◆Gut und Böse durch
▸Geist oder Gehirn?
Gut und Böse durch Geist oder Gehirn?
Was gut oder böse ist, bestimmt vor allem unsere Gesellschaft, und die ändert sich über die Jahrhunderte. So wurde die absichtliche Tötung eines anderen Menschen ohne Rechtfertigung wohl zu allen Zeiten als schlecht angesehen. Was sich ändert, ist die Einteilung, was als Rechtfertigung gilt. Heute wird gegenüber früheren Jahrhunderten außer der Notwehr wohl kaum ein Rechtfertigungsgrund übrig bleiben. Selbst das Töten im Krieg wird wohl von den meisten Menschen abgelehnt, außer vielleicht in der Defensive.
Was jedoch noch problematischer ist, ist die Verantwortlichkeit für böse Handlungen, die
Schuld. Man muss sich Fragen, ob der Antrieb für böse Taten vom Gehirn ausgeht oder vom Geist. Die Gedanken und das Verhalten unseres Gehirns bezeichne ich nicht als Geist. Die Psyche und unser Verhalten im Leben entstehen nämlich im Gehirn, sind also körperlich! Das Bewusstsein und die Seele sind etwas ganz anderes! Sie gehören zur geistigen Welt, mit der unser Gehirn in Verbindung steht. Dieser eigentliche Geist ist weder gut noch böse und kann nicht krank werden. Krank und böse wird nur das Gehirn als Teil des Körpers.
Hat eine Seele also Pech gehabt, weil sie in einem Körper mit einem bösen Gehirn und einer bösen Psyche gefangen ist?
Neuere Forschungen deuten darauf hin, dass unser Gehirn tatsächlich Entscheidungen fällt, noch ehe sie uns bewusst werden. Als Konsequenz würde unser Geist für Handlungen bestraft, die unser Gehirn veranlasst! Eine Diskussion, die in unserem Strafrecht immer mal wieder auftaucht, aber nicht neu ist! So wie Einsteins theoretisch-mathematische Behauptungen seit 100 Jahren immer wieder praktisch bestätigt werden, hat Arthur Schopenhauer das schon lange vorher behauptet. Es ist wohl eine seiner bekanntesten Thesen:
»Der Mensch kann zwar tun, was er will, aber er kann nicht wollen, was er will!«
Zu dieser Erkenntnis kam er viel mehr als 100 Jahre bevor wir mit Magnetresonanztomographie (MRT) dem Gehirn beim Denken zuschauen konnten.
Alle dualistischen Gegensätze haben die Eigenschaft, ohne das jeweilige Pendant nicht existieren zu können, ohne positiven Pol kein negativer, ohne Frau kein Mann, ohne Böses kein Gutes. Ähnlich beschreibt es ganz unauffällig
J. R. R. Tolkien in
Der Herr der Ringe: Als Frodo in den Minen von Moria bedauert, dass Bilbo Gollum nicht getötet hat, als er die Gelegenheit hatte, erwidert Gandalf sinngemäß, dass auch das Böse seine Rolle zu spielen hat in der Welt und bestimmend über das Schicksal von vielen sein kann, sowohl zum Guten wie zum Schlechten! Und tatsächlich: Ohne das (manchmal böse) Eingreifen Gollums hätte Frodo sein Ziel nicht erreicht.
Wir neigen dazu, auch die geistige oder jenseitige Welt in gut und böse einzuteilen, in Gott und den
Teufel, aber das sind nur Symbole zur Orientierung. Die geistige Welt ist eins und das Ganze hat einen Sinn. Wir können ihn nur nicht sehen oder gar begreifen. Nicht einmal die Bibel versucht, ihn zu erklären. Sieht man den Sinn des Daseins auf Erden darin, ein ewiges Leben im Paradies zu erreichen, egal ob man es sich geistig oder körperlich vorstellt, so ist das noch lange kein Sinn an sich!
Solche unerwarteten Folgen in der Zukunft durch kleine Änderungen, Entscheidungen, oder sogar gut gemeinten Handelns, wie oben im
Herrn der Ringe, wurden in vielen Romanen und Spielfilmen aufgegriffen, von
Butterfly Effect bis
Zurück in die Zukunft. Der Flügelschlag eines Schmetterlings, der dazu beiträgt, dass weit entfernt ein Taifun auftritt, kann die Zukunft von Menschen ebenso gravierend beeinflussen wie ein Staubkorn in der Lotto-Trommel. Wissenschaftler befassen sich mit dem
Schmetterlingseffekt, dem Domino-Effekt, dem Schneeballeffekt und Kettenreaktionen in der Chaos-Forschung, die eines der jüngsten Forschungsfelder bildet und viel unfertiger, unübersichtlicher, unanschaulicher und schwer verständlicher ist als die Ökologie. Wir dürfen nicht erwarten, dass wir beides in absehbarer Zeit oder überhaupt jemals vollständig verstehen. Die Physik hat sich mit ihrem Teilchenzoo auch längst von den schönen klaren physikalischen Gesetzen eines Newton und selbst von der immer noch kausalen Relativitätstheorie entfernt. Begonnen hat es mit der Quantenmechanik, wo es enden wird, oder ob es überhaupt jemals enden wird, ob es ein Ziel hat, oder ein Endergebnis, weiß niemand.
Wo kommt das Böse her?
Betrachtet man das Böse im Licht der Evolution, gibt es eigentlich kein Gut oder Böse. Wenn ein Urmensch einem anderen etwas weg nahm, war das nicht böse. Er war der Stärkere oder vielleicht der Geschicktere, und einem anderen zum Beispiel Nahrung wegzunehmen oder gar ihn zu verletzen oder zu töten hatte einen evolutionären Vorteil, Mutation und Selektion eben. Erst mit der Sesshaftwerdung, dem Übergang vom Jäger und Sammler zum Ackerbauern und Viehzüchter hatte es durchaus auch evolutionäre Vorteile, in Frieden und Sicherheit auf einem Stück Land zu leben. Die Verbesserung der Sprache machte es auch leichter, sich Regeln zu geben um das Zusammenleben zu organisieren. Im Grunde gibt es das Böse also eigentlich nicht. Die Einteilung zwischen Gut und Böse und die Regeln dazu haben sich die Menschen selbst gegeben, so wie Platon und Aristoteles mit ihren Gedanken über die Tugendhaftigkeit.
So etwas Neues wie Schuldgefühle musste erklärt werden. Bei den Griechen kam das Böse aus der Büchse der Pandorra. Zeus persönlich hatte sie ihr gegeben, um sie zu verwahren. Aber sie war neugierig und öffnete sie. Das einzige, was sie mit dem Deckel wieder einfangen konnte, war die Hoffnung. Der genialste Trick entstand in der christlichen Mythologie: Da schob es der Adam auf die Eva, die ihm den Apfel schmackhaft machte, diese wiederum auf die Schlange, ein Symbol für den
Teufel. Den gibt es zwar nicht, aber Hauptsache man hat einen Sündenbock.
Die Vergebung der Sünden, also der bösen Taten, hat sich später die Kirche nutzbar gemacht, denn mit dem Monopol zur Sündenvergebung kann man Macht über die Menschen ausüben. Man braucht nur Angst vor Satan und der Hölle verbreiten und Erlösung davon zu versprechen, und schon kommen alle, und bringen auch ihr Geld mit. Und wer sich unschuldig fühlt, dem droht man mit der Erbsünde, »in Gedanken, Worten und Werken«. Also auch nichts mit »Die Gedanken sind frei«! Heute sorgen Polizei und Gerichte für die Bestrafung der Sünder und im besten Fall für Abschreckung, um Böses zu verhindern. Ausrotten werden wir es wohl nie, das haben nicht mal Galgen und Todesstrafen geschafft.