◆Die Menschwerdung,
▸Entstehung der Schuld
Der Verlust der Schuldunfähigkeit
Die Menschwerdung durch die Erkenntnis von Gut und Böse
Ist der Unterschied zwischen Mensch und Tier graduell oder prinzipiell? Wo setzt man die Grenze? Dass Adam und Eva tatsächlich biologisch die ersten Menschen waren, ist sehr unwahrscheinlich. Nicht nur dass die Evolution inzwischen sehr gut erforscht und bewiesen ist, auch ist die Geschichte der beiden in der Bibel total unlogisch. An verschiedenen Stellen wird es als selbstverständlich beschrieben, dass es außer den Kindern der Stammeltern noch weitere Bevölkerung gab. Waren die "anderen" noch keine richtigen Menschen, weil sie den
Baum der Erkenntnis von Gut und Böse noch nicht gesehen hatten?
Auch wenn man in der Geschichte eine Legende oder einen menschengemachten Mythos sieht, ist sie nicht bedeutungslos, eher eine Allegorie: Der einzige prinzipielle Unterschied zwischen Mensch und Tier ist die Einteilung des Verhaltens in Gut und Böse. Dem Löwen, der ein Beutetier tötet, kann man dies nicht vorwerfen. Es ist seine Natur. Auch Frühmenschen wie der Neandertaler werden keine Hemmungen oder ein schlechtes Gewissen gehabt haben, einen Konkurrenten zu töten, bis sie irgendwann die Erkennnis gewannen, dass es gutes und böses Verhalten gibt. Das heißt natürlich nicht, dass ab da alle gut waren. Nach einer bösen Tat haben Christen die Ausrede »Der Teufel hat mich verführt!«. Setzt man den Moment der Erkenntnis von Gut und Böse mit dem Sündenfall am Baum der Erkenntnis von Gut und Böse im Garten Eden gleich, muss man allerdings zu dem Schluss kommen, dass der vorangegangene Zustand, ohne schlechtes Gewissen, das Paradies war und die Erkenntnis des Bösen die Vertreibung daraus.
Die Schuld
Die Vertreibung aus dem Garten Eden ist also die Vertreibung des Menschen aus dem
Paradies der Schuldunfähigkeit!
Jetzt musste der Mensch Verantwortung für seine Taten übernehmen und sich vor seinem eigenen Gewissen (oder vor einem Gott, oder vor den Mitmenschen) rechtfertigen. Früher fragten die Menschen zum Beispiel bei einem Unfall immer: »Wer ist denn Schuld?« Die Polizei achtet inzwischen darauf, immer nur vom
Unfallverursacher zu sprechen. Der Unterschied zwischen Verursachung und Schuld liegt in der Vorwerfbarkeit einer Handlung oder Unterlassung. Schadenersatz muss auch ein Unfallverursacher zahlen, aber bestraft wird er nur, wenn er auch
schuldig ist. Kinder und psychisch Gestörte gelten als
schuldunfähig. Oft liest man "geistesgestört" oder "seelisch krank", das halte ich für falsch, wie weiter oben beschrieben. Psychische Störungen haben ihre Ursache im Gehirn, nicht im Geist. Der Geist kann meiner Meinung nach nicht krank werden oder gestört sein. Die Wahrnehmung der Störung durch den Geist ist nur eine Folge der körperlichen Störung im Gehirn.
Unser Buß- und Bettag wurde erst Ende des 19. Jahrhunderts als fester Gedenktag am Mittwoch vor dem Ewigkeitssonntag, dem letzten Sonntag des Kirchenjahres, eingeführt. Vorher wurden Buß- und Bettage in Notzeiten wie Katastrophen und Hungersnöten von der Kirche ausgerufen, welche diese Ereignisse als Strafe Gottes für die Schlechtigkeit der Menschen ansah. Sie sollten gefälligst Buße tun, beten (und am besten auch Geld mitbringen).
Missbrauch des Gewissens durch das Monopol der Sündenvergebung der Kirche
Die verhängnisvollste Auslegung des Sündenfalls stammt von der frühen Kirche. Die Kirchenväter nahmen für ihre Priester das Monopol der Sündenvergebung in Anspruch. Damit konnte man vor allem eines gewinnen: Macht über die Menschen! Wenn nun Leute die 10 Gebote hörten, gab es natürlich viele, die sagten: »Ich hab keinen umgebracht, nichts gestohlen, ...« also wozu brauche ich die Kirche? Deshalb ließen sich die frühen Theologen die
Erbsünde und die
Sieben Todsünden einfallen:
Zum Sündenfall im Paradies wurde der erste Geschlechtsverkehr erklärt, folglich durfte man künftig beim Sex kein Vergnügen empfinden, sonst war es Sünde, Wollust, eine der sieben Todsünden. Sex nur zur Fortpflanzung, sonst kostet's Bußgeld. Erfundene Lehren wie die Drohgeschichten des
Augustinus von Hippo wirken nach bis in unsere heute aufgeklärte Zeit und haben das Verhältnis der Menschen zur Sexualität und auch zum eigentlich gütigen Gott der Christen über 2000 Jahre immer wieder vergiftet. Warum distanzieren sich die Kirchen nicht eindeutig und öffentlich von den Irrlehren der Kirchengeschichte?
Die erste Wende brachte Martin Luther und die Reformation. Sie hätte der Beginn einer großen Reformbewegung sein können. Statt dessen ruht sich auch die evangelische Kirche auf den Lehren Luthers aus, statt die großen philosophische Lehren Jesu fortzuschreiben und die großen Fragen anzugehen. Seit dem Beginn der Neuzeit und dem Zeitalter der Aufklärung führen die Kirchen statt dessen ein Rückzugsgefecht. Die Folge ist, dass die Menschen apathisch gegenüber religiösen Fragen werden, aus der Kirche austreten oder der Hunger nach Spiritualität manche Leute in die Hände von Extremisten treibt.