Richter des Alten Testaments entspricht nicht den Tatsachen, und zwar weder im Hinblick auf die Beschreibung der Vorgänge noch auf deren zeitliche Abfolge. Nur in einer richtiggestellten und überzeugenden Chronologie kann der wahre Sachverhalt wieder herausgearbeitet werden. Das Buch Richter steht im AT zwischen den Büchern Josua und Samuel, wenn von dem Buch Ruth abgesehen wird, das zwischen Richter und 1. Samuel eingeschoben worden ist. Das ändert aber nichts daran, dass der Geschichtsfluss von der Landnahme unter Josua über die Richterzeit hinweg auf Samuel zulaufend gesehen werden soll. Darin besteht aber schon eine wesentliche Entstellung der geschichtlichen Tatsachen; denn die Zeit Samuels liegt vor der Landnahme unter Josua, und die eigentliche Richterzeit liegt zwischen Isaak und seinem Sohn Samuel.
Wie ich schon gezeigt habe, gehört vor das Richterbuch das Buch Hiob, in dem die Grundlagen der Jahwe-Religion diskutiert werden.
Das Buch Richter ist mithin in zwei Hauptteile zu zerlegen: erstens in die Wiedergabe der eigentlichen Richterzeit, also der Zeit zwischen Isaak und Samuel, und zweitens in die der nachsamuelischen Phase, die hier jedoch noch nicht abgehandelt werden soll. Wegen der Überlappung der Bücher Josua und Richter in der Zeit der Landnahme ergibt sich zwangsläufig, dass diese beiden Bücher polarperspektivisch sind; das heißt, dass die Landnahme, die in dem Buch Josua beschrieben wird, auch in den entsprechenden Kapiteln des Richterbuches erscheint, allerdings aus der Sicht der Bewohner des Landes, in das Josua eindringt.
Beim Einzug des aus Ägypten kommenden Trupps lebten in Kanaan nämlich keineswegs geschichtslose Kanaaniter, wie es das Buch Josua suggeriert, sondern hier waren die Nachfahren der im vorigen Kapitel besprochenen Ersteinwanderer ansässig. Das ist auch eigentlich ganz logisch; denn wieso nach Abraham, Isaak und besonders nach Jakob und seiner großen Nachkommenschaft plötzlich überhaupt keine Spur von dieser Volksgruppe mehr in Kanaan anzutreffen gewesen sein soll, erschien mir nie einleuchtend. Die konventionell gesehenen vierhundert Jahre zwischen Jakob bzw. Joseph und Moses schrumpfen im AT ohnehin auf ganze drei oder vier Generationen zusammen (2. Mose 6, 16-20). Wenn auch die Generationsfolge, die im AT aufgeführt wird, nicht der Wirklichkeit entspricht, so ist doch damit angedeutet, dass der Exodus ungefähr vier Generationen nach Jakob erfolgte. Joseph, in Wirklichkeit der Enkel und nicht der Sohn des Jakob, war ein Zeitgenosse des Exodus wie auch sein angeblicher Urgroßvater Abraham.
Die Person Josua ist außerdem in zwei verschiedene Akteure aufzuspalten: die Landnahme, die parallel zum Buch Richter gesehen werden muss, betrifft den Davidsohn Chileab-Jaschub = Labaja, während der andere Josua, der zu der Zeit des scheinbaren Sonnenstillstandes aktiv war, mit Joas-Josia identisch ist, der als Rabsakeh (hebräisch-assyrisch für Feldherr) eine Zeitlang in den Diensten der Assyrer stand. Er gehört in eine spätere Generation. Auf die beiden Josua kann hier aber noch nicht weiter eingegangen werden.
Die geringe Glaubwürdigkeit der Ereigniswiedergabe im Buch Richter ergibt sich schon aus den eigenartigen Ruhejahren, die nach oder unter bestimmten Richtern eingefügt wurden und die entweder 40 oder 80 Jahre lang sind. Die hieraus resultierende Länge der Richterzeit übertrifft bei weitem die konventionell anerkannte Spanne zwischen der Landnahme unter Josua und dem Auftreten des Samuel. Da jedoch beide Darstellungen falsch sind, nämlich sowohl die alttestamentarische als auch die konventionelle historische, so kommt dieser Diskrepanz keine Bedeutung zu. Die Richterzeit ist weder etwas über hundert noch mehr als 400 Jahre lang gewesen; sie betrug für die reine Richterzeit zwischen Isaak und Samuel gerade die 80 Jahre, die mehrfach als Ruhezeit angegeben werden, und für die Gesamtzeit zwischen Isaaks Fortgang aus Kanaan und dem scheinbaren Sonnenstillstand unter Joas-Josia-Josua 219 Jahre (457-676 ndFl).
Ein weiteres Problem bei der Rehistorifizierung des Buches Richter ergibt sich daraus, dass im AT - wie am Beispiel Josua schon gezeigt wurde - Personen nicht immer eindeutig zu identifizieren sind. Man hat es häufig mit mehreren Personen zu tun, die unter einem einzigen Namen und einer einzigen Identität zusammengefasst sind, so dass daraus eine völlig neue handelnde Person entsteht, die allerdings keine echte Historizität mehr besitzt.
Spätestens im Jahre 457 ndFl muss Isaak Israel wieder verlassen haben; denn in diesem Jahr beginnt die 80jährige Richterzeit (Teil 1), die mit der Ankunft Samuels in Edom-Seirirot (= Israel) im Jahre 537 ndFl endet. Isaak setzte in Beth-El die Amme bzw. Stiefmutter Rebekkas, Debora, als Erste in das neugeschaffene Richteramt ein. Es scheint zuzutreffen, dass sie genau dieselben acht Jahre im Amt war, die als Zeit der Unterdrückung Israels durch den Mesopotamier Kuschan-Rischathaim angegeben werden. Demnach wäre sie im Jahre 465 ndFl gestorben:
1. Mose 35,8: Da starb Debora, der Rebekka Amme, und ward begraben unterhalb Beth-El unter der Eiche; und die ward genannt die Klageiche (= "Allon Bakuth").
Die Ansetzung Deboras in der Zeit einer Schlacht, die als sogenannte "Terah-Schlacht" zu identifizieren ist, ist ein Anachronismus. Die Kapitel 4 und 5 des Richterbuches sind speziell daraufhin zu korrigieren. So weist das sogenannte Debora-Lied (Richt. 5) in seiner Urfassung, dem phönizischen Keret-Gedicht, keinerlei erkennbare Hinweise auf Debora auf, wohl aber auf die Tochter des edomitischen Königs, an deren Stelle in den Kapiteln Richter 4 und 5 Debora eingesetzt worden ist.
Da das Richterbuch in Wirklichkeit nicht an das Buch Josua anschließt, das seinerseits ebenfalls nicht exakt mit den historischen Fakten übereinstimmt, so ergibt sich die Frage, woran denn die ersten Kapitel des Richterbuches angeschlossen werden sollen bzw. welchen Sachverhalt sie de facto wiedergeben.
Richter Kap. 1: Juda und Simeon führen Krieg gegen Adoni-Besek, den Kanaaniterkönig von Besek, hinter dem sich jedoch offensichtlich Adoni-Zedek von Jerusalem verbirgt, was die Septuaginta (LXX) jedenfalls als gegeben ansieht (Jos. 10, 1-27). Die Kinder Juda bringen Adoni-Besek nach Jerusalem, das sie anschließend erobern und zerstören. Dies ist nicht nur unlogisch (siehe Vers 21), sondern es erinnert auch direkt an Josua, der mit dem Amoriterkönig Adoni-Zedek von Jerusalem, der in Wirklichkeit Hiskia bzw. Amazja war, sehr ähnlich verfuhr.
Hier liegt also offensichtlich eine jener Stellen vor, an denen die beiden Bücher Josua und Richter parallel liegen. Ab dem Vers 9 kommt eine andere Zeit zur Geltung. Es handelt sich um die Eroberungen zur Zeit Kalebs, eines Sohnes von Samuel, die in eine spätere Zeit gehören. In diesem Zusammenhang erfolgt ein Hinweis auf Othniel, den Sohn des Kenas, der als jüngerer Bruder Kalebs ausgewiesen wird. In Wirklichkeit war Othniel als tatsächlicher Sohn des Kenas = Kain natürlich ein jüngerer Bruder des Elihu-Isaak.
Ab Vers 16 ändert sich das Bild wieder: Die Kinder eines Keniters ziehen mit den Judäern herauf. Allgemein wird unterstellt, es handele sich bei dem Keniter um Moses' Schwager Hobab, der hier jedoch nicht namentlich erwähnt wird. Betrachtet man Isaak, den Sohn des Kain-Kenas, indes als Keniter, so wird die Bedeutung dieser Angabe schon klarer. Erst recht wird deutlich, was gemeint ist, wenn es heißt, die Keniter und Judäer seien aus Ir-Hattamarim heraufgezogen. Der Name dieses Ortes bedeutet Palmenstadt; es kann hier Baal-Thamar (Richt. 20, 33) gemeint sein, was wohl als Palme Deboras (Richt. 4, 5) zu verstehen wäre. Gemeint ist, dass die Keniter den Wohn- und Gerichtsort der Debora verließen, also die Palmenstadt Beth-El, um in die Wüste Juda zu ziehen und dort Wohnung zu nehmen.
Hier wird auf die Zeit angespielt, als Juda = Sem, der ältere Halbbruder des Samuel, in Kanaan war (vermutlich kurz vor 480 ndFl). Beide waren Kinder eines Keniters, des Isaak nämlich, des Sohnes des Kain-Elkana-Seth I. Judäer unter der Führung des Perseus-Arphachsad, eines Sohnes des Sem-Juda, zogen einer Inschrift zufolge nach Udjaru in die Wüste, wobei udja-ru sowohl Juda bedeuten kann als auch Wüste (udja = ägyptisches Hieroglyphenzeichen für heiß). Dieser Vorgang gehört in das Jahr 537 ndFl wie auch die Begegnung der Jebusiter von Jerusalem mit den Benjaminitern (Vers 21). Es ist dies die Zeit, als Samuel-Benjamin selbst ins Land kam. Er wohnte - wie gezeigt werden wird - in Rama(thaim-Zophim).
In diesem Kapitel interessieren vorab jedoch nur solche Vorgänge, die in die Zeit bis zum Jahre 465 ndFl gehören.
Richter Kap. 2: Die Fraternisierung mit den Kanaanitern ruft den Unmut des Herrn hervor, der auch sogleich einen Engel schickt, der darauf pochen soll, dass die Zusage eingehalten wird, die fremden Altäre zu zerstören. Der Engel kommt von Gilgal herauf nach Bochim und betont, dass er sie aus Ägypten heraufgeführt habe. Darunter ist zu verstehen, dass diese Geschichten in die Zeit nach der Rückkehr des Seth-Isaak nach Mesopotamien gehören. Er hatte die aus Ägypten mitgebrachten befreiten Sklaven in Kanaan angesiedelt, die sich nun nicht an seinen Befehl halten, die Altäre zu zerstören. Der "Engel" ist natürlich ein Botschafter Isaaks, und zwar der oben bereits erwähnte Othniel, der ausgesandt worden war, in Kanaan nach dem rechten zu sehen. Mit der Heraufführung der Hebräer aus Ägypten durch Moses-Aaron hat die obige Äußerung nichts zu tun. Die steht nämlich noch bevor.
Es folgt ein Rückbezug auf Josua, zu dessen Lebzeiten noch dem Herrn gedient wurde und der dann mit 110 Jahren starb. Nach dem Tod aller derjenigen, die noch unter Josua gelebt und dem Herrn gedient hatten, kam ein anderes Geschlecht auf, das den Herrn nicht kannte. Sie fingen an, den Baalim und den Astharoth zu dienen. Dabei ist zu beachten, dass Baal-Zephon Seth-Isaak selbst ist und dass Astarte-Ischtar mit Asterie = Zil-Latona identisch ist, der Frau des Zeus- Adam II = Perses-Lamech. Es kann aber zur Zeit der ersten Richter noch keinen Astarte-Kult gegeben haben. Allerdings ist dieser Kult eine erweiterte Form der wesentlich älteren Verehrung der Inanna von Uruk, der Gemahlin des Dumuzi = Dagon, des Philistergottes, so dass davon ausgegangen werden kann, dass hier der Inanna- und nicht der Astarte- Kult gemeint ist.
Den Versen 14 uff. nach zu urteilen stand Israel vor einem Chaos, da keine starke Hand mehr den räuberischen Umtrieben wehrte, so dass "Richter" berufen wurden, denen es zwar offensichtlich gelang, der Situation Herr zu werden, denen das Volk aber in religiöser Hinsicht nicht gehorchte sondern weiter den Baalim diente.
Richter Kap. 3: Die Heiden, die um der Versuchung der Kinder Israel willen im Lande blieben, waren die fünf Fürsten der Philister, alle Kanaaniter, Sidonier (= Phönizier) und Heviter, die am Berge Libanon wohnten: (3) von dem Berge Baal-Hermon an bis man kommt gen Hamath. Bei den Hevitern handelt es sich um eine aus Ägypten mitgekommene Volksgruppe: Chevi-ter bzw. Chau-iter. Außerdem wohnten aber noch Hethiter, Amoriter, Jebusiter und Pheresiter im Lande (Vers 5). Letztere sind auch die Peresiter bzw. Perisiter (= "Bauern"), die man von den Kanaanitern im engeren Sinne unterscheidet. Sie sind natürlich mit den Philistern identisch. Es kommt alsbald zur Vermischung der Einheimischen mit den Kindern Israel, die ihrerseits mehr und mehr den einheimischen Göttern zugetan sind, den Baalim und den Ascheroth. Zur Strafe müssen die Kinder Israel acht Jahre lang dem Kuschan-Rischathaim dienen, dem König von Mesopotamien. Dieser ist aber in Wirklichkeit entweder der Bruder des Mursilis, jener Scharri-Kuschuch von Karkemisch aus den Annalen des Mursilis II, oder - was ich für wahrscheinlicher halte - Suppiluliumas, der Vater dieser beiden Herren, selbst. Selbstverständlich gehört er in die Zeit des Joas-Josia-Josua (II). Wie ich schon sagte, ist unter dieser achtjährigen Zeit die Phase der Richterin Debora zu verstehen, während derer es zu den Unruhen kam, die durch den vom "Herrn" Isaak gesandten "Engel" Othniel beendet wurden.
Die Befreiung von Kus(ch)an-Ris(ch)athaim erfolgt deshalb im AT auch durch den Keniter Othniel, den jüngsten Bruder des Isaak. In Wirklichkeit folgte Othniel auf die inzwischen verstorbene Debora, und es sieht so aus, als habe es das besagte Chaos nach deren Tod gegeben, so dass sich Isaak genötigt sah, von Mesopotamien aus in Edom-Seirirot einzugreifen. Es ist sogar nicht auszuschließen, dass mit dem Tod der Debora auch der Tod des Esau zu verbinden ist, und dass durch dessen Tod das Chaos ausgelöst wurde, in dem Debora ebenfalls ihr Leben verlor (465 ndFl).
Es heißt weiter in Richter-Kapitel 3, dass nach der Niederlage des Kuschan-Rischathaim das Land vierzig Jahre ruhig war und Othniel starb. Othniel starb keineswegs nach vierzig Jahren der Ruhe im Lande; während dieser vierzig Jahre von 465 ndFl (Tod Deboras) bis 505 ndFl, in welchem Jahr es zum Terah-Überfall kommen wird, fand der Krieg gegen die Akkader statt, der auch für Edom-Seirirot = Israel keine "Ruhezeit" gewesen sein kann. Es handelt sich um die Jahre 486/487 ndFl. Die Richterzeit Othniels endete mit dessen Tod im Jahre 505 ndFl.
Richter Kap. 4: Der gesamte historische Hintergrund der Ereignisse, die in diesem Kapitel geschildert werden, stimmt nicht. Das gilt insbesondere für die Prophetin und Richterin Debora, die ganz zweifellos mit der Amme bzw. der (Stief-)Mutter Rebekkas identisch ist, zumal die Richterin Debora als das Weib des Lapidoth bezeichnet wird. Lapidoth (= hebr. für Fackeln) ist aber Prometheus- Mithras, der Fackelträger, also auch Bethuel (= Methuel, Methusael), der Vater des Laban, des Bruders der Rebekka.
Als Wohnsitz Deboras wird angegeben: Unter der Palme Deboras zwischen Rama und Beth-El auf dem Gebirge Ephraim. Es handelt sich hierbei zweifellos um die Palmenstadt, die in Richter 1,16 und 3,13 erwähnt wird: Ir-Hattamarim = Baal- Thamar (in Benjamin). Mit Rama ist Ramathaim-Zophim auf dem Gebirge Ephraim gemeint, das sehr wahrscheinlich mit Ramath-Mizpe identisch ist (das jedoch gemäß Jos. 13, 26 in Gilead liegen soll!); denn die Namen Mizpa und Zophim können über ihre gemeinsame Wurzel zaphah als gleichbedeutend angesehen werden. In dem Falle wäre das Rama auf dem Gebirge Ephraim mit Mizpa, dessen Lage zwischen Rama und Beth-El gesehen wird, identisch.
Wie sehr Debora in den Richter-Kapiteln 4 und 5 fehl am Platze ist, geht auch daraus hervor, dass sie in den Kampf zieht, was einer nicht mehr ganz jungen Richterin nicht gut anstehen würde. An ihre Stelle dürfte Jaël gehören, worauf ich an anderer Stelle schon hingewiesen habe. Jaels Gemahl Heber war ebenfalls ein Keniter (Nachfahre Kains), der bei den Eichen zu Zaanannim bei Kedes-Naphthali wohnte. Er versammelte seine Truppen zu Kedes und zog auf den Berg Thabor. Hierauf wie auch auf den Terah-Feldzug komme ich im nächsten Richterbuch-Kapitel wieder zurück.
Die Rehistorifizierung des Buches Richter wird wieder aufgenommen, sobald wir in der Zeit des Akkader-Krieges angekommen sind (486/487 ndFl).
Letzter Stand: 12. Juli 2012
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